Liebe Frau Peirano,
mein Freund und ich (beide Ende 20) leben seit vier Jahren zusammen und wir verstehen uns auch sehr gut. Es gibt aber ein Problem: Geld. Er arbeitet im Moment von Zuhause, während ich jeden Tag in die Firma muss. Ich arbeite Vollzeit.
Da er als Grafiker gerade wenig Aufträge hat (oder auch haben will), hat er weniger Geld als ich zur Verfügung. Wir teilen uns die Miete und die Lebenshaltungskosten, aber ich gehe auch häufiger mal einkaufen und bezahle es dann. Oder ich zahle mal ein Hotel im Urlaub oder eine schöne Unternehmung.
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass das meinem Freund nicht reicht. Er beschwert sich oft, dass er so wenig Geld hat und so viel im Haushalt macht, aber er sagt auch nicht direkt, was er will.
Ich arbeite aber den ganzen Tag und er macht zu Hause natürlich auch mehr schmutzig, weil er sich tagsüber etwas kocht oder auch mal Unordnung macht.
Immer wenn es um das Thema Geld und teilweise auch Aufgabenteilung geht, gibt es miese Stimmung. Manchmal stichelt er, aber wenn ich dann nachfrage, zieht er es wieder zurück.
Und ich ärgere mich auch, weil ich je häufiger die Einkäufe oder irgendwelche Extras bezahle und er das nicht sieht.
Haben Sie einen Tipp für mich?
Viele Grüße
Gaby G.
Liebe Gaby G.,
in unserer deutschen Kultur gilt leider (!) es als unfein oder als unklug, offen über Geld zu sprechen. In einer aktuellen Emnid-Umfrage gaben ca. 64 Prozent der Befragten Geld als Tabuthema an.
Geld ist jedoch ein sehr komplexes und oft konfliktbehaftetes Thema, das uns alle extrem beschäftigt und antreibt. Es regelt auch soziale Beziehungen oder spielt zumindest in diese stark hinein. Da ist es um so merkwürdiger, dass darüber nicht einmal in Partnerschaften gesprochen wird.
Einige Beispiele: Ein hoher Verdienst oder eine Erbschaft können Neid erzeugen. Das ist manchmal so stark, dass sich Freunde oder Bekannte von einem besser verdienenden Menschen abwenden. Im Gegenzug gibt es Menschen, die sich ihre Freunde nach dem Einkommen oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppierung aussuchen und mit niemandem zu tun haben wollen, der finanziell unter ihnen steht.
Der Besitz von Geld schafft Sicherheit und Bequemlichkeit und ist auch eng mit der Gesundheit verknüpft. Wohlhabende Menschen sind in der Regel gesünder.
Wer viel Geld hat, muss keinen unliebsamen Job annehmen, sondern kann sich Freiheiten erlauben, die arme Menschen nicht haben, z.B. nicht zu arbeiten, teure Hobbys zu haben oder länger zu reisen. Einige Menschen nutzen ihr Geld, um sich eine Machtposition zu verschaffen und um andere Menschen nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen, sei es die Bedienung im Hotel oder sei es die Verwandtschaft oder sogar der/die Partner*in.
Geld ist deshalb ein begehrtes Gut: Es geschehen nicht wenige Morde oder Straftaten mit dem Motiv der Bereicherung.
Und nicht zuletzt ist Geld auch ein Ausdruck von Wertschätzung. Wenn man ein Trinkgeld gibt oder einen hohen Preis für einen Gegenstand oder eine Leistung bezahlt, heißt das ja auch, dass es einem das wert ist.
Nun zu Ihrer Partnerschaft: Sie und Ihr Freund haben anscheinend eine unterschiedliche Haltung zum Geld oder leben zumindest momentan in einer anderen Situation. Sie verzichten auf freie Zeit und arbeiten voll, um Geld zu haben. Ihr Freund verzichtet auf Geld, um mehr freie Zeit zu haben.
Für jeden von Ihnen einzeln wäre das eigene Lebensmodell in Ordnung. Problematisch wird es dadurch, dass die Lebensmodelle und die unterschiedlichen Werte aufeinander treffen. Vielleicht ist jeder von Ihnen beiden auch mal etwas neidisch auf den anderen: Ihr Freund auf Ihr besser gefülltes Konto, Sie auf seinen entspannten Tagesablauf? Es wäre sicher erleichternd, darüber mal zu sprechen.
