Liebe Frau Peirano,
ich (Architektin) bin geschieden und Mutter von zwei Kindern (Anna, 5 und Jannick, 7). Mein Ex-Mann macht mir das Leben schwer, wo er nur kann.
Es fing schon vor der Trennung an. Er hat im Haushalt wenig gemacht, und auch nur das, was er wollte. Zwei Jahre vor der Trennung nahm er eine besser bezahlte Stelle in einer anderen Stadt 400 km von uns entfernt an, ohne mich zu fragen.
Danach blieb dann der Alltag mit den Kindern komplett an mir hängen, obwohl ich auch berufstätig bin und gerade in einem neuen Büro angefangen hatte, mit mehr Einsatz und Führungsposition. Wenn ich etwas gesagt habe, mauerte er und sagte, dass es keine andere Möglichkeit gäbe und dass ich mich nicht so anstellen solle.
Er tat kaum noch etwas für unsere Beziehung. An den Wochenenden war er erschöpft und ruhte sich aus, während ich mich um die Kinder kümmerte und versuchte, das Leben am Laufen zu halten. Ehrlich gesagt hätte ich mich auch gerne mal ausgeruht. Es gab viel Streit, und irgendwann beendete er die Beziehung, ohne dass er uns eine wirkliche Chance gegeben hätte.
Mittlerweile ist das zwei Jahre her und er lebt wieder in der gleichen Stadt. Wir haben gemeinsames Sorgerecht. Aber in puncto Wochenendplanung behandelt er mich von oben herab. Wir haben eigentlich eine Absprache (ein Wochenende habe ich die Kinder, das nächste er). Aber er schreibt mir dann am Freitag eine Email, dass er länger arbeiten muss und die Kinder erst Samstag holen kann.
Oder er sagt ein ganzes Wochenende ab, ohne mich zu fragen, ob ich die Kinder überhaupt nehmen kann.
Und ich stehe dann zwischen den Stühlen. Eigentlich brauche ich dringend auch mal wieder Zeit für mich, um mich zu erholen, den Haushalt zu machen, Freunde zu treffen - aber ich möchte den Kindern auch nicht das Gefühl geben, dass sie bei mir nicht willkommen sind oder dass ich sie loswerden möchte. Das kenne ich nämlich von meiner Mutter früher und möchte es nicht wiederholen. Und so mache ich gute Miene zum bösen Spiel und halte mich immer flexibel, um einzuspringen, wenn der Vater absagt.
Er erwartet auch, dass ich mich um alles kümmere (Kindergeburtstage, Arzttermine, Elternabende usw.), aber ihn gleichberechtigt mitentscheiden lasse und über alles informiere. Wenn er dann mal einen Termin vergisst, den er plötzlich doch wichtig fand, dann schreit er mich an, weil ich ihn nicht daran erinnert habe.
Er wird sowieso öfters ausfallend mir gegenüber und droht mir, aber immer so, dass keiner es hört. Mal sagt er mir, dass er die Kinder selbst nehmen würde, mal droht er mir damit, dass er nichts mehr bezahlt oder "dass ich noch sehen sollte, was ich davon habe." Ich habe nichts gemacht! Im Gegenteil, ich bin sehr entgegenkommend und fair, kommuniziere nur noch schriftlich mit ihm, damit er mir nicht das Wort verdrehen kann.
Unser Freundeskreis hält sich raus oder ist längst aufgeteilt in "meine Freunde, seine Freunde". Seine Mutter hält sich auch raus oder vertritt unterschwellig die Botschaft, dass man als Mutter eben zurückstecken müsse für seine Kinder.
Ihm unterlaufen auch oft Fehler, die ich ausbaden kann. Er vergisst es, sie warm anzuziehen und ich bekomme dann Sonntag erkältete Kinder zurück und stecke mich selbst an. Wenn vereinbart ist, dass er ein Geschenk zum Kindergeburtstag besorgt, vergisst er das und behauptet, ich würde das Geschenk dann noch nachliefern. Das ist auch für die Kinder ziemlich peinlich. Oder er setzt sie stundenlang vor den Fernseher, weil er noch arbeiten will. Und sie kommen unkonzentriert und fahrig zurück.
Mittlerweile bin ich völlig erschöpft und zermürbt von seinem Verhalten, seiner Ignoranz, seinen Drohungen und seiner Sturheit. Ich komme nicht gegen ihn an, und letztlich nehme ich es auf mich, die Kinder gut zu versorgen, während er sich dann kümmert, wenn es ihm gerade passt.
Dazu muss ich sagen, dass ich es als extrem unfair empfinde, dass er eine (deutlich jüngere) Freundin hat und mit ihr ein unbesorgtes Leben führt, während ich gar keine Zeit habe, um an eine neue Beziehung zu denken. Und ich glaube, dass kein Mann den Nerv hätte, mit einer Frau zusammen zu sein, die ständig überfordert und aufgerieben ist.
Ich bin so wütend, aber ich lasse die Wut nicht raus. Das ist auch nicht gesund, Und eine Lösung sehe ich gar nicht.
Was können Sie mir raten?
Viele Grüße
Mareike G.
Liebe Mareike G.,
zuerst einmal finde ich es gut, dass Sie sich darüber bewusst werden, wie viel Energie Ihnen durch die toxische Beziehung mit Ihrem Ex-Mann geraubt wird. Das ist sicher keine schöne Erkenntnis, aber immerhin hilft es Ihnen auch dabei, etwas gegen die Verletzungen zu tun und gut auf sich zu achten.
Ich kann mir vorstellen, dass Sie ein Gemisch aus Wut, Trauer und Ohnmacht empfinden, ausgelöst durch sein Verhalten. Es ist sehr unfair, dass er sich dann um die Kinder kümmert, wenn es ihm passt, und nicht, wenn es verabredet ist. Es ist unschön, dass er Sie von oben herab behandelt und Ihre Zeiteinteilung und Freizeit nicht respektiert, indem er die Kinder einfach später abholt.
