J. Peirano: Der geheime Code der Liebe Mein Mann hat einen Burnout und ist ständig grundlos von unserer Tochter genervt

Auch ohne Grund ist man im Burnout schnell genervt - selbst von den eigenen Kindern (Symbolbild)
Auch ohne Grund ist man im Burnout schnell genervt - selbst von den eigenen Kindern (Symbolbild)
©  Synthetic-Exposition / Getty Images
Ein Burnout belastet auch die Familie der Betroffenen. Christines Mann hält es quasi kaum noch aus, mit der gemeinsamen Tochter in einem Raum zu sein. Wie soll sie reagieren, um die Familie zusammenzuhalten?

Sehr geehrte Dr. Peirano,

ich falle gleich mit der Tür ins Haus: Mein Mann ist bereits in einer Therapie wegen eines Burnouts. Jedoch ist seine ständige Gereiztheit und Launenhaftigkeit kein aktuelles Phänomen, es war schon immer da und spitzte sich bis zu seinem Burnout zu.

Was die Familie zusätzlich belastet ist, dass er völlig genervt von unserer Tochter (16) ist. Ich habe das Gefühl, dass ihre bloße Anwesenheit ihn nervt. Sie ist ein normaler Teenager, ohne große Macken, hilft mehr oder weniger im Haushalt, macht wenig Probleme etc. Eigentlich ein Traum!

Sie hat einen Freund, mit ihm versteht sich mein Mann sehr gut, jedoch ist er von seiner täglichen Anwesenheit genervt, besonders am Abend… Die Lösung wäre, das aufzuteilen, mal bei uns mal bei ihm, das ist jedoch nicht möglich, da seine Eltern in Scheidung leben.

Bei uns zu übernachten erlaubt mein Mann nur in Ausnahmefällen, unsere Tochter darf jedoch im Gegenzug immer bei ihm schlafen (wenn sie das denn möchte).

morgenstern

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Der Gedankengang meines Mannes ist unlogisch und dermaßen verquer, ich komme da nicht mehr mit.

Er pocht auf sein Recht auf Ruhe, er sagt, es könne nicht alles nach den Wünschen der Kinder gehen. Dann wiederum behauptet er, die Familie sei das Wichtigste für ihn, aber irgendwie kann er mit Familie nicht leben… 

Zum Vorwurf macht er mir, dass ich unsere Tochter immer verteidige und in seiner Wut betitelt er sie  als "meine Brut" über die ich mich stülpe.

Ich weiß mir wirklich nicht mehr zu helfen, es ist alles völlig sinnfrei. So treibt er sie aus dem Haus.

Wie kann ich ihm nur beikommen? Wenn er sein Verhalten von außen betrachten würde, würde er begreifen wie verworren sein Verhalten und seine Aussage ist.

Beste Grüße

Christine B.

Liebe Christine B.

Ihre Schilderung hört sich so an, als wenn Sie und Ihr Mann seit längerer Zeit nicht mehr in einem emotionalen Kontakt miteinander sind und nicht mehr an einem Strang ziehen. Das muss sehr belastend sein!

Ich habe in meiner Praxis schon öfter beide Seiten eines Burnouts gehört: Die Betroffenen klagen darüber, dass ihnen auch geringste Belastungen zu viel werden und dass sie lärmempfindlich sind und schnell gereizt oder überlastet. Kurzum, dass sie nicht zur Ruhe kommen. Sie fühlen sich selbst von der Fliege an der Wand gestört. Wahrscheinlich würde Ihr Mann mir das auch erzählen, wenn er mal seine Sichtweise darstellen dürfte.

Und die Angehörigen sagen meistens, dass sie ihre*n Partner*in nicht wieder erkennen. Ehemalige Familienmenschen werden zu egoistischen Einzelgängern, die am liebsten nur allein wären, und die ihre Familie anfeinden.

Porträt Dr. Julia Peirano
© Kirsten Nijhof

Dr. Julia Peirano: Der geheime Code der Liebe

Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht, anschließend habe ich zwei Bücher über die Liebe geschrieben. 

Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.

Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.

