Vorne bequem und teuer, hinten gedrängt und günstig - so sind die meisten Flugzeugkabinen auf den ersten Blick ausgestattet. Doch das Thema Interieur ist komplizierter als die Trennung zwischen First-, Business- und Touristclass. Flugzeugbauer erforschen mittlerweile den "Wohlfühlfaktor" genauso intensiv wie aerodynamische Details oder neue Bordsysteme.
Psychologische Faktoren wichtig
Für Spezialisten wie Boeing-Projektleiter Klaus Brauer zählen nicht nur Zentimeter zwischen Sitzreihen, sondern auch viele psychologische Faktoren. "Wenn ich in der Economy-Class mit meiner Familie reise, macht mir Schulterkontakt nichts aus - bei Geschäftsreisen will ich das vermeiden", beschreibt der Experte.
Die schönste Beinfreiheit in der Touristenklasse ist nicht mehr viel wert, wenn sich der Vordersitz weit nach hinten klappen lässt: Subjektives Empfinden für den Abstand entsteht nicht nur an den Beinen, sondern vor allem auf Augenhöhe.
Die Macht des freien Nebenplatzes
"Jeder Reisende kennt die Freude, wenn sich die Tür schließt und der Nebensitz frei bleibt", beschreibt Brauer einen weiteren Faktor. "Das ist ein innerliches Upgrade - da fühle ich mich als Economy-Passagier doch fast wie in der Business-Class", schildert der Boeing-Manager. Entscheidend dafür ist die Sitzanordnung: Häufig sind Flüge nur zu 70 bis 80 Prozent ausgebucht. Bei geschickter Anordnung der Sessel in Kombination mit entsprechender Platzvergabe beim Einchecken ist dann für viele Passagiere ein freier Nachbarsitz möglich.
Wie sehr die Konstrukteure beim Thema Sitzpläne den Wohlfühlfaktor gesteigert haben, zeigt ein Trend in der Touristenklasse. Vor einigen Jahren waren fünf Plätze im Mittelblock bei einer DC-10 Standard - rechts und links davon war ein Zweierblock montiert.
Drei Mal drei Sitze nebeneinander bringen gleiche Kapazität, aber mehr Komfort. Der extrem unbeliebte und unbequeme Platz im Mittelblock mit zwei Nachbarn rechts und links fällt weg. Jetzt muss hier auch kein Passagier mehr über zwei Sitznachbarn klettern, wenn er zum Gang möchte. "Besonders beliebt", führt Boeing-Experte Brauer weiter aus, "sind aber nach wie vor die Fensterplätze." Für sein neues Modell 7E7 plant der US-Hersteller besonders große Kabinenscheiben.
Tricks gegen Gedränge
Gegen das Gedränge im Flugzeug beim Ein- und Aussteigen hat Airbus ein neues System entwickelt. "Die Sitze lassen sich wie im Theater hochklappen", beschreibt Airbus-Sprecher Tore Prang. Ergebnis: Wer Mantel oder Koffer im Gepäckfach verstaut, blockiert nicht mehr den engen Mittelgang. Das beschleunigt Ein- und Aussteigen bei einem Airbus A320 mit 150 bis 200 Plätzen um mehrere Minuten. Davon profitieren viele Billigfluggesellschaften, die mit extrem kurzen Bodenzeiten planen.
Licht bestimmt die Stimmung
Zusätzlich zum Sitzkomfort hat die Lichtstimmung großen Einfluss auf das Wohlbefinden an Bord. Das erlebt jeder Reisende bei Langstreckenflügen eindrucksvoll mit: Draußen geht die Sonne majestätisch und langsam über Wolkenschichten auf - in der Kabine schreckt flackerndes Neonlicht in Sekundenschnelle unsanft aus dem Schlaf.
Damit soll bald Schluss sein. Boeing und Airbus bauen in ihre neuen Flugzeuge Dimmer ein, die farbige Dämmerung illuminieren. Besonders schöne Lichtspiele genießen Fluggäste bei Emirates. Dort wird ein Sternenhimmel an die Flugzeugdecke des neuen Airbus A340-500 projiziert.
Luftdruck erhöhen
Genauso wichtig sind unsichtbare Faktoren wie der Kabinendruck. Normalerweise herrscht in Passagierjets während des Reisefluges in 12.000 Metern Höhe ein Luftdruck wie in 8000 Fuß - oder 2300 Metern Höhe. "Wir wollen diesen Wert auf 6000 Fuß senken", kündigt Brauer an. So bekommt der Körper mehr Sauerstoff - außerdem wissen Reisende mit Schnupfen die geringere Belastung in den Ohren bei Start und Landung zu schätzen.