Trend zum Fachgeschäft Geliefert und eingebaut

Von Carsten Görig
Viele Deutsche haben den Meisterbetrieb in der Nachbarschaft wiederentdeckt und setzen beim Fernsehkauf auf guten Service. Der Handel macht damit gute Geschäfte.

"Warum sollte ich das selbst machen?", fragt Gerd Kievernagel, "die beiden können das doch viel besser und schneller als ich." Die beiden, das sind zwei Techniker, die dem Ratinger Orthopäden gerade einen neuen Fernseher ins Zimmer stellen und eine Musikanlage anschließen. Zwei Zimmer soll sie beschallen, und das möglichst ohne großen Kabelsalat. Entspannt sitzt Kievernagel an seinem Tisch und erzählt, dass er technisch wirklich interessiert sei, aber inzwischen keine Lust mehr habe, solche Geräte selbst einzubauen.

Viel zu lange würde das dauern, und außerdem habe er seine Erfahrungen gemacht: "Man steckt das Zeug zusammen, dann britzelt es irgendwo, und alles ist kaputt." So wie er denken offenbar viele Menschen, die sich neue Fernseher oder Stereoanlagen anschaffen wollen. Und handeln wie Kievernagel: Sie kaufen beim Fachmann, lassen sich ihre Technik von seinen Leuten einrichten und auch gleich die Bedienung erklären. Nach der "Geiz ist geil"-Phase scheint guter Service wieder gefragt. Ein Trend, der Fachhändlern eine Chance bietet, sich gegen die übermächtig wirkenden Ketten wie Media Markt oder Saturn zu wehren. Mit Erfolg, so heißt es aus Handelskreisen, denn vor allem bei den Flachbildfernsehern verkaufen die traditionellen Fernsehhändler inzwischen mehr als die großen Märkte.

Die Kleinen glänzen bei Service und Beratung

Allerdings: Der Unterschied der Wettbewerber ist nicht so groß, wie es auf den ersten Blick scheint. Allein arbeitet kaum noch ein Händler, die meisten haben sich in Einkaufsgemeinschaften zusammengeschlossen: Euronics, Expert, Telering oder Electronic Partner heißen diese Kooperationen. Sie ermöglichen auch kleinen Geschäften günstige Konditionen - und garantieren so die Wettbewerbsfähigkeit beim Preis der Geräte. Aber bei Service und Beratung, da können die Kleinen eben besonders glänzen. Darauf setzt Dirk Wittmer, der seit 30 Jahren in Ratingen die Firma "Johann + Wittmer" betreibt. Anfangs ein kleines Geschäft in der Ratinger Innenstadt, ist es nach dem Umzug in eine alte Fabrikhalle am Stadtrand deutlich größer geworden und sieht schon ein wenig wie ein Discounter aus. Aber das täuscht: "Wir wollen unseren Kunden einen Service bieten, den sie woanders nicht finden", sagt Wittmer, der Theologe werden wollte, dann aber "irgendwie im Elektrogeschäft hängen geblieben ist".

Den Extraservice schätzt auch Dr. Kievernagel: "Bei Saturn oder Media Markt kaufe ich nur CDs", sagt er und flüstert dann fast, während die beiden Wittmer-Techniker Kartons auspacken. "Der Herr Wittmer hat in dem Bereich kein so großes Programm." Kievernagel kennt seinen Händler und dessen Mitarbeiter mit Namen, "der Herr Bauersfeld hat mich schon oft gut beraten". Und dann sagt er noch: "Bei Reparaturen sind die sehr schnell." "Eine eigene Reparaturwerkstatt ist wichtig", erklärt Dirk Wittmer, nur so könne man den Kunden schnellen Service bieten und müsse die Geräte nicht an den Hersteller einschicken und dann warten, bis sie fertig sind. Leisten kann sich das nicht jeder Fachhändler, denn neue Geräte erfordern auch neue Werkzeuge, und die sind teuer: "Früher hat ein guter Lötkolben vielleicht hundert Euro gekostet", sagt er und zeigt dabei auf ein sorgsam abgedecktes Gerät. "Da drunter ist eine Lötstation für Flachbildfernseher, die kostet ein paar Tausend Euro." Ein kompliziertes Gerät für ein kompliziertes Gerät. Das bedeutet nicht nur Investitionsbereitschaft beim Händler, sondern auch Flexibilität bei den Mitarbeitern.

