Es ist eine Situation, die grundsätzlich jeder kennt: Man ist unterwegs und möchte das Handy nutzen – doch statt der typischen Balken zeigt es nur "kein Signal". Was im Alltag eher ein Ärgernis ist, kann in Notsituation zur tödlichen Bedrohung werden. Eine neue Funktion des iPhones soll dieses Risiko reduzieren – und das funktioniert erstaunlich gut.
Einige Tage vor dem Start des neuen Dienstes stehe ich umgeben von viel leerer Landschaft auf einem Feld. Verlaufen habe ich mich natürlich nicht, auch die Hasenlöcher im Boden konnte ich ohne Beinbruch umgehen. Es handelt sich um ein Testszenario, ich kann die neue Funktion schon einige Tage vor dem Start am 13. Dezember ausprobieren. Statt wie bisher mit drei Punkten zu zeigen, dass das Smartphone keinen Empfang hat, prangt am oberen Rand meines Test-Geräts oben schon das neue Signal: SOS und ein Logo eines kleinen Satelliten. Das iPhone ist bereit, sich im Notfall mit einem Satelliten zu verbinden.

iPhone 14: So funktioniert SOS über Satellit
Das funktioniert erstaunlich einfach. Öffne ich die Telefon-App und wähle 112, versucht das iPhone zunächst, einen herkömmlichen Notruf abzusetzen. Hat es keinen Empfang, erscheint auf dem Anruf-Bildschirm nach kurzer Zeit ein neuer Button: Mit einem SMS-Symbol mit "SOS"-Zusatz bietet das Gerät mir an, es stattdessen über eine direkte Satelliten-Verbindung zu versuchen.
"Das iPhone wird natürlich sein Bestes geben, einen regulären Notruf abzusetzen und auch andere Mobilfunknetze zu versuchen", erklärt mir Apples Vice President für Wireless Technologies and Ecosystem, Arun Mathias, in einem exklusiven Gespräch. Erst, wenn wirklich kein Empfang zu bekommen ist, bietet es den Notfall-Kontakt über Satellit an.
Notfall-Fragebogen
Was dann kommt, mag zunächst enttäuschen. Weil die Verbindung zum Satellit zu wenig Bandbreite für Sprachanrufe hat, findet der Notruf quasi per SMS statt. Das iPhone bittet mich mittels eines Fragebogens, den konkreten Anlass für meinen Notruf zu nennen, etwa ob ich mich verlaufen habe, das Auto liegengeblieben ist oder ich einen medizinischen Notfall habe. Je nach Auswahl folgen dann weitere Angaben. So fragt mich die übersichtliche Oberfläche, ob ich für mich oder jemand anderen anrufe und ob die betroffene Person Atemprobleme hat. Oder, im Falle eines Verirrtseins, ob jemand vielleicht in einer Höhle oder auf See festhängt. Und: Die App bietet auch an, meine Notfall-Kontakte zu informieren.
Bei der Gestaltung hat Apple viel Wert darauf gelegt, die Nutzung möglichst einfach zu halten. "Wir haben mit Rettungsdiensten zusammengearbeitet, die Fragen orientieren sich an denen, die auch Mitarbeiter einer Notrufzentrale stellen würden", erklärt Mathias. "Die Nutzer:innen müssen nur die passenden Antworten antippen."
Im Falle einer Ohnmacht ist selbst das nicht nötig: Der Satelliten-Notruf funktioniert auch mit der Sturz-Erkennung und der neuen Unfall-Erkennung des iPhone 14. "Wenn es keinen Empfang hat, wechselt es automatisch auf die Satelliten und setzt den Notruf darüber ab."
Apple verrät: Das waren die beliebtesten Apps des Jahres in Deutschland

Und wieder lassen sich die Deutschen am liebsten vor teuren Knöllchen warnen: Wie schon in den letzten Jahren ist auch diesmal "Blitzer.de Pro" die meistverkaufte App für das iPhone. Anders als viele andere Apps hat sie auch trotz Apples jüngster Preiserhöhung nicht beim Preis zugelegt. Viele andere der Top-10-Apps sind leider spürbar teurer geworden.
