Life360 Wo ist mein Kind? Diese App weiß es - und verrät es jedem, der dafür bezahlt

Für viele Eltern ist heute schon der Schulweg alleine eine Herausforderung (Symbolbild)
Für viele Eltern ist heute schon der Schulweg alleine eine Herausforderung (Symbolbild)
©  Morsa Images / Getty Images
Mit einen kostenlosen Dienst lässt sich über die App Life360 der Aufenthaltsort des eigenen Nachwuchses im Auge behalten. Nun stellt sich heraus: Die Eltern sind nicht die einzigen, die von der Firma die Bewegungsdaten erhalten.

Eine Kindheit wie früher ist heute für die meisten Eltern kaum noch vorstellbar. War es noch vor 20 Jahren völlig normal, dass Kinder erst zu vereinbarten Uhrzeiten nah Hause kamen und zwischendurch nicht erreichbar waren, ist das mit den fortschreitenden technischen Möglichkeiten und dem allgegenwärtigen Smartphone kaum noch denkbar. Bei einer beliebten App zur Überwachung des Standortes geht das nun nach hinten los: Life360 soll systematisch die Bewegungsdaten seiner Millionen Kunden verkauft haben.
Das berichtet "The Markup" unter Berufung auf ehemalige Mitarbeiter des Unternehmens sowie ehemalige Datenhändler. Da alle immer noch in der Datenindustrie arbeiten, wollten die Quellen anonym bleiben. Über die Machenschaften der Trackingapp wollten sie trotzdem auspacken - weil sie selbst als Datensammler die Praxis problematisch fanden.

Ständige Überwachung

Das kostenlose Angebot an sich klingt für die Nutzer durchaus attraktiv. Familien können in der für iPhone und Android App gegenseitig ihren Standort in Echtzeit miteinander teilen. Dabei lassen sich sogar Alarme festlegen, etwa wenn ein Kind die Schule verlässt oder es Zuhause ankommt. Für die Eltern oder bereits Erwachsene gibt es zudem einen Modus, der die Fahrsicherheit erhöhen soll. Dazu gibt es auch einen SOS-Button und eine automatische Crash-Erkennung. Um das alles zu ermöglichen, muss die App allerdings ständig den Standort beobachten, warnt die App in ihrer Beschreibung.

Mit mehr als 33 Millionen Nutzern kommt so ein großer Pool sehr genauen Daten zusammen, die an Datenhändler verkauft - und von denen weiter im Netz verscherbelt würden. Die Familien-App sei eine der größten Anlaufstellen für Kauf von Bewegungsdaten überhaupt, erklärte einer der Händler den Journalisten. Damit konfrontier, ob das so sei, dazu möchte die Firma nichts sagen. "Wir haben keine Mittel und Wege, um das bestätigen zu können", erklärte Firmenchef und Gründer Chris Hulls gegenüber "Markup". Den Datenhandel selbst leugnete er nicht: "Wir sehen Daten als wichtigen Teil unseres Geschäftsmodell, der erlaubt, den Hauptdienst Life360 der Mehrheit unserer Nutzer kostenlos anbieten zu können." Die Daten werden seinen Angaben zufolge an etwa ein Dutzend Unternehmen verkauft.

Gigantisches Geschäft

Standortdaten gelten in der Werbebranche als extrem wertvoll, sie erlauben tiefe Einblicke in die Gewohnheiten der Nutzer, vor allem wenn sie wie bei der Familien-App miteinander in Verbindung gestellt werden können. Die von Life360 gelieferten Daten würden wegen ihrer großen Menge und ihrer Genauigkeit als sehr wertvoll geschätzt, sagte einer der Kunden gegenüber "Markup". Wer genau die Daten kauft, ist kaum nachvollziehbar, weil die Datenhändler sie in der Regel wiederum selbst als aggregiertes Bündel oder als Einzeldaten weiterverkaufen. Regierungsstellen habe man seit 2020 aus moralischen Gründen aber nicht beliefert, betonte Hull. Allerdings verkaufte das Unternehmen da schon über vier Jahre seine Daten.

Das Geschäft scheint sich zu lohnen: Nach internen Dokumenten, die "Markup" veröffentliche, nahm das Unternehmen 2016 noch knapp 700.000 Dollar mit den Daten ein, 2019 waren es schon 10 Millionen, im letzten Jahr gar 16 Millionen Dollar. Dass Life360 auf den Verkauf verzichtet, dürfte nicht zur Debatte stehen: Trotz der Millioneneinnahmen meldete das Unternehmen letztes Jahr einen Verlust von 16,3 Millionen Dollar.

Für die Kunden eines völlig anderen Produkts könnten das schlechte Nachrichten sein: Ende November verkündete Life360 den für seine GPS-Anhänger bekannten Hersteller Tile gekauft zu haben. Die Daten seien aber sicher, betonte Hulls: Man habe aktuell keine Pläne, die Daten der Tile-Nutzer zu verkaufen.

Quelle: Markup

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