"Die Techniker müssen bereit sein, sich weiterzubilden"

Karl-Heinz Hülsberg zum Beispiel, dienstältester Angestellter bei Johann + Wittmer, hat schon einiges mitgemacht: "Angefangen habe ich damit, Hi-Fi-Geräte zu reparieren. Heute passiert das nur noch ganz selten", erzählt der 53- Jährige, während er gerade den Wassertank einer Espressomaschine in einen Eimer mit kaffeebrauner Flüssigkeit taucht und dann mit einem Pinsel säubert. "Erst kamen die Telefonanlagen, jetzt sind es Kaffeemaschinen." Ihm sei es egal, was er repariere, sagt er: "Auch Kaffeeautomaten können eine Herausforderung sein." Dass Hi-Fi-Anlagen mehr Spaß gemacht hätten, findet er allerdings doch. "Die Techniker müssen bereit sein, sich weiterzubilden", sagt Dirk Wittmer, nur so lässt sich die Qualität halten, die er bieten möchte. Die Kunden wollen es am liebsten einfach haben und ein Gerät in die Wohnung gestellt bekommen, das sofort funktioniert. 35 Euro kostet die sogenannte Standardlieferung beispielsweise bei Johann + Wittmer. Die umfasst Lieferung und Aufstellen eines Flachbildfernsehers und eine kurze Einweisung in das Gerät.

"Schauen Sie einfach mal einen Flachbildfernseher an", sagt Wittmers Techniker Markus Bauersfeld. Während er in einem Menü verschiedene Zahlencodes durchprobiert, erklärt er: "Da müssen Sie nicht nur Helligkeit, Kontrast und Farbe einstellen, sondern auch noch für jede Farbe die Sättigung - und das teilweise für jeden Kanal. Wenn Sie das selbst machen wollen, brauchen Sie lange, bis es wirklich gut aussieht." Er macht das deutlich schneller, dazu hat er schließlich seine Geräte. Viele Kunden, die den Fernseher selbst mitnehmen, stellen dagegen gar nichts ein und wundern sich dann über das schlechte Bild. "Im Laden sind alle Werte hochgedreht", sagt Bauersfeld, "da muss sich das Bild gegen die helle Beleuchtung und die Konkurrenz durchsetzen." Im Wohnzimmer aber ist diese Einstellung viel zu grell. Bauersfeld erfüllt auch speziellere Wünsche: "Ein Kunde wollte gerne einen Flachbildschirm in seinen Kamin eingebaut haben, da habe ich dann drei Tage mit Architekten telefoniert und Handwerker gesucht, die das machen konnten." Standardpreise gibt es für solche Installationen natürlich nicht mehr.

Auch das ist im Preis inbegriffen

"Dafür müssen wir Stundensätze nehmen", sagt Wittmer. Der Fernseher in Dr. Kievernagels Wohnung ist installiert, Bauersfeld und sein Kollege Hakan Tufan stellen jetzt die Musikanlage auf, die zwei Zimmer beschallen soll. "Die muss eingemessen werden", erklärt Bauersfeld. Dafür benötigt man eine CD, die verschiedene Töne abspielt, und spezielle Mikrofone, die diese hören und danach die Klangfarben des Gerätes einstellen. "Wird das nicht gemacht, klingt selbst die beste Anlage einfach schlecht", sagt der Techniker und übergibt die Fernbedienung an Dr. Kievernagel. Der fängt an, interessiert zwischen den verschiedenen Geräten hin- und herzuschalten, und freut sich sichtbar über sein neues Spielzeug. Bauersfeld und Tufan packen die leeren Kartons zusammen und nehmen sie wieder mit. Auch das ist im Preis inbegriffen.

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