Wie erhält man wichtige Informationen, die man eigentlich nicht in die Finger bekommen sollte? Diese Frage stellen sich Geheimdienste jeden Tag. Das FBI hat im Rahmen des Kriegs in der Ukraine nun eine neue Personengruppe ins Visier genommen - und versucht gezielt, die russischen Spione in den USA anzusprechen.
Dafür bedienen sich die Agenten eines einfachen Tricks: Mit speziell zugeschnitten Werbeanzeigen auf Facebook spricht man die Spione direkt an. Um auch die richtigen Personen zu erreichen, setzt das FBI auf eine bisher noch nicht genutzte Möglichkeit - und schaltet die Werbung einfach ausschließlich in der Umgebung russischer Einrichtungen.
Smarte Nutzung von Werbung
Entdeckt hatte die Operation ein Reporter der "Washington Post". Als er sich in der US-Hauptstadt Washington D.C. in der Nähe der russischen Botschaft aufhielt, poppte im Facebook-Feed seines Smartphones auf einmal die russischsprachige Anzeige des FBIs auf. Dass es sich nicht um einen Zufall handelte, zeigt ein Experiment: Sobald er die Straßenseite wechselte, verschwand die Werbung wieder. Und kehrte mit der erneuten Überquerung wieder zurück. Möglich ist das, weil Facebook und andere Netzwerke Werbung extrem stark geografisch einschränken lässt.
Nach Angaben der Post sollen die Anzeigen gezielt unzufriedene russische Geheimnisträger ansprechen. Dabei lehnt sie sich an eine unangenehme Situation des russischen Geheimdienstchefs Sergei Naryschkin an. Der war vor einigen Wochen mit seinem Chef Wladimir Putin in einer Pressekonferenz aufgetreten. Wohl unsicher, was genau er sagen sollte, hatte er etwas gestottert und gehadert - und war von Putin harsch angefahren worden. "Sprechen Sie deutlich", stellte ihn der Präsident mehrfach bloss.
Diese Demütigung des obersten Geheimen übernimmt das FBI nun, um seine Untergebenen zum Reden zu bekommen. "Sprechen Sie deutlich. Wir hören zu", heißt es in der Werbeanzeige auf Russisch. Klickt man auf die Werbung, wird man auf einer Webseite auf Russisch und Englisch instruiert, wie man persönlich mit dem FBI in Kontakt treten kann. Und erhält eine Versicherung, dass die Informationen vertraulich behandelt werden. Die Botschaft dürfte ein Ziel sein, weil die diplomatischen Vertretungen in der Regel auch die Basis für die Spionagebemühungen der Länder untereinander sind.

Rekrutieren und ärgern
"Das ist eine brillante Strategie", lobt der ehemalige Spionenjäger Peter Lapp gegenüber der Zeitung. "Es dürfte gerade eine Menge Personen in der russischen Regierung geben, die unzufrieden mit Putins Krieg sind. Und das ist eine tolle Gelegenheit zu schauen, ob einige dieser Unzufriednen uns helfen können, Putins Kalkül besser zu verstehen." Gleichzeitig sieht er in der Aktion auch eine Möglichkeit, in der Botschaft für Unruhe zu sorgen. Seiner Ansicht nach dürften die Gegenspione dadurch noch mehr damit zu tun haben, um die eigenen Leute unter Kontrolle zu halten und ein Überlaufen zu verhindern. "Alleine das ist ein Sieg des FBI bei der Gegenspionage", ist Lapp überzeugt.
Die russische Seite versucht indes, die Werbung als PR-Kampagne abzutun. "Es scheint, das Material der Washington Post wurde auf Geheiß der US-Geheimdienste veröffentlicht", versucht der russische Botschafter in den USA, Anatoli Antonow, den Bericht zu diskreditieren. Der Gedanke, mit dem Bericht für Verwirrung oder gar Überläufe zu sorgen, sei "lächerlich", klagte er bei Twitter. Zumindest die Provokation scheint also geklappt zu haben.
Quellen: Washington Post, Twitter