Kolumne - Neulich im Netz Eine kleine Straße und ein Schild: Irgendwie süß

Internet ist viel besser als bedrucktes Papier. Schließlich verschwindet das Web von gestern nicht heute in der Mülltonne. Oder doch?

Manchmal wäre das wohl besser. Manchmal aber auch nicht. Unfragwürdig zur zweiten Kategorie zählt die vielleicht bemerkenswerteste Serie des deutschen Sommerjournalismus. Genau, es handelt sich um Rinas Mallorca-Tagebuch.

Alex, die Attraktion

In sechs Teilen berichtet die dralle Berlinerin von ihren Abenteuern auf Deutschlands meister Urlaubsinsel. Den Freund ließ sie vorsichtshalber Zuhause, um sich voll und ganz auf die Attraktionen vor Ort konzentrieren zu können. Als da waren: Alex, der Elektroschrauber mit dem Kurzschluss in der nassen Badehose. Markus, ein Mann wie ein Lattenzaun. Oder Nico, der sich gern Zeugs aus dem Bauchnabel lecken lässt. Was Rina selbstverständlich gern tut, sie hat ja sonst nichts vor: "Schmeckt irgendwie süß". Sagt er: "Ist ja auch gerade Sangria drübergelaufen!" Rina hat zwar Abitur, ist aber trotzdem wohl ein bisschen langsam in der Rübe, weswegen sie immer etwas Zeit braucht, um Dinge zu erkennen. Wie sie so kuckt und staunt und sieht und das in ihrem schwarzumrandeten Oberstübchen zurechtrückt, hört man gleichsam die Zahnrädchen werkeln: "16.55 Uhr: Mann, ist der feucht! Acht Meter lang, drei Meter fünfzig breit. Wow! Was für ein cooler Pool ..." Kaum fertig gedacht, geht auch schon die Sonne unter.

Thomas Hirschbiegel

Kolumnist für stern.de seit 1997 - und das H der H&A medien: Redaktion, Public Relations und Online-Konzepte.

Größe zählt sehr wohl

Oder: "Und mein schöner Schlosser zeigt mir die Wertung: 9,9! Moment, denke ich! Soll das ’ne Anspielung sein? Halt doch mal das Schild anders rum. Uuuupps, jetzt steht da ja: Sex Komma Sex!!!!!" Ein Wahnsinn, was Rina den lieben langen Tag so herausfindet. Neben dem Dreh mit Zahlen, wo man auf den Kopf stellen kann und plötzlich kommt da was ganz anderes raus bis zu: "Wer hat den längsten (Strohhalm), den dicksten (Oberarm), den schönsten (Waschbrett-Bauch)?"

Klar, dass irgendwann Mallorcas größter Ballermann die Szene betritt. Dabei handelt es sich um einen nicht mehr ganz taufrischen Schlagersänger, der kürzlich sein Publikum rüde titulierte, dann aber feststellte, dass er just den Ast abgesägt hatte, auf dem er sein Geld verdiente, und prompt zu Kreuze kroch, was seine nicht sonderlich wählerische Kundschaft genauso wenig interessierte wie die vorhergehenden Beschimpfungen.

Und wieder Rina: "15.44 Uhr: Ich laufe auf der proppevollen Promenade auf der Suche nach einer einsamen Bucht. Da ist eine kleine Straße und ein Schild, auf dem steht: El Dorado. Kein Scherz!" Stimmt. Irgendwie süß.

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