Revolution geht anders: Einen größeren Bildschirm sollte das neue iPhone haben, mutmaßten Branchenkenner. Auch von einem neuen Design war die Rede, das iPhone sollte keilförmig werden. Viele Handyzubehörhersteller waren von den Prognosen der "Experten" so überzeugt, dass sie sogar schon die passenden Schutzhüllen produziert haben. Das topmoderne iPhone 5 im neuen Gehäuse war im Internet bereits beschlossene Sache. Doch Apple machte wieder einmal alles anders. Statt eines bahnbrechenden iPhone 5 wurde nur ein aufgemotztes iPhone 4 präsentiert. Das sorgt für Ernüchterung bei den Fans.
Mangelware Innovation
Eigentlich hat Apple mit seinem neuen Telefon alles richtig gemacht. Das neue iPhone ist schneller, bietet eine bessere Akkulaufzeit und hat eine topmoderne Handy-Kamera. Das Antennenproblem des Vorgängers wurde behoben, und das iPhone 4S ist gleich zum Verkaufsstart in beiden Farben erhältlich. Auch die passende Software wird pünktlich zum Start veröffentlicht. Trotzdem sind die Fans unzufrieden: Ein iPhone 4S ist nun mal kein iPhone 5. Das Handy ist gut, keine Frage – aber ist es gut genug für eine Firma, die es gewohnt ist, den Markt umzukrempeln? Deren Produkte normalerweise neue Maßstäbe setzen, sowohl im Design als auch in der Funktionalität?
Technisch längst überholt
Nicht nur im Design bleibt Apple bei Bewährtem, auch bei der technischen Ausstattung gibt es keine nennenswerten Überraschungen. Alles, was im neuen iPhone steckt, gibt es so oder besser bereits in anderen Handys. Die neue Kamera mit acht Megapixeln wird von Apple als Highlight vermarktet – tatsächlich statteten andere Hersteller ihre Geräte bereits im Jahr 2009 mit ähnlichen Kameras aus.
Auch das vergangenes Jahr hochgelobte Retina-Display des iPhone 4S gehört längst nicht mehr zur Spitzenklasse. Zwar liegt es mit einer Auflösung von 960 x 640 Bildpunkten immer noch weit vorne, andere Hersteller haben aber längst aufgeholt und drohen nächstes Jahr sogar vorbeizuziehen. Mit dem Galaxy S III und seinem neuartigen Super-AMOLED3-Display will Samsung sogar eine Auflösung von 1280 x 1024 Pixel erreichen. Weiterer Wermutstropfen: Während die Display-Größe beim iPhone 4S bei 3,5 Zoll stagniert, nutzt die Konkurrenz bereits Touchscreens mit mehr als 4 Zoll.
Wie Revolution wirklich geht, zeigt unter anderem Samsung: Mit dem Galaxy Skin erscheint 2012 eines der ersten Smartphones mit Biege-Bildschirm. Das Display ist nicht nur größer als das des iPhone, sondern auch stabiler. Angeblich soll es sogar Hammerschläge aushalten. Zudem unterstützen die Handys der Konkurrenz weitere Extras wie den neuen Funkstandard LTE zum schnelleren Surfen im Internet oder besitzen einen NFC-Chip (Near Field Communication) zum bargeldlosen Bezahlen. Beides sucht man am iPhone vergebens
Rechnet Apple wenigstens schneller?
Apple nutzt im neuen iPhone denselben Rechenchip wie im iPad 2, den A5-Prozessor. Der Zwei-Kern-Prozessor arbeitet mit einer Taktfrequenz von jeweils 1 Gigahertz und verspricht bis zu sieben Mal bessere Grafik als beim Vorgänger. Das klingt beeindruckend, doch auch hier rechnet die Konkurrenz längst schneller: Im neuesten Galaxy SII, das Hersteller Samsung auf der Ifa 2011 in Berlin präsentierte, werkelt ein Doppelkerner mit jeweils 1,5 Gigahertz. Bei den neuen Smartphones von Samsung und LG, die im nächsten Jahr veröffentlicht werden, rechnen Experten sogar mit Vier-Kern-Prozessoren.
Das iPhone 4S ist trotz der technischen Überlegenheit der Konkurrenz ein gutes Handy. Apple konnte die Fehler der Vergangenheit ausbessern und liefert die nötige Hardware, um das iPhone im Jahr 2012 überlebensfähig zu machen. Allerdings hat das Handy den bitteren Beigeschmack, schon technisch überholt zu sein, bevor es überhaupt im Laden steht. Bei einem Verkaufspreis von 600 bis 800 Euro darf man da durchaus mehr erwarten.