J. Peirano: Der geheime Code der Liebe Ich bin die Geliebte eines verheirateten Mannes und habe das Gefühl, ihn zu verlieren

Auch als Geliebte hat man emotionale Ansprüche (Symbolbild)
Auch als Geliebte hat man emotionale Ansprüche (Symbolbild)
©  katleho Seisa / Getty Images
Als sie ihren Freund kennenlernte, wusste Gabriele, dass er verheiratet ist. Doch die Beziehung ist komplizierter als sie erwartete. 

Liebe Frau Dr. Peirano,  

ich bin 40, werde bald 41 und befinde mich nun seit fast einem Jahr in einer - nennen wir es - Beziehung zu einem verheirateten Mann. Ich weiß nicht, warum ich mich überhaupt darauf einließ, ich fühlte mich aber unheimlich von ihm angezogen. Es passierte einfach und wir verliebten uns ineinander.

Er sagte mir anfangs dass er seine Familie nicht aufgeben will, er hat zwei Kinder und kann sich wegen der beiden nicht trennen. Diese Aussage änderte sich aber irgendwann. Da wollte er sich trennen, nur nicht sofort, da sich die Kinder gerade im Abschluss bzw. im Abgang auf eine andere Schule befanden. Er meinte jedoch, er hätte noch nie jemanden wie mich getroffen und würde mich am liebsten auf der Stelle heiraten.

Ich war seine "Traumfrau"…

Dann kamen Corona, der erste Lockdown und Probleme mit einem seiner Kinder. Er zog sich irgendwie gefühlsmäßig zurück. Meinte es hätte nichts mit mir zu tun. Es ist einfach alles viel im Moment.

Ich ertrage diesen Zustand nun seit fast einem Jahr. Wir sehen uns selten, aber regelmäßig, wir schreiben immer wieder von morgens bis Abends, er ist also niemand, der sich einfach auch mal gar nicht meldet. Aber manchmal fehlt mir das Gefühl. Das Gefühl geliebt zu werden. Sagen tut er dies schon lange nicht mehr (und das nach nicht mal einem Jahr Beziehung, wenn man das überhaupt so nennen kann). Hin und wieder muss er auch Treffen absagen, weil seine Kinder doch etwas unternehmen wollen. Natürlich reagiere ich dann oft traurig oder auch ein wenig enttäuscht.

Nun wird es seit Januar für mich gefühlt immer kälter. Wir haben uns im Januar vielleicht eine Dreiviertelstunde gesehen. Als ich nun etwas komisch reagiert habe, dass nur ein kurzer Gruß am Morgen kam … sagte er mir, wie bereits vor ein paar Wochen schon mal:  Er habe keinen Bock auf ein Muss, wenn er sich meldet und Zeit hat, dann macht er das schon, er will sich aber nicht verpflichtet fühlen und will auch nicht immer so reagieren, wie es mir gerade passt. Das verlange ich gar nicht, ich warte immer, schreib ihm nicht ständig hinterher, oft kommt von ihm halt stundenlang nix, das ist auch voll in Ordnung so, auch sind seine Kinder wichtiger, trotzdem habe ich das Gefühl er versteht mich überhaupt nicht.

Ich weiß nicht was ich machen soll. Dieser Satz, er will kein Muss, das klingt für mich einfach nach einer unverbindlichen Geschichte, wie es ihm gerade passt. Beschweren sollte ich mich besser nicht, so bin ich nur nervig…

Was soll ich nur machen, ich liebe den Mann so sehr. Und vielleicht ist im Moment für ihn wirklich alles nur zuviel und ich bin einfach verständnislos und setze ihn unter Druck.  

Liebe Grüße  

Gabriele W.

Liebe Gabriele W.,

Sie haben am Anfang einen interessanten Satz geschrieben, aber leider nicht weiter ausgeführt: "Ich weiß nicht, warum ich mich überhaupt darauf einließ". Sie wissen sicher aus zahlreichen Geschichten aus Ihrem Bekanntenkreis, aus Büchern und aus Filmen, dass die Rolle der Geliebten eine sehr undankbare Rolle sein kann. 

