J. Peirano: Der geheime Code der Liebe Seit die Kinder da sind, unternehmen meine Frau und ich nichts mehr miteinander

Ein gutes Elternteam ist nicht automatisch auch noch ein gutes Paar (Symbolbild)
Ein gutes Elternteam ist nicht automatisch auch noch ein gutes Paar (Symbolbild)
© AleksandarNakic / Getty Images
Das Elternsein erfüllt Peer und seine Frau - doch das Paarsein haben sie verlernt. Ist es zu spät, es noch einmal neu zu lernen?

Liebe Frau Peirano,

meine Frau und ich haben zwei Kinder (4 und 2 Jahre alt). Das ist auch eine große Freude und wir haben uns die Kinder sehr gewünscht. Wir kriegten es auch gut hin mit dem Haushalt, den Kindern, Renovierung und unserer Arbeit. Nur eins bleibt auf der Strecke: wir. Seit die Kinder auf der Welt sind, haben wir eigentlich keine Zeit mehr zusammen verbracht, und ausgegangen sind wir auch nicht ohne die Kinder. Am Anfang war meine Frau sehr auf die Kinder fixiert und wollte sie nicht alleine lassen. Aber jetzt ist die Kleine 2 - und ich finde es an der Zeit, dass wir uns auch um uns kümmern.

Für meine Frau ist es schwer, die Kinder loszulassen. Was raten Sie uns?

Viele Grüße

Peer F.

Lieber Peer F.,

es ist wirklich gut, dass Ihnen dieses Ungleichgewicht auffällt! Denn nur wenn es einem bewusst ist, kann man auch etwas daran verändern.

Viele Paare kommen aus den unterschiedlichsten Gründen in die Situation, dass sie ihre ganze Energie in die Kinder, die Familie, die Arbeit und alles, was dort anliegt stecken. Das ist vermeintlich am bequemsten, denn man muss sich nicht um einen Babysitter kümmern. Aber wenn man das weiter so handhabt, bleibt die Paarebene auf der Strecke, und wenn das einem Paar erst später bewusst wurde (wenn die Kinder sich in der Pubertät lösen), hat man sich oft zu sehr voneinander entfremdet.

Außerdem ist es für die Kinder auch nicht so gut, wenn beide Eltern ständig verfügbar sind. Auch Kinder können davon profitieren, mal mit anderen Menschen Zeit zu verbringen oder später Zeit für sich alleine zu haben. Meine Tochter war mal sauer, weil ich sie aus dem Kindergarten abgeholt habe, als sie noch so schön gespielt hatte. Und ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil es schon 16 Uhr war…

Hilfreich kann es sein, mal die verschiedenen Prinzipien anzuschauen, nach denen wir leben. Es gibt das Leistungsprinzip und das Fühlprinzip.

Das Leistungsprinzip stellt Fragen wie:

  • Ist meine Wohnung sauber und aufgeräumt? 
  • Habe ich beruflichen Erfolg?
  • Nutze ich meine Zeit optimal und schaffe ich genug? 
  • Sind die Kinder gut in der Schule und üben sie fleißig Flöte?  
  • Schaffe ich es, noch nebenbei gut Englisch zu lernen oder mich beruflich weiter zu bilden?
  • Und kümmere ich mich genug um die Eltern/ die Kinder?

Sie merken, das klingt nach Anstrengung und nach Planung, nach zielgerichtetem Handeln. 

Das Fühlprinzip bedeutet:

  • Worauf habe ich heute Lust? Ach, herrlich, mit einem guten Krimi in den Liegestuhl. Oder mal wieder tanzen gehen?
  • Was lacht mich denn im Supermarkt an? Ohne Rücksicht auf den Preis und die Kalorien kann eine Packung Himbeeren oder ein Crèmant nicht schaden…
  • Das Fühlprinzip bedeutet: Ich habe Sehnsucht nach Nähe und möchte mal wieder in den Arm genommen werden oder mich in Ruhe aussprechen.
  • Oder: Morgens ohne meinen Lauf im Wald oder mein Morgenyoga fehlt mir etwas.
  • Oder: Ich habe Lust, mit den Kindern herumzualbern oder Verstecken zu spielen, aber Basteln kann ich nicht leiden.

