A380-Testpilot Jean-Paul Lambert "Wir sind harte Hunde"

Jean-Paul Lambert ist einer von vier Piloten, die die A380 mit der Seriennummer 007 in Tausenden von Testkilometern an ihre physikalischen Grenzen gebracht haben. Im stern.de-Interview spricht er vom Druck der Öffentlichkeit, von knallharten Manövern und über seine Ängste.

Herr Lambert, wie wird man Testpilot?

Zunächst einmal benötigt ein Testpilot eine ganze Menge Erfahrung - entweder im Regelverkehr bei einer Airline oder als Kampfpilot bei der Armee. Einige von uns haben bereits mehr als 17.000 Flugstunden. Ich selber bin jahrelang für verschiedene Fluglinien geflogen. Unter anderem für British Airways und Air France.

Die Aufnahmebedingungen sind hart - im physischen wie im psychischen Bereich. Schafft man die Prüfungen, dann folgt eine einjährige Ausbildung.

Haben Sie auch eine technische Ausbildung durchlaufen?

Ja, viele von uns haben das getan. Es schadet nicht, wenn man sich in der Theorie gut auskennt. In der Praxis - also beim Flug - lassen sich dadurch Mängel besser erkennen und beschreiben. Das ist vergleichbar mit einem sehr guten Formel-1-Fahrer, der dank KFZ-Mechaniker-Ausbildung Defizite am Wagen seinen Mechanikern exakt darstellen kann. Allerdings helfen uns bei der Arbeit natürlich auch die Computeranalysen des Fluges.

Wie fliegt sich die A380 im Vergleich zu anderen Flugzeugen?

Jeder Testpilot war gleich von der ersten Minute an begeistert, wie leicht sich die Maschine handhabt. Sie fliegt sich genau wie im Simulator. Man hat nie das Gefühl, ein Flugzeug zu fliegen, das 70 Meter lang ist und fast die Spannweite eines Fußballfeldes hat.

Seit wann testen Sie Flugzeuge? Und wie groß ist das gesamte Team?

Wir sind insgesamt 50 Piloten. Meinen ersten Airbus-Testflug hatte ich im Frühjahr 2005. Hier an Bord der 007. Das ist mein Baby. (lacht)

Ich persönlich lenke den Vogel aber nicht - ich erteile momentan nur Befehle. Ich arbeite an Bord als einer von zwei technischen Ingenieuren, die den Piloten sagen, welche Manöver zu fliegen sind. Wir definieren vor dem Abheben ein Testprogramm und beobachten während des Fluges die Reaktionen der Maschine auf spezielle Manöver.

Spezielle Manöver bedeuten Extremsituationen, richtig?

Ja, auch. Die Anfänge waren natürlich vollkommen harmlos. Beim Erstflug haben wir zunächst nur Standardsituationen wie Beschleunigung und Einfahren der Landeklappen geprüft. Dann kamen ein paar Runden über dem Flughafen hinzu. Wir wollten sehen, wie sich das Flugzeug unter optimalen Bedingungen verhält. Danach haben wir langsam, aber sicher an der Schraube gedreht. Die Manöver wurden härter.

Welches Manöver stellt ihrer Meinung nach die größte Herausforderung an Mensch und Technik?

Ganz klar: der Startabbruch einer vollbeladenen Maschine.

Warum? Das Flugzeug befindet sich doch noch am Boden und muss nur abgebremst werden, oder?

Nun, es ist vielleicht nicht das gefährlichste aller Manöver. Aber es ist der erste Härtetest, dem sich ein neues Flugzeug stellen muss. Das Flugzeug wird bis zur Abhebegeschwindigkeit von rund 300 Stundenkilometer beschleunigt und dann so stark wie möglich abgebremst. Ist diese erste schwierige Hürde genommen, kann in den Folgetests eigentlich nichts mehr schief gehen. Ist natürlich reine Gefühlssache.

Hatten Sie Angst bei ihrem ersten Flug?

Na ja, es ist schon etwas anderes als Fahrradfahren. Klar. Aber Angst? Nein, das kennen Testpiloten eigentlich nicht. Wir sind harte Hunde. (lacht)

Im Ernst: Im Prinzip war uns klar, dass der Koloss fliegt - wir hatten ja alles am Computer berechnet und unzählige Simulationsflüge hinter uns. Zudem haben wir in unserer Flugkarriere sowie in der Ausbildung eine ganze Menge erlebt. Flugmanöver am Rande der physikalischen Machbarkeit. Mich schockt eigentlich nichts mehr. Allerdings gebe ich zu, dass der Druck bei meinem Erstflug etwas größer war als heute - was aber eher mit dem Druck der Öffentlichkeit zu tun hat. Schließlich erwartete die ganze Welt, dass die Maschine funktioniert.

An welchen Moment erinnern Sie sich noch - gerne oder ungern?

Der erste Flug mit Passagieren vor ein paar Wochen von Frankfurt nach New York bleibt mir wohl auf alle Ewigkeit in Erinnerung. Alles lief prima. Das Zusammenspiel der Crew, die Kommunikation unter der Cockpit-Besatzung, das Flugverhalten der Testmaschine - alles wie gewünscht. Keine Fehler und das Wichtigste - die Gäste waren glücklich.

Interview: Udo Lewalter

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