Liebe Frau Peirano,
es ist mir fast peinlich, das zu schreiben, weil mein Problem erst mal gar nicht wie ein Problem klingt. Aber ich, 24, ziehe Männer an wie ein Magnet. Meine Freundinnen machen schon Witze darüber, dass immer wenn ich ausgehe, ob im Café oder im Supermarkt, Männer auf mich zukommen. Die wollen dann meine Telefonnummer haben, machen mir Komplimente etc., öfter verliebt sich auch mal ein Mann in mich.
Ich habe seit einem Jahr einen Freund und bin sehr glücklich mit ihm. Doch seit sechs Wochen bin ich in Südspanien für einen vier Monate langen Sprachkurs, und zwar ohne meinen Freund.
Hier geht es mit meinen Verehrern wieder los und das nervt. Es sind viele, die mich anmachen, aber am Schlimmsten ist Franco. Ich habe ihn gleich in der ersten Woche in der kleinen Stadt kennengelernt, in der ich den Sprachkurs mache. Er hat mich angesprochen und ich war wohl etwas zu freundlich zu ihm. Um es klarzustellen: Wir haben uns nur ca. 15 Minuten nett unterhalten, sonst nichts! Jetzt ruft er mich dauernd an. Ich rede ab und zu kurz mit ihm, aber er ruft immer wieder an. Er drängelt, dass wir mal eine Tour mit seinem Motorrad drehen sollen. Wenn ich ihm über den Weg laufe, stellt er mich seinen Freunden vor. Er fasst mir manchmal auch um die Taille und das ist mir unangenehm.

Dr. Julia Peirano: Der geheime Code der Liebe
Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht, anschließend habe ich zwei Bücher über die Liebe geschrieben.
Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.
Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.
Ich habe ihm ganz deutlich gesagt, dass ich einen Freund habe. Ihn interessiert das nicht, er sagt dann so etwas wie "Ja, aber wo ist denn dein Freund?". Das finde ich ganz schön frech. Am liebsten würde ich ihm eine Abfuhr geben, aber ich habe Angst, dass ich mich dann hier in der kleinen Stadt nicht mehr blicken lassen kann. So etwas spricht sich bestimmt herum und Franco ist in der Clique der Einheimischen. Außerdem ist es nicht meine Art, arrogant zu sein oder jemanden zu ignorieren. Ich würde ihm gerne auf eine nette Weise klar machen, dass er Abstand halten soll. Aber wie soll ich das anstellen?
Liebe Grüße
Linda S.
Liebe Linda S.,
ich kann mir gut vorstellen, dass Sie sich bedrängt fühlen. Denn Sie können sich in Spanien anscheinend nicht so frei bewegen, wie Sie es gewohnt sind. Es ist schwierig für Sie, alleine auszugehen, denn Sie müssen sich in der Öffentlichkeit gegen Ihre unerwünschten Verehrer verteidigen, die absichtlich die Zeichen ignorieren, die Sie aussenden.
Dazu kommt, dass Sie alleine in Spanien sind und Sie auf Kontakte zu neuen Freunden und Bekannten angewiesen sind. Doch die Suche nach freundschaftlichem Anschluss wird von den Männern missverstanden. Sie sehen eine attraktive Frau ohne männliche Begleitung und denken sich: "Freiwild!". Den Rest kennen Sie: Ihnen werden Verabredungen aufgedrängt, die Sie nicht wollen, und Franco fasst Sie sogar an, obwohl Ihnen das unangenehm ist.
Das ist übergriffig! Außerdem ist es nicht die feine Art, dass Franco seinen Standortvorteil ausnutzt: Er kennt, im Gegensatz zu Ihnen, die Sitten in Spanien, er ist Teil einer Clique und spricht überdies fließend Spanisch. Es wäre in dieser Situation angebracht, Ihnen Schutz und Freundschaft zu bieten und keinen Vorteil daraus zu schlagen, dass Sie alleine unterwegs sind. Ich kann mir gut vorstellen, das Franco sich dieses aufdringliche Verhalten gegenüber einer Spanierin nicht erlauben würde – und wenn, wüsste die Spanierin wahrscheinlich, wie sie sich zu wehren hätte.
Kommentare erwünscht!
Liebe Leserinnen und Leser,
Ihre Kommentare sind eine große Bereicherung für meine Beiträge – vielen Dank und bitte weiter so! Ich freue mich über Ihre eigenen Erfahrungen sowie über Ihre Gefühle und Gedanken beim Lesen der Frage. Aber bitte denken Sie daran, dass hier jemand etwas Intimes von sich preisgibt. Dazu braucht man einen geschützten Raum. Deshalb schreiben Sie bitte stets respektvoll und konstruktiv. Abwertende und gehässige Beiträge (gegen die ratsuchende Person, andere Leser oder gegen mich) werden nicht veröffentlicht, da sie den geschützten Raum gefährden.
Herzliche Grüße, Julia Peirano
Jetzt ist es unbedingt angebracht, dass Sie sich abgrenzen. Gespräche haben wenig Aussicht auf Erfolg, denn bislang hat Franco es nicht ernst genommen, dass Sie von Ihrem Freund erzählt haben. Ein abwesender Partner existiert für ihn nicht. Die harte Tour, z.B. laut zu werden oder seine Hand wegzuschlagen, wenn er Sie berührt, könnte zu einer Eskalation führen. Möglicherweise kommt es zu Handgreiflichkeiten, und in einer Kleinstadt läuft man sich immer wieder über den Weg. Achten Sie zu Ihrem eigenen Schutz auf Ihr Bauchgefühl: Empfinden Sie Franco als potenziell gefährlich? Haben Sie Angst, dass er Ihnen nachstellen oder aggressiv werden könnte? Dann sollten Sie unbedingt Vorsichtsmaßnahmen treffen.
Gut wäre es, sich mit spanischen Frauen zu treffen und Ihnen das Problem zu schildern. Bestimmt lernen Sie von ihnen, wie man sich üblicherweise gegen aufdringliche Verehrer zur Wehr setzt. Und Sie können lernen, ob und wo Sie als Frau alleine hingehen können – und wohin eher nicht, wenn Sie nicht bedrängt werden möchten.
Senden Sie außerdem klare nonverbale Signale, die jeder versteht: Gehen Sie nach Möglichkeit nicht alleine aus, sondern mit Freunden, z.B. aus dem Sprachkurs. Ignorieren Sie Francos Anrufe oder seien Sie kurz angebunden und unpersönlich. Erhoffen Sie sich nicht, dass Franco auf Distanz geht. Er hat bisher nicht feinfühlig oder angemessen auf Ihre Signale ("Halte Abstand, du bedrängst mich") reagiert und übt seine Macht wahrscheinlich auch weiterhin aus.
Wenn er Sie anspricht, benennen Sie die Situation unmissverständlich: Ich habe einen Freund. Warum machst du mich an? Das will ich nicht!
Herzliche Grüße
Julia Peirano