Platz | App-Name | Preis in Euro |
1 | Blitzer.de PRO | 0,49 |
2 | Threema. Sicherer Messenger | 5,99 |
3 | Oje, ich wachse! | 5,99 |
4 | AutoSleep Schlaftracker | 5,99 |
5 | ADAC Camping / Stellplatz 2022 | 9,99 |
6 | food with love | 4,99 |
7 | Forest - Bleib fokussiert | 4,99 |
8 | Babyphone 3G | 6,99 |
9 | WeatherPro | 0,99 |
10 | PeakFinder | 5,99 |
Komplizierter, als es wirkt
Dann geht es ans Senden. Mit einem Kreis zeigt mir das iPhone, in welcher Richtung sich der nächste Satellit des genutzten Netzwerks Globalstar befindet und hilft, sich dorthin auszurichten. Ist gerade keiner in der Nähe, gibt es eine Schätzung, in wie vielen Minuten es soweit ist. Im Test musste ich nie mehr als eine Minute warten. Ein Balken zeigt den Sendevorgang an. Toll: Das Senden geht so schnell, dass das Handy meines Notfall-Kontaktes schon klingelte, bevor ich eine Bestätigung über das Versenden hatte.
Diese schnelle Übertragung der Daten war eine der größten Herausforderungen, verrät Mathias. Das Problem: Um eine sichere Übertragung zu garantieren, muss die Nachricht extrem geschrumpft werden. "Wir haben unsere Kompression mit Worten trainiert, die Nutzer oft in solchen Gesprächen verwenden", erklärt er. Diesen Worten werden dann quasi kürzere Codes zugewiesen, die nach Übertragung wieder übersetzt werden.
Der standardisierte Frage-Katalog erlaubt es ebenfalls, die Nachricht weiter einzudampfen und dann zurückzuübersetzen. "So konnten wir die Nachrichten auf ein Drittel ihrer eigentlichen Größe einschrumpfen", so Mathias. Bei den Rettungskräften kommt die Nachricht dann aber wieder genauso an, wie die Nutzer sie senden, versichert er.
SOS über Satellit: Apple als Notfall-Vermittler
Was danach folgt, ist ein Grund dafür, dass Apple den Dienst erst ausbauen musste. Meine SMS mit den Notfall-Daten, meiner Gesundheits-Akte – wenn ich dem Senden zugestimmt habe – und meinem Standort wird nicht direkt an die Rettungs-Kräfte geschickt. Während das in den USA durchaus üblich ist, unterstützen es in Europa nur die wenigsten Länder. Stattdessen meldet sich ein eigenes Team bei Apple. Während dort zeitgleich die Rettungskräfte angerufen und meine Daten durchgegeben werden, werde auch ich kontaktiert. Und per Satelliten-Chat um weitere Auskünfte gebeten.
So soll ich, um die Bergung einfacher zu machen, meinen Aufenthaltsort beschreiben, etwa ob ich in ein Loch gefallen bin, in meinem Auto warte oder mich unter einem Baum vor Regen schütze. Auch wie ich dort hingekommen bin, wird bei der Meldung eines Verirrtseins einmal nachgefragt. Konkrete Antworten werden indes nicht vorausgesetzt: "Ich weiß nicht" oder keine Antwort ist auch in Ordnung, es geht nur darum, die Rettungskräfte bestmöglich zu informieren.
Dabei übernehmen Apples Server sogar die Übersetzung: Bin ich in einem anderen unterstützten Land wie Kanada, wird meine Anfrage für mich trotzdem auf Deutsch durchgeführt. Auch die Antworten des lokalen Apple-Teams erscheinen für mich in der System-Sprache meines iPhones. In der Zentrale werden die Notrufe aber in der Landessprache behandelt. Die SMS werden schlicht bei der Übertragung auch übersetzt.
Sind alle Fragen geklärt, kommt zu guter Letzt die beruhigende Meldung: Wir haben die Rettungskräfte zu Ihnen geschickt.
Warnung an die Liebsten
Obwohl ich das Rettungsgespräch nicht mitbekomme, kann ich spannenderweise genau mitlesen, was dort ankommt: Auf dem Handy meines Notkontakts kommen sämtliche Daten ebenfalls an. So wissen Familie oder Freunde, dass ich zwar gestürzt bin, aber keine Atemprobleme habe. Und wo genau es zum Unfall gekommen ist. Und tatsächlich enthielt die Nachricht an meinen Notfall-Kontakt trotz Apples Komprimierung alle meine Angaben. Das setzt allerdings das iPhone-Betriebssystem iOS 16.1 voraus. Auf älteren iPhones oder Android-Geräten sind die SMS laut Apple etwas kürzer gehalten.
