Tagesschau", "CSI", "Lost", Arte, "Sportschau", "Genial daneben": Ich schaue gern Fernsehen. Ich liebe es, in meinem Wohnzimmer zu sitzen, abends im Halbdunkel auf dem Sofa, bei buntem Flackerlicht. Krimis sind toll zum Einschlafen, das Grün eines Fußballfelds auf dem Bildschirm macht mich ruhig und zufrieden. Ich gucke bewusst, ich bin kein Glotzer: Das ist mein Kaminfeuer, und da kommt nur das beste Brennholz rein.
Mein Holz jedoch wird in letzter Zeit immer schlechter. Da brennt etwas Beißendes mit, das meine Augen zum Tränen bringt. Es ist eine Form von Fernsehwerbung, die einem Telefonanruf um drei Uhr nachts ähnelt, bei dem sich der Anrufer auch noch verwählt hat: Ich werde plötzlich aus etwas Wunderschönem herausgerissen (aus dem Schlaf oder einem Spielfilm) - und es lohnt sich nicht einmal.
Dinos in New York
Diese Werbung geht ungefähr so: Ich schaue einen Film, zum Beispiel einen Thriller. Hochhäuser, Regen, New Yorker Taxis rasen vorbei, Schüsse fallen, der Psychopath flüchtet gerade, und in diesem Moment rast mit einem dröhnenden "Gwaaaar!" ein Dinosaurier nach links über den Bildschirm. Huch! Was war das? Ein Dino in New York? Gwaaaar? Dann macht es "Pling!", eine Schrift erscheint und sagt mir, dass auf diesem Sender demnächst oder bald/gleich/morgen/sofort oder gar erst Ende der Woche "Jurassic Park" läuft. Und bevor ich "Na und?" denken kann, ist der Psychopath um die Ecke und weg. Oder so: Es läuft eine Dokumentation. Eine Frau erzählt, wie sie ihr kleines Mädchen tot im Wald gefunden haben, Tränen, sie weint. Achje. Plötzlich macht es "Lubdub Lubdub", und unten erscheint die Schrift: "Lad Dir das Herzklopfen auf Dein Handy." Nein. Will ich nicht. Zapp, und weg.
Noch ein Beispiel
Ich schaue Fußball. Eine Konferenzschaltung zwischen zwei Uefa-Cup-Spielen, alles oder nichts, wer kommt weiter? Doch bei jedem verdammten Umschalten zwischen den Spielen wird mir eine Bierwerbung um die Augen geschäumt. Nicht 10-, auch nicht 20-, sondern gefühlte 50-mal. Das war das erste Mal, dass ich mich über eine Fernsehübertragung noch mehr aufgeregt habe als über den Schiedsrichter. Dabei hatte ich mich schon dazu gezwungen, die nervigen Einblendungen am unteren Rand des Bildschirms zu übersehen. Die wollten, dass ich dort für teures Geld anrufe und tippe, wer das nächste Tor schießt. Warum sollte ich? Mitte der zweiten Halbzeit habe ich mich danach gesehnt, dass der Dinosaurier kommt und die Verantwortlichen auffrisst. Das alles prangere ich an.
Denn davon gibt es unzählige Beispiele. Die TV-Werber nennen diese Folterinstrumente "Skyscraper", "Cut-In", "Splitscreen" oder "Crawl", und sie finden das toll, wie sie alles toll finden, das trendy Namen hat. Ich kenne aber niemanden sonst, der so was toll findet. Und ich frage mich: Kann denn die Werbung nicht auf ihrer Insel bleiben? Was denken sich die Sender dabei? Sind die wirklich so verzweifelt? Oder wollten mir die TV-Macher nur zeigen, wie viel Hass sie in sich tragen? Dass sie die Zuschauer hassen, weil sie immer ohne Vor-warnung umschalten oder mit High-Tech-Geräten ihre Werbeinseln umschiffen, das war mir klar. Aber ich wusste nicht, dass sie ihr eigenes Programm noch weniger leiden können als mich. Sonst würden sie es doch nicht so schlecht behandeln.
Ich weiß jedenfalls, dass ich auf diesem Sender nie, nie wieder Fußballkonferenzen gucken werde. Das ist die einzige Macht, die mir bleibt. Und den Dino, den lasse ich aussterben.