Herr A. aus M. von der Firma H. braucht einen PC. Und weil das mit dem Laden, wo die Firma sonst einkauft, zuletzt nicht reibungslos war, wagt er den Schritt ins Internet.
Auf zu einem der größten PC-Bauer der Welt, der mit Online-Vertrieb groß geworden ist. Die US-Firma war eine der ersten, die konsequent auf Direktvertrieb per Internet gesetzt haben. Schnelligkeit und Effizienz sind die Säulen, auf denen das weltweite Imperium ruht. Die Auswahl des Geräts geht recht flott, dann die Kreditkartennummer eingetippt und "bestellen" gedrückt. Zur Belohnung gibt es eine "individuelle Internet-Quittungsnummer" und das Versprechen, bald eine Auftragsbestätigung mit Liefertermin zu senden. Es ist Monatsmitte, Montag, 14.21 Uhr.
Am folgenden Donnerstag wird Herr A. unruhig. Ein Anruf bei der kostenlosen Kundenbetreuung soll Klarheit bringen. Nach 30 Wartesekunden der erste Kontakt. Leid geklagt, viel gefragt, nichts gesagt. "Ich verbinde Sie mal mit der Betreuung für Geschäftskunden." Als hätte Herr A. zu Anfang nicht auf die Firma hingewiesen. Nach weiteren 100 Wartesekunden der zweite Kontakt. Leid geklagt, viel gefragt, nichts gesagt. Der Herr H. würde das bearbeiten, er solle doch mal die folgende (nicht kostenlose) Nummer notieren. In der Deutschland-Zentrale, nicht mehr im irischen, tschechischen oder türkischen Call-Center.
Guido Augustin
Kolumnist für stern.de seit 1997 - und das A der H&A medien: Redaktion, Public Relations und Online-Konzepte.
Der Anrufbeantworter klingt ein wenig nach Heinz Schenk
Ob er denn nicht direkt verbinden könne, fragt Herr A. Er will es versuchen. Nach nicht einmal drei Wartesekunden gibt es die Auskunft: "Da ist besetzt. Bitte versuchen Sie es später selbst." Herr A. kann nicht mehr warten. Ein Anrufbeantworter empfängt ihn. Er ist in einer schweren Dialekt-Zone im Südwesten der Republik, kein Zweifel, und angeblich ist Heute Gestern. Sagt der Anrufbeantworter, der ein wenig wie Heinz Schenk klingt. Und Herr H. sei krank. In dringenden Fällen solle man Kollegen P. anrufen, es folgt die Durchwahl.
Herr P. ist gesund und versteht sofort: "Das macht der Herr H. Aber der ist krank." Er selbst sei gerade dabei, seine eigenen Bestellungen von Montag abzuarbeiten. Es ist Donnerstagnachmittag. Herr A. riskiert etwas: "Heißt das, dass es bei ihnen vier Tage dauert, bis Online-Bestellungen angefasst werden?" Herr P. kann die Entrüstung nur mühsam unterdrücken: "Ja, was denken Sie denn?" Dann besinnt sich Herr P. auf sein Kundenbindungsseminar mit der drallen Rothaarigen. Jetzt demonstriert er Kundennähe: "Da muss ich mal auf seinem Platz suchen. Bleiben Sie mal dran."
Herr P. zeigt vollen Einsatz
Herr A. bleibt dran und hört Herrn P. laufen. Der Weg scheint nicht weit, doch der Schritt beschwerlich. "Da haben wir Sie ja", jubiliert Herr P., seine Stimmung steigt, er ringt nach Atem. "Eigentlich alles klar gewesen. Da sehe ich keine Probleme." Jetzt will es Herr A. genau wissen: "Wenn bei ihnen ein Sachbearbeiter krank ist, bleiben dann dessen Bestellungen liegen? Haben Sie nicht so was wie PCs oder sogar ein Netzwerk?" Herr P. japst nach Luft: "Ganz ehrlich: Jeder von uns schafft seine eigene Arbeit nicht. Was auf seinem Platz liegt, das liegt da halt. Sag ich mal."
Aber die bestellte Maschine werde sicher bald in Produktion gehen, er werde eine Auftragsbestätigung zufaxen und dann werde der Herr A. seinen neuen PC bestimmt noch in diesem Monat erhalten. In diesem Monat noch.