Will man auch ohne Notruf die Notfallkontakte Informieren, ist auch das möglich: Mit Hilfe der "Wo ist"-App kann man unter dem "Ich" genannten Reiter nun auch seinen Standort per Satellit versenden. Beim Empfänger kommt der dann mit dem Hinweis an, dass ich als Absender keinen Mobilfunk-Empfang habe. Gerade für Sportler, die in abgelegenen Gegenden unterwegs sind, kann das ein nützlicher Weg sein, auch ohne Signal zu melden, dass es einem gut geht und wo man sich befindet.
SOS über Satellit: So richten Sie den Notruf ein
Damit der Notruf funktioniert, muss man ihn einmal vorbereiten. In den Einstellungen kann man unter "Notruf SOS" seine Notfall-Kontakte und die Gesundheits-Akte mit benötigten Medikamenten oder Vorerkrankungen einzurichten. Den Satelliten-Notruf kann man dann sogar in Sicherheit üben. "Wir wollten, dass unsere Nutzer:innen es ausprobieren können und nicht im Notfall unsicher über die Funktionsweise sind", erläutert Mathias. Mit dem Demo-Modus startet man einen vollwertigen Testlauf, der dem Original-Anruf exakt entspricht – und nur am Ende keinen echten Notruf absetzt. Bis auf den fehlenden Notruf ist dabei alles echt. "Der Demo-Modus erlaubt es, sich tatsächlich mit Satelliten zu verbinden", bestätigt Mathias.
Die Technologie umzusetzen, war für Apple eine ziemlich große Herausforderung. "Das globale Satellitennetzwerk ist darauf ausgelegt, mit spezialisierten Satelliten-Kommunikations-Geräten zu arbeiten", erklärt Mike Trela, der bei Apple das Team für Satelliten-Verbindungen leitet. "Die haben aber größere, für diesen Zweck entwickelte Antennen." Damit sie sich auch mit einem iPhone verbinden, reichte die mit den 14er-Modellen eingeführte stärkere Antenne alleine nicht aus. "Wir haben mit Globalstar zusammen die Funktionsweise ihres Satelliten-Netzes überarbeitet." So bekamen die Satelliten des Anbieters einen neuen Hochenergie-Modus, der die Signale verstärkt sowie einen neuen Verbindungs-Standard verpasst .
Auch die Umlaufbahnen wurden überarbeitet. "Wir haben anhand vorhandener Daten berechnet, in welchen abgelegenen Gegenden der höchste Bedarf an solchen Notrufen ist", so Trela. "Dann haben wir das Satellitennetz darüber gelegt." Aufgrund der Erkenntnisse wurde dann nicht nur die Laufbahn einiger Globalstar-Satelliten angepasst, sondern sogar ein zusätzlicher ins All geschossen, erklärt Trela. "Wir wollten sichergehen, dass wir genügend Netzwerk-Kapazität hatten, um sowohl den Alltags- als auch den Hochbetrieb absichern zu können."
"Ein großartiges Gefühl"
In jeder Situation wird das leider nicht klappen. Im Test war das Signal wegen eines Baumes zwischen Satellit und iPhone einmal kurz zu schwach, das Gerät riet, den Standort zu wechseln. Das wird tief im Wald oder in einer Schlucht aber nicht in jeder Notlage möglich sein. Schuld sind technische Beschränkungen: Weil die Satelliten-Antenne im Gehäuse des iPhones Platz haben muss, kann Apple nicht die riesigen Antennen verbauen, die etwa Satellitentelefone mitbringen.
Auch Apple ist sich diesen Beschränkungen bewusst. "Leider gibt es immer die Möglichkeit, dass auch weitere Satelliten keine Verbindung bekommen werden", gibt Mathias zu. "Das Gerät wird aber immer dazu ermutigen, es weiter zu versuchen." Da die Satelliten verschiedene Winkel abdecken, sei gut denkbar, dass der nächste doch eine Verbindung schafft. "In unseren Tests hatten wir eine ziemlich hohe Erfolgsquote."
Tatsächlich konnte Apple schon erste Erfolge vermelden. So konnte etwa der Fahrer eines liegengebliebenen Schneemobils in Alaska dank seines iPhone 14 einen Notruf absetzen und aus der Kälte gerettet werden. "Das ist ein großartiges Gefühl", schwärmt Maxine Veron, der Senior Directur iPhone Product Marketing. "Wir werden oft gefragt, warum wir dieses Investment, Zeit und Aufwand hinein stecken. Und diese Geschichten machen es wert."