Kolumne - Neulich im Netz Alles auf Diskette: Die Matrix ist überall

Agent Smith ist angekommen in dieser Welt. Er hat den schlechtesten Dreiteiler der Filmgeschichte überlebt und treibt nun sein Unwesen als "Alleinunterhalter".

Agent Smith ist da, und diesmal macht er Ernst. Statt weißem Hemd und Krawatte, schwarzem Anzug und Sonnenbrille trägt er jetzt ein weißes Hemd und Fliege, Mittelscheitel und Oberlippenbart. Manchmal tarnt er sich mit einer Zahnlücke und Glitzerjacket, mal zieht er Frauenkleider an und onduliert sich das Haupthaar. Es ist schrecklich. Es gibt kein Entrinnen.

Es gibt keinen Grund, sich sicher zu fühlen, bloß weil man Smith nie als lebende Orgel oder Quetschkommode zu seiner Geburtstagsfeier, zur Hochzeit oder Taufe der Kinder engagieren würde. Spätestens zum Begräbnis sitzt er am Sarg. Und wenn nicht da, dann beim Leichenschmaus. Es ist grauenhaft. Neo und Trinity und der andere, der überlebt, wussten gar nicht, wie glücklich sie waren, keinen Schimmer zu haben. Von nichts, von gar nichts, und erst recht nichts von Smiths eigentlicher Mission. Alles vorprogrammiert. Auf Diskette.

"Moderne Lichteffekte, blendfrei aufgestellt"

Nein, alles gelogen. Alleinunterhalter sind die letzten Helden einer längst vergangenen Zeit. Sie sind zeitlos und unsterblich. Moden und Zeitgeist können sie nicht beeindrucken, ein Blick auf ihre Galaklamotten genügt. Das wird aber auch deutlich durch "moderne Lichteffekte, blendfrei aufgestellt als Beitrag zu einem stimmungsvollen Ambiente". Oder die Hörproben, die auf ihren Homepages zu Folterzwecken bereitstellen.

Thomas Hirschbiegel

Kolumnist für stern.de seit 1997 - und das H der H&A medien: Redaktion, Public Relations und Online-Konzepte.

Da kann man sich nicht wehren. Da kann sich keiner wehren. Denn es ist einfach Zauber, bei Burkhard oder Günther, bei Gerd oder Rüdiger, bei Erika und Walter und wie sich Smith sonst noch nennt. Ja, es ist Smith. Es war immer Smith. Diskette ins Keyboard mit "It's Raining Men", "Just a Gigolo", "Tulpen aus Amsterdam" und dem vierten Lied, das klingt wie alle anderen auch.

Mehr Hall, bis es "gut" klingt

Start gedrückt am vollautomatischen Tasteninstrument, so tun als ob und dazu einen schönen Halleffekt über die Stimme gelegt für bessere Töne. Und immer und immer wieder das selbe Lied, bis die Gäste panisch nach dem Autoschlüssel suchen oder vor lauter Verzweiflung so lange saufen, bis der Knacks kommt im Kopf und ihr Blick starr wird. Opfer der Matrix, weil keiner den Stecker zieht.

... "Sie ist eine bühnenerfahrene Künstlerin und begeistert mit Songs und Medleys aus den Bereichen Jahrzehnte-Hits (von den 20ern bis zu den 90ern), von Stimmung, Seefahrt, Mundart, Schlager, Alpenland und Country über bekannte und beliebte Duett-Hits bis hin zu Top-Hits zum Mittanzen, Zuhören oder Mitsingen." ... "Ob Volksmusik, Oldies, Evergreens, Tanzmusik, Stimmungsmusik, Musik aus den Charts, dies bunt gemixt und mit Gesang zum richtigen Zeitpunkt angereichert, ist ein wesentlicher Punkt für eine gelungene Veranstaltung."...

<a class="link--external" href="mailto:stern@ha-net.de">Thomas Hirschbiegel</a>

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