Okay, die Feiertage halbwegs überlebt. Silvesterkater halbwegs verarbeitet. Wieder halbwegs in der Arbeitswelt Fuß gefasst. Halbwegs den Haushalt auf Vordermann gebracht. Kühlschrank aufgeräumt. Inhalt: fünf Flaschen Sekt, eine Flasche Champagner, drei Schoko-Weihnachtsmänner, eine verschimmelte Packung Champignons, Butter. Mmh. Wird wohl vorerst auf ein Plätzchen-Mittagessen (davon habe ich nämlich noch reichlich) hinauslaufen. Sättigende Kohlenhydrate plus Zucker. Damit komme ich hoffentlich bis zum Abend.
Nun mal kurz sammeln. Wäre mal wieder Zeit für eine Kolumne! Doch, ach, fühlte ich mich nur nicht so entsetzlich leer … Es war einfach zuviel, was da in den letzten Tagen auf mich einprasselte. Tausend Dinnerpartys, tausend Mal anstoßen auf 2020, mit tausend lieben Menschen. Ein Körper, der gefühlt nur noch aus Prickelbrause besteht, verlangt nach Ruhe. Tausend Autobahnraststätten angefahren, tausend Mal 70 Cent bei Sanifair eingeworfen, tausend Mal eklige Brötchen gefuttert, auf dem Weg zum nächsten Event. Tausend Mal Drama. Tausend schräge Tanzeinlagen. Tausend Mal durch peitschenden Regen gehetzt. Tausend Mal verschätzt.
Das Traumschiff: Anker in grauen Tagen
Bloß auf eins ist in diesen trüben Zeiten, genannt – Januar – noch Verlass. In der Mediathek des ZDF wartet einer auf mich, dem ich mich nun ganz hingeben möchte: Florian Silbereisen. Der neue Kapitän des "Traumschiffs". Mein Anker in grauen Tagen.

Nein, ich möchte mir jetzt nicht das gehypte Netflix-Drama "Marriage Story" über eine gescheiterte Ehe reinziehen. Auch interessieren mich weder die neue Staffel der Stalker-Serie "You" noch der hochgelobte Neujahrs-"Tatort". Ich habe in 2019 genug Elend gesehen!
Jetzt will ich nur noch eins: strahlend weiße Kapitänsuniformen, Landschaftsaufnahmen von palmengesäumten Traumstränden, seichte Dialoge, keine Story und bitte, BITTE einfach nur ein Happy End. Garniert mit Eisbomben, Zahnpastalächeln und Wunderkerzen.
Gehirn ausschalten, einkuscheln, Knabberkram bereitstellen und 88 Minuten lang kopfschüttelnd schmunzeln. Danke, Florian Silbereisen, dass du deinen neuen Job so ernst nimmst und den Quatsch so engagiert mitmachst. Denn einer MUSS es ja machen. Und du bist perfekt dafür. 7,8 Millionen Deutsche (mit Rest-Alk von Silvester im Blut) sahen das am 1. Januar ähnlich und gaben sich das maritime Kitschfeuerwerk stilecht beim Auskatern. Kann man besser ins Neue Jahr starten? Ich denke nicht.
Ich freue mich schon auf Nachschub dieses Balsams für geschundene Seelen. Dazu kann man übrigens wunderbar "Schiffe versenken" mal anders spielen. Nach den ersten drei Minuten "Traumschiff" auf Stopp drücken, aufschreiben, was man glaubt, wie die "Handlungsstränge" an Bord verlaufen werden, weitergucken – und bei jedem "Treffer" einen Eierlikör trinken. Herrlich!
Was jetzt noch aus den Drehbüchern gestrichen werden muss: alberne Stammtisch-Klischees über Ausländer oder dem Umgang mit Homosexuellen. Das hat dieses Primetime-Schwergewicht nicht nötig, sollte in Sachen Toleranz und Aufgeschlossenheit künftig lieber nach vorne preschen und Vorbild sein. Der Dschungel kommt noch früh genug.