Jeder Mensch und damit auch jedes Paar hat unterschiedliche Schwerpunkte zwischen Fühlprinzip und Leistungsprinzip. Das ist gut zu wissen! Und kein Prinzip ist an sich besser oder schlechter als das andere, sondern der gute Mix macht es.

Wenn ein Paar voll im Leistungsprinzip lebt, ist alles sauber, ordentlich und gut organisiert. Die Abläufe sind klar, es gibt wenig Chaos. Das hat viele Vorteile. Ein Paar, das nur im Fühlprinzip lebt, sitzt vielleicht morgens gemütlich mit der dritten Tasse Kaffee auf dem Balkon, aber auf Dauer machen die ungeöffneten Briefe und Geldsorgen dann doch schlechte Stimmung.

Porträt Dr. Julia Peirano
© Kirsten Nijhof

Dr. Julia Peirano: Der geheime Code der Liebe

Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht, anschließend habe ich zwei Bücher über die Liebe geschrieben. 

Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.

Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.

Sie beide haben anscheinend einen starken Hang zum Leistungsprinzip, und die Aufgabe "gute Eltern sein" und "den Kindern ein stabiles Zuhause" geben und "alles gewuppt bekommen", sind vorrangig. Darüber vergisst Ihre Frau anscheinend auch eigene Bedürfnisse wie "frei und unbeschwert sein", "mal ein paar Stunden nur an mich denken" und "meinem Partner nah sein". Die Liste von Dingen, die ohne Kinder einfacher sind und mehr Spaß machen ist lang: von sportlicher Fahrradtour über ein Picknick im Grünen, Backgammon-Spielen unter alten Bäumen, einen guten Film sehen oder in ein tolles Restaurant gehen.

Ich bin als Verhaltenstherapeutin ein Fan von Verhaltensexperimenten. Wenn man etwas lange nicht gemacht hat und nicht weiß, wie es wird, vertrete ich die Haltung: Einfach mal ausprobieren, dann weiß man Bescheid. Auf die Art bin ich schon mit lächelnden Patientinnen mit 190 km/h über die Autobahn gebrettert, die mir stundenlang erzählt hatten, wie große Angst sie davor haben. Von der Angst war dann in der Realität nichts zu merken. Gut zu wissen!

Mein Vorschlag ist also: Verabreden Sie sich mit Ihrer Frau gleich für diese oder spätestens nächste Woche für einen ganzen Abend oder einen halben Tag am Wochenende. Überlegen Sie, worauf Sie Lust haben. Vielleicht hilft es Ihnen, mal daran zu denken, was Sie früher gerne zusammen gemacht haben. Bestellen Sie einen Babysitter/die Großeltern oder bringen Sie die Kinder zu Freunden, und dann schalten Sie möglichst das Handy ab. Und wer über die Kinder oder organisatorische Dinge spricht, muss eine saftige Strafe bezahlen oder eine besonders lästige Aufgabe erledigen  (nur mal als Gedankenexperiment). Es soll ja gerade mal um Sie als Paar gehen und nicht um eine Teamsitzung als Eltern…

Und dann werden Sie ganz schnell feststellen, ob Sie sich noch etwas zu sagen haben oder Spaß miteinander haben (nur sich bisher die Zeit genommen nicht haben). Und wenn es sich irgendwie fremd oder langweilig anfühlt, wäre das der Anlass, mehr miteinander zu unternehmen und mehr Enthusiasmus in die Planung reinzustecken (da kommt Ihnen das Leistungsprinzip dann gut gelegen). Sie können ja auch regelmäßig einen Tanzkurz besuchen, in eine Ausstellung gehen oder exotische Restaurants ausprobieren. Nur eins sollten Sie nicht tun: Vorzeitig aufgeben. Wenn Sie keine gute Verbindung miteinander haben, wären eher ein paar Sitzungen Paartherapie angebracht, um zu gucken, woran es liegt. Gab es Verletzungen, die nicht aufgearbeitet wurden? Sind Sie sehr unterschiedlich und haben sich auseinander gelebt? Gibt es Machtkämpfe, die über die Kinder ausgetragen werden?

Je eher Sie solche Dinge angehen, desto besser lässt sich das aufarbeiten. Die meisten Paare kommen nämlich leider erst in die Paartherapie, wenn es längst zu spät ist.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen ein paar Anregungen geben!

Herzliche Grüße und: Viel Spaß mit Ihrer Frau!

Julia Peirano

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos

Mehr zum Thema