Man steht immer an zweiter Stelle, auf Abruf, muss warten, bis er sich ein paar Stunden heimlich loseisen kann. Man muss Verständnis haben für seine Erzählungen, wie es ihm in der Ehe geht, und man muss ihm blind glauben, dass alles auch so stimmt, wie er es erzählt. Obwohl man vielleicht auch ahnt, dass ihn mit seiner Frau mehr verbindet als "nur" die Kinder. Weihnachten, Ostern und Urlaub sitzt man alleine zu Hause, während er bei seiner Familie ist. Und man muss sich als Geliebte auf eine Konkurrenz mit der Ehefrau einlassen und vielleicht auch mit Schuldgefühlen, in eine Ehe einzudringen, umgehen (je nach Gewissen).

In unserer Kultur ist die Rolle der Geliebten eine recht undankbare und unklare Rolle. Es gibt selten klare Spielregeln und klare Grenzen.  

Porträt Dr. Julia Peirano
© Kirsten Nijhof

Dr. Julia Peirano: Der geheime Code der Liebe

Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht, anschließend habe ich zwei Bücher über die Liebe geschrieben. 

Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.

Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.

Und genau dieser Bumerang ist jetzt zu Ihnen zurück gekehrt. Sie wussten nicht, warum Sie sich darauf einließen und haben es gemacht, anscheinend ohne nachzudenken.

Ich würde Ihnen empfehlen, sich jetzt noch einmal hinzusetzen und das Nachdenken nachzuholen. Was haben Sie sich von der Beziehung versprochen? Was waren Ihre Bedingungen dabei: War es für Sie in Ordnung, seine Geliebte zu bleiben oder haben Sie sich versprochen, dass er sich trennt und mit Ihnen eine Beziehung führt? Und wenn Sie mit einer heimliche Beziehung einverstanden waren: zu welchem Preis? Wie viel Zeit wollten Sie mit ihm verbringen, welche Gefühle erwarteten Sie von ihm, welchen Stellenwert?

Ich habe viele Geschichten wie Ihre gehört, von allen drei Positionen aus. Das Problem ist, dass diese Geschichte nicht wirklich auflösbar ist. Ein Mensch, der seine*n Partner*in ohne dessen Wissen betrügt, ist nicht vertrauenswürdig. Auch wenn es eine Trennung und daraufhin eine Beziehung mit der*m ehemaligen Geliebten gibt, steht immer die Frage im Raum: Betrügt er oder sie mich auch hinter meinem Rücken, wenn es bei uns mal kriselt?

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Der Mann, mit dem Sie sich eingelassen haben, hat ein Problem damit, seine Gefühle zu kommunizieren. Er sagt seiner Frau nicht, dass es eine andere Frau gibt. Und er sagt Ihnen nicht, dass es in seiner Ehe - oder außerhalb - Veränderungen gibt und offenbar seine Gefühle Ihnen gegenüber abgekühlt sind. Das heißt: Er arbeitet nicht offen mit seiner Partnerin an den Themen, die schwierig sind, sondern er geht den einfachsten Weg und schaut, was für ihn gut ist. Man könnte auch sagen, dass er manipuliert und mit den Gefühlen anderer Menschen spielt.

Und während am Anfang Ihrer Beziehung seine Frau die Leidtragende war, sind es jetzt Sie (oder Sie und seine Frau).

Es hört sich für mich so an, als wenn Sie keine vertrauensvolle Beziehung mit diesem Mann aufbauen können, weil er jemand ist, der sich nicht öffnet und nur an sich denkt.

Deshalb würde ich Sie dazu anregen, sich zu fragen, warum Sie das am Anfang übersehen haben. Ein Tipp: So wie frühere Arbeitgeber viel über das Verhaltensmuster am Arbeitsplatz erzählen können, können frühere Partner über das Verhalten in Liebesbeziehungen sagen. Und wahrscheinlich wäre es interessant gewesen, sich mit seiner Frau zu unterhalten oder sich in sie hinein zu versetzen, um zu erkennen, mit wem Sie es zu tun haben.

Wenn Sie sich diese Frage beantwortet haben, würde ich Sie fragen, ob Sie wirklich diese Beziehung fortsetzen möchten, bei der Sie zurückstecken und nicht auf Ihre Kosten kommen und die Ihr Selbstwertgefühl schädigt, weil Sie benutzt werden.

Ich hoffe, dass Sie sich mit etwas Abstand auf eine Lösung besinnen können, bei der Sie mit erhobenen Kopf aus der Situation gehen. Das ist allemal besser, als wenn Sie von ihm auch noch verlassen oder kaltgestellt würden.

Herzliche Grüße

Julia Peirano

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