So, Leute,
2020 mach ich’s wie Meghan und Harry – und hau ab. Dafür verzichte ich auf meinen Titel ("Stern-Stimme") und finanzielle Zuwendungen. Nach fünf Jahren endet meine Kolumne "Love from Hell", in der ich mich mit dem – nicht immer einfachen – Liebesleben meiner Generation befasst habe. Dabei habe ich immer versucht eine Stimme zu sein, die Grenzen aufbricht und dahin geht, wo es weh tut, um für mehr Gleichberechtigung, sexuelle Selbstbestimmtheit, Spaß und Lässigkeit im Leben meiner Leser*innen zu sorgen.
Das gefiel nicht allen. Als meine erste Kolumne am 25. April 2015 online ging, wurde ich zwar wahnsinnig gut geklickt, aber gleichzeitig gingen auch viele auf mich los. Einige Leser*innen schworen gar, den stern nie wieder zu lesen, solange ich dort beschäftigt sei. Entlarvend, denn schließlich war ich lediglich online zu lesen.
Eine schlaue Chefredakteurin hat mal gesagt: "Kolumnisten sind nur dann richtig gut, wenn sie von den Leuten leidenschaftlich gehasst werden." Also habe ich wohl alles richtig gemacht. Und mich zudem immer königlich beim Verfassen von so schrägen Headlines wie den folgenden amüsiert: "Schlussmachen mit ,Kevin allein zu Haus’", "Pleite – wegen ständiger JGAs" oder "Was ich im Flieger nach Malle über Sex erfahren MUSSTE (nichts Gutes)").
Welchen Beruf habe ich denn?
Apropos Flieger! Weil Kolumnisten NIE frei haben, habe ich meine Texte auch in jedem Urlaub geschrieben. Ich saß bei 40 Grad auf den Bahamas und suchte verzweifelt nach einem Plätzchen am Strand, wo die Sonne nicht volle Kante auf meinen Laptop knallte, auf einer Dachterrasse am Ganges wurde ich von diebischen Affen umzingelt und im Amazonasdschungel trachtete ich vergeblich nach W-Lan. Die besten Geschichten entstanden übrigens fast immer on the road.
Schräg wurde es mal am Flughafen von Neu-Delhi, als mich ein strenger Mann hinterm Visa-Schalter fragte, was ich beruflich mache.
Ich darauf: "I’m a writer".
Er bohrte nach: "What kind of writer?"
Ich: "Well … I write a weekly column for a German magazine. It’s called ,What I’ve learned about sex´. (Damals hieß meine Kolumne noch "Was ich über Sex gelernt habe").
Er: "Oh." Kurzes Räuspern. Verlegenes Lächeln. Stirn mit Taschentuch abtupfen. "Okay. Thank you. Have a nice trip."
Zu viel Glück ist auch nicht gut
Erstaunlich fand ich die Auswirkungen meines privates (Un-)Glücks auf die Qualität meiner Kolumnen. Meine Freundin Kaja, gleichzeitig Nr.-1-Fan und schärfste Kritikerin, nahm in dieser Hinsicht nie ein Blatt vor den Mund: "Henriette, deine Kolumnen werden immer lahmer, seitdem du glücklich verliebt bist. Wird Zeit, dass du mal wieder leidest!" Oder: "Einfach genial, deine neue Kolumne! Siehste, am Ende hat es sich sogar gelohnt, dass dir der Lurch das Herz gebrochen hat." Oft begriff ich erst beim Aufschreiben (was nