Serie Teure Wahlversprechen

Internetverbindungen sind an sich ziemlich günstig - schon für wenige Cent ist man drin. Wer aber auf hinterlistige Dialer-Programme hereinfällt, kann viel Geld verlieren.

Hmmm, das hört sich aber lecker an: Indischen Nudelsalat gibt es, Omis Obstteller, Böhmischen Salat und Münchner Platte. Vegetarisches, Partyteller und Frühstücksideen. Mehr als 30.000 tolle Gerichte "für jedermann" verspricht die bunte Webseite www.geniale-rezepte.de, mit vielen Extras wie dem "Salate-Special" und dem "Weihnachts-Special".

Doch wehe, wenn Sie sich dazu verleiten lassen, einen der vielen Links zu den Rezepten anzuklicken und den Anweisungen auf dem Bildschirm zu folgen. Denn dann öffnet sich ein kleines unscheinbares Fenster, das sich "Login-Assistent" nennt und Sie auffordert: "Tippen Sie OK ein". Wenn Sie das machen, wird es übel. Dann laden Sie sich nämlich nicht etwa das Kochrezept auf Ihren Computer herunter, sondern ein Einwahl-Programm, einen "Dialer". Und der kann Ihnen ganz schön den Appetit verderben.

Dialer sind eine der fiesesten Abzockmethoden, die es im Internet gibt. Die Programme sind so klein, dass sie innerhalb weniger Sekunden auf den Rechner übertragen werden können. Und treten in Aktion: Sie trennen die laufende, mehr oder weniger preisgünstige Internetverbindung des Modems und wählen sich erneut ins Netz ein - diesmal aber über eine 0190- oder 0900-Telefonnummer. Ist die neue Verbindung hergestellt, wird es teuer: Bis zu zwei Euro pro Minute oder 30 Euro pro Einwahl kostet nun das Surfen. Die Abrechnung erfolgt über die nächste Telefonrechnung. Den Gewinn teilen sich meist mehrere Telefongesellschaften und die Betreiber der Seite, hinter der sich der Dialer verborgen hat.

Erfunden worden sind Dialer eigentlich als bequeme Möglichkeit, Kostenpflichtiges im Netz auf einfache Weise zu begleichen - zum Beispiel Software-Downloads oder Versandhausbestellungen. Doch die neue Bezahlmöglichkeit wurde von Anfang an hauptsächlich von Geschäftemachern aus der Pornoszene genutzt, später gesellten sich auch noch Betrüger dazu. Die programmierten immer raffiniertere Dialer-Programme, von denen manche ihre Aufgabe so geschickt verrichteten, dass die Betrogenen davon nichts merkten - bis sie dann die nächste Telefonrechnung im Briefkasten hatten.

So wehren Sie sich gegen unberechtigte Forderungen

Haben Sie wegen eines Dialers eine außergewöhnlich hohe Telefonrechnung erhalten: keine Panik! Die Wahrscheinlichkeit, um diese Kosten herumzukommen, ist in jüngster Zeit gestiegen. Bezahlt werden muss nämlich nur noch dann, wenn der Dialer korrekt registriert ist und wenn der Anbieter alle verbraucherschutzrechtlichen Auflagen eingehalten hat. Auskunft gibt die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post unter www.regtp.de oder unter der Telefonnummer 0180/534 25 37. Die erste Frage, die Sie sich stellen sollten, ist aber: Bin ich wirklich schuldlos? So manche Beschwerde gegen eine überteuerte Telefonrechnung ist schon zusammengebrochen, weil sich herausgestellt hat, dass der 14-jährige Sohn doch heimlich eine Pornoseite besucht und sich dabei einen Dialer eingefangen hat. Wenn Sie ganz sicher sind, dass das nicht sein kann, sichern Sie zunächst Beweise. Löschen Sie den Dialer nicht von Ihrer Festplatte! Schreiben Sie die Adresse der Site auf, hinter der sich der Dialer verborgen hat. Legen Sie bei Ihrer Telefongesellschaft Widerspruch gegen die Rechnung ein (ausführlich begründen!) und zahlen Sie nur den Teil der Summe, der unstrittig ist. Wenn Sie Pech haben, wird Ihnen die Dialer-Firma nun ein Inkasso-Büro auf den Hals hetzen. Widersprechen Sie auch dieser Forderung (Einschreiben mit Rückschein verwenden!), und begründen Sie erneut ausführlich. Erst dann kommt die Justiz ins Spiel. Sollten Sie einen gerichtlichen Mahnbescheid bekommen, legen Sie erneut Widerspruch ein (Frist beachten!). In diesem Moment bleibt der Dialer-Firma nur noch die Klage vor einem Zivilgericht. Lassen Sie sich auch davon nicht abschrecken, aber schalten Sie sicherheitshalber spätestens jetzt einen Anwalt ein.

Mittlerweile locken Tausende Dialer-Seiten ahnungslose Surfer an. Sie versprechen Spielspaß, Partnervermittlung, Horoskope, Wetterberichte und Kochrezepte - und bieten für das teure Geld dabei nur Inhalte, die sich als minderwertig herausstellen und anderswo im Netz ohnehin kostenlos zu haben sind. Vor allem tarnen sie sich geschickt: Sie sind ansprechend und professionell gestaltet und lassen Hinweise auf die horrenden Kosten entweder ganz weg oder platzieren sie so klein, dass man sie erst suchen muss.

Das Schlimme: Diesen betrügerischen Angeboten können Sie selbst dann kaum entrinnen, wenn Sie es versuchen. Denn Dialer-Seiten schaffen es immer wieder, auf den Ergebnislisten der Suchmaschinen vordere Plätze einzunehmen. Schüler, die zum Beispiel bei Google nach "Erdkunde Hausaufgaben" suchen, bekommen als Treffer Nummer eins die 30 Euro teure Seite hausaufgaben.de präsentiert. Es gibt inzwischen derart viele Wucherseiten, dass sie auch jenen Internetsurfern ein Ärgernis sind, die nicht direkt darauf hereinfallen (siehe Grafik): Denn die Verweise auf Dialer-Seiten müllen die Ergebnislisten bei Suchmaschinen so zu, dass man die eigentlich gesuchten kostenlosen Links kaum noch findet.

Die meisten Dialer sind nach deutschem Recht nicht illegal: Klein, aber korrekt weisen sie auf die anfallenden Kosten hin, geben eine Kontaktadresse für Beschwerden an und lassen den Nutzer mehrfach bestätigen, dass er den kostenpflichtigen Dienst wirklich nutzen will.

Trotzdem funktioniert das Geschäft. Gerade weil die meisten Webseiten gratis sind, rechnen Anfänger einfach nicht damit, dass eine Seite mit Hochzeitstipps auf einmal 30 Euro kosten soll. 10 bis 20 Prozent aller Internetnutzer wurden bereits abgezockt, manche mussten schon Rechnungen in vierstelliger Euro-Höhe bezahlen. Selbst erfahrene Surfer lassen sich allzu oft auf den Schwindel ein - und wenn sie es nicht selbst tun, dann bezahlen sie oft für andere. Achten Sie deshalb darauf, was Ihr Kind am PC macht. Es gibt Seiten, die mit Bärchen-Motiven und Comicfiguren Kinder anlocken: malvorlagen.de oder ausmalbilder-zone.de.vu sind Beispiele dafür. Sie kosten 30 Euro pro Einwahl und sind trotz vieler Proteste noch immer online. Sollten Sie oder Ihr Kind zum Dialer-Opfer werden: In den Kästen in diesem Artikel gibt es Tipps, wie Sie sich verhalten sollten - und unter stern.de/dialer eine Übersicht über Schutz- und Reinigungsprogramme.

Wie Sie sich vor teuren Verbindungen schützen können

+ Schutzprogramme: Installieren Sie einen Dialer-Warner, der Alarm schlägt, wenn der PC über eine teure Nummer online gehen will. Den gibt es gratis im Internet, eine Übersicht finden Sie unter stern.de
+ Teure Nummern sperren lassen: Blocken Sie (gegen eine geringe Gebühr) Ihren Telefonanschluss für 0190- oder 0900-Nummern. Zuständig ist Ihre Telefongesellschaft. Sie können dann jedoch bei einigen Hotlines nicht mehr anrufen
+ Auf DSL umsteigen: Von Dialern betroffen sind nur Surfer, die über Modem oder ISDN ins Netz gehen. DSL-Nutzer sind bislang sicher
- Kinder nicht allein ins Netz lassen: Achten Sie darauf, dass Ihre Kinder nur vertrauenswürdige Sites aufsuchen
- Zwielichtiges meiden: Auch wenn auf der Seite "gratis" steht: Dialer kosten immer Geld. Schließen Sie eine zwielichtige Seite schon beim geringsten Verdacht, und suchen Sie ein alternatives Angebot im Netz

Bleibt die Frage, warum betrügerische Seiten nicht längst aus dem Netz verbannt worden sind. Noch immer schwärmen deren Betreiber auf ihren Webseiten öffentlich von niedrigen Investitionen, immensen Provisionen, "einwahlstarken Werbelayouts" und "hoher Gewinnausschüttung". Das Problem: Es ist fast unmöglich, an die Betrüger heranzukommen. Meist bauen sie ein Geflecht aus getarnten Auftraggebern, Scheinfirmen und ausländischen Deckadressen auf. E-Mails an sie bleiben unbeantwortet, und auch am Telefon kommt man, wenn man sich beschweren will, kaum durch.

Immerhin hat sich in letzter Zeit doch einiges bewegt: Die Verbraucherschutzbestimmungen für "Telefonmehrwertdienste", wie die Dialer-Anbieter ihr Geschäft gern nennen, sind verschärft worden. Und auch vor Gericht haben Opfer bessere Chancen als früher. Immer häufiger wird dort zugunsten der Geprellten entschieden. So gab der Bundesgerichtshof einem Berliner Vater Recht, dessen Sohn sich beim Surfen unbemerkt Dialer eingefangen und daraufhin 9000 Euro versurft hatte. Er musste nichts zahlen. So weit soll es bei Ihnen gar nicht kommen. Merken Sie sich einfach: Es gibt vieles, das okay ist im Netz - aber tippen Sie nie die Buchstaben "OK" ein, wenn das jemand von Ihnen verlangt.

print
Ulf Schönert

PRODUKTE & TIPPS