Sie werden sich und Ihren Mann bestimmt in meiner Schilderung wieder finden. Die Frage ist, wie sich solche Problem wieder auflösen lassen - und natürlich auch, wie lange es dauert, bis der/die Partner*in wieder "normal" ist. Ich habe beides erlebt: Trennungen aufgrund von Burnout, lange Leidensphasen, in denen beide nebeneinander her lebten, sich gegenseitig ertrugen und unheilbare Kollateralschäden erzeugt haben, aber ich habe (vereinzelt) auch Paare erlebt, in denen der Partner die Burnout-Phase unterstützt und ausgehalten hat und beide hinterher sagen: "Wie gut, dass wir nicht aufgegeben haben."

Das ist ein großes Leid für alle, und letztlich auch eine schwere Entscheidung. Wie wäre es, wenn Sie Gleichgesinnte suchen und sich einer Selbsthilfegruppe für die Angehörigen von Depressiven anschließen würden? Oder wenn Sie versuchen, in der Therapie Ihres Mannes mit eingebunden zu werden und auch mal Ihre Sicht der Situation und Ihre Grenzen aufzeigen dürften?

Es ist in vielen Therapien mittlerweile möglich (und aus meiner Sicht sehr hilfreich), Angehörige einzubeziehen. Zum einen wirft es ein anderes Licht auf die Gesamtsituation, wenn Partner*innen erzählen, wie belastet sie sind. Zum anderen kann man gemeinsam an der Situation arbeiten. Eine Alternative wäre eine Paarberatung für Sie und Ihren Mann, bzw. auch eine Familientherapie, mit Einbeziehung der Tochter, möglicherweise mit systemischen Ansatz.

Auf jeden Fall wäre es wichtig und an der Zeit, dass Sie zu Hause Ihrem Mann deutlich, aber ruhig sagen, dass die Situation für Sie untragbar ist. Es wäre auch hilfreich, wenn Sie Ihrer Tochter vorschlagen, auch einmal ihren Vater um ein Gespräch zu bitten und ihm zu sagen, wie sie sich fühlt. Ich vermute mal, dass sie sich als Störfaktor erlebt und das Gefühl hat, einen Tanz auf rohen Eiern machen zu müssen. Kränkend ist sicher auch, dass Ihr Mann den Freund der Tochter quasi bevorzugt.

Grundsätzlich wäre es positiv, wenn Sie Ihrem Mann die Haltung vermitteln: Wenn wir Probleme haben, reden wir. Und wenn wir das alleine nicht schaffen, gehen wir zusammen zu einem Profi und besprechen das Problem dort. Das wäre für Ihre Tochter auch ein sehr gutes Vorbild. Besser, als ihn abzuwerten, wie es in Ihren Zeilen durchklingt. Wahrscheinlich hat sich da viel aufgestaut bei Ihnen.

In den Gesprächen könnten Sie nach Lösungen suchen, sodass jeder zu seinem Recht kommt. Bei uns zu Hause gab es ein jahreslanges Drama mit meiner Tochter wegen meines intensiven (und lauten) Klavierspiels. Nachdem ich verstanden habe, wie laut mein Klavier im ganzen Haus gehört wird, war die Lösung einfach: Um des Familienfrieden willens habe ich mir zusätzlich ein E-Piano gekauft, das man leise oder mit Kopfhörern spielen kann, und mal nehme ich Rücksicht, mal lebt meine Tochter damit, dass ich auf dem lauten Klavier spiele. Alles nach Absprache. Die Stimmung ist viel besser, seitdem wir das Problem angegangen sind und auch deutlich gemacht haben: Wenn es Probleme gibt, reden wir. Jeder wird gehört und wir suchen eine Lösung.

Es ist auf jeden Fall wichtig, dass Sie Ihre Tochter unterstützen, damit Ihr Selbstwertgefühl unter dem Verhalten Ihres Vaters nicht leidet. Das habe ich übrigens schon häufig erlebt, dass es bleibende Schäden hinterlässt, wenn man sich anpassen muss und trotzdem nichts Recht machen kann.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei, den Stier bei den Hörner zu packen.

Herzliche Grüße

Julia Peirano

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