Denn ich kann mir vorstellen, dass die Themen miteinander verquickt sind. Wenn Ihr Freund weniger Geld für mehr Freiheit in Kauf nimmt, dann kann es ihm gegen den Strich gehen, wenn er seine Freiheit (für die er ja auf Geld verzichtet) wieder ein Stück weit verliert, weil er sich um den Haushalt kümmern muss. Und hier ist es ja oft so, dass derjenige, der näher dran ist am Haushalt, auch mehr Aufgaben sieht, mehr erledigt und mehr Verantwortung übernimmt. Derjenige, der seltener zu Hause ist, unterschätzt dann manchmal den Aufwand sozusagen aus der Ferne.
Dazu kommt, dass bei vielen Paaren jeder genauer weiß, was er selbst alles beigetragen hat. Das liegt daran, dass einige Ausgaben und Aufgaben als lästig empfunden werden. Wer bezahlt schon gerne das Toilettenpapier, bringt es dann auch noch nach Hause, packt es aus, räumt es ein, wirft die Verpackung in den Müll, bringt bei der Gelegenheit noch schnell den Müll raus? Jeder betrachtet das als ein Opfer, das er bringt.
Und oft führt jeder heimlich knurrend ein unsichtbares Buch über seinen eigenen Einsatz und denkt sich, dass der Partner/ die Partnerin ruhig auch mal mehr beitragen könnte. Da hilft dann manchmal einfach nur Transparenz und Klarheit. Wie soll man seinem Partner dankbar sein, dass er 45 Minuten gebraucht hat, um einen Parkplatz zu finden und bei Regen in der Schlange zu stehen, um Blumen zu ergattern, wenn man das nicht weiß? Oder wenn er extra in den Baumarkt gefahren ist, um die blöde Schraube nachzukaufen, die man für die Leselampe braucht?
Wie wäre es denn, wenn Sie beide wirklich mal zwei Wochen aufschreiben, was Sie für den Haushalt tun und wie lange es dauert? Und vielleicht auch kreativ: Wie sehr hasse ich diese Aufgabe (lächelndes Smiley, ok Smiley, trauriges Smiley). Listen Sie doch auch auf, wie viel jeder von Ihnen außer der Reihe bezahlt.
Denn eines ist klar: Was der Partner nicht weiß, wird er auch nicht wertschätzen. Und manchmal möchte er auch mitentscheiden. Vielleicht denkt der eine sich: Blumen brauchen wir nicht wirklich, ich hätte lieber, dass meine Partnerin mal das Bad putzt. Und die andere denkt: Echt jetzt? Die alte Leselampe hätte in den Müll gemusst, dafür muss man doch nicht extra eine neue Schraube kaufen. Wenn die Liste des einen länger ist als die des anderen, wäre ein Ausgleich sicher eine gute Idee.
Es wäre wichtig, dass Sie mal herausfinden, worum es EIGENTLICH geht. Geht es Ihrem Partner darum, dass er mehr Wertschätzung möchte für das, was er tut? Wäre das mit einer regelmäßigen Einladung zum Essen auszugleichen, bei der Sie auch betonen, wie toll Sie seinen Einsatz finden.
Oder geht es ihm um Gerechtigkeit? Dann müsste man wirklich mal die geleisteten Arbeitsstunden genauer anschauen und zusammen rechnen, und auch den finanziellen Einsatz. Wenn Ihr Freund z.B. jede Woche 5 Stunden mehr als Sie es tun seiner Zeit (für die er auf Geld verzichtet) für den Haushalt einsetzt, dann kommt da schon einiges zusammen. Das sind 20 Stunden im Monat. Vielleicht hilft da auch Wertschätzung und Gerechtigkeit? Schaden kann es auf jeden Fall nie in einer Partnerschaft!
Gelegentlich passen die Systeme, die Sie beiden gewählt haben, nicht zusammen. Denn finanziell heißt die Spielregel: Jeder sorgt für sich selbst. Aber in puncto Haushalt hieße es: Du hast mehr Zeit, also kannst du die doch auch für uns beide einsetzen. Das hakt irgendwo, finden Sie nicht?
Lösungsmöglichkeiten, damit Sie beide weniger zu tun haben, wären: Ggf. eine Putzhilfe anzustellen oder andere Hilfen, wie sich Einkäufe liefern zu lassen, Vorräte anzulegen, Essen einzufrieren und dadurch weniger zu kochen. Sich kreativ zu überlegen, was viel Arbeit macht und was Sie optimieren können. Und miteinander zu sprechen, ob die Blumen oder die Schraube für die Leselampe wirklich nötig sind.
Doch bevor Sie zu den Lösungsansätzen kommen, sollten Sie ein offenes Gespräch über das Tabuthema Geld führen und schauen, worum es jedem wirklich geht. Dann hört das unterschwellige Knurren auch schnell wieder auf.
Herzliche Grüße
Julia Peirano