Und vermutlich tut es Ihnen auch in der Seele weh, dass er nicht nur Sie, sondern auch die Kinder entsprechend seinen eigenen Bedürfnissen behandelt: Wenn er gerade mal Lust auf Kinder hat, macht er etwas mit ihnen. Wenn er etwas wichtigeres zu tun hat, setzt er sie vor den Fernseher oder holt sie erst später ab. Dass er dadurch auch ein Spannungsfeld erzeugt, das die Kinder unbewusst spüren und das bei ihnen eventuell Schuldgefühle oder das Gefühl, nicht erwünscht zu sein, hervorruft, scheint ihm nicht wichtig zu sein.

Dr. Julia Peirano: Der geheime Code der Liebe
Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht, anschließend habe ich zwei Bücher über die Liebe geschrieben.
Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.
Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.
Haben Sie schon versucht, das Jugendamt einzuschalten und zu sehen, welche Beratungsangebote es gibt, die vielleicht für Ihren Mann und Sie verpflichtend sind? Das Jugendamt hat per se das Kindeswohl im Fokus, und wenn Paare mit gemeinsamem Sorgerecht nicht kooperieren und es immer wieder zu Spannungen führt, fällt das in den Aufgabenbereich des Jugendamtes.
Ansonsten wäre es auch möglich, sich bei einer Anwältin oder einem Anwalt für Familienrecht nach der weiteren Vorgehensweise zu erkundigen. Dort können Sie sich auch erkundigen, ob Sie seine Drohungen anzeigen sollten. Allerdings kann es schwierig sein, wenn Sie keine Beweise haben - aber zumindest wäre es schon einmal aktenkundig und eine Botschaft an ihn, dass Sie sich wehren.
Wie Sie sicher schon bemerkt haben, entsteht ein Teufelskreis, wenn ein Partner seinen Verpflichtungen nicht nachkommt und einfach davon ausgeht, dass der andere das ausgleichen wird - also zum Beispiel auf sein freies Wochenende verzichtet, weil der andere die Kinder nicht abholt. Es wäre sicher ganz gut, ein solches, nebenbei bemerkt passiv-aggressives Verhalten von Ihrem Ex-Mann so elegant umzudrehen, dass es plötzlich für ihn selbst unangenehm wird (und nicht mehr für Sie).
Der Vorteil: Sie sind vorbereitet und reflektiert. Die Erfahrungen aus den letzten Jahren haben gezeigt, dass es immer wieder vorkommen kann, dass er die Kinder nicht einvernehmlich später abholt - und damit durchkommt.
Sie könnten an der Stelle ein wenig strategische "Kriegsführung" einsetzen und sich immer einen wundervollen Plan B überlegen, der Ihnen und den Kinder gut tut (und Ihrem Ex-Mann schlecht), wenn er die Kinder nicht rechtzeitig abholt. Ich habe das an der Uni bei einer strengen Dozentin gelernt. Sie hat in den ersten zehn Minuten der Vorlesung immer eine wundervolle Entspannungsübung gemacht. Das einzige Problem: Wer zu spät kam, musste so lange draußen vor der Tür warten. Die Lektion habe selbst ich als chronisch zu spät kommende Studentin schnell gelernt und war fortan pünktlich.
Schreiben Sie ihm doch zum Beispiel, wenn er eine relevante Verspätung ankündigt: "Oje, ich habe an dem Abend schon einen Termin und kann die Kinder nicht länger behalten." Wenn er dann keine Lösung anbietet und Sie ihm Regen stehen lässt, können Sie die Kinder bewusst mitnehmen zu Ihrem Wochenendplan (z.B. ein Wochenende bei Freunden, die 100 km entfernt wohnen). Wenn er einige Male bei Ihnen vor der Tür gestanden hat und Sie und die Kinder weg waren, wird vielleicht auch ein Lerneffekt eintreten. Und Sie haben dafür gesorgt, dass Sie nicht warten, sondern Ihr Wochenende für sich und die Kinder angenehm gestalten.
Ich gehe davon aus, dass er diese Form einer Antwort verstehen wird. Schließlich handelt er selbst aus sehr egoistischen Motiven und kann diese bei anderen Menschen sofort durchschauen. Schlagen Sie ihn am besten mit seinen eigenen Waffen und fragen Sie: Aber was sollte ich denn machen? Ich habe dir ja gesagt, dass ich Pläne hatte an meinem freien Wochenende. Ich kann ja nicht die Kinder einfach alleine lassen…"
Es ist eine gute Idee, die Kommunikation nur schriftlich laufen zu lassen. Das können Beweise vor dem Jugendamt oder Gericht werden, und oft hilft schriftliche Kommunikation dabei, sich besser zu kontrollieren und nicht von Wut gesteuert zu werden. Es wäre sich auch hilfreich, wenn bei den Übergaben immer jemand dabei ist, damit Ihr Ex-Mann Sie nicht einfach bedrohen kann oder es zumindest Zeugen gibt.
Ich würde Ihnen selbst auch wärmstens empfehlen, sich eine psychologische Unterstützung zu holen, damit Sie nicht in einen Burn-out geraten durch die Mehrfachbelastung. Und Sie hätten jemanden an Ihrer Seite, der/die Ihnen hilft, die Angelegenheit von außen betrachtet und mit Ihnen Strategien zur Selbstfürsorge erarbeiten kann, die Sie (und indirekt Ihre Kinder) jetzt dringend brauchen.
Ich wünsche Ihnen alles Gute!
Herzliche Grüße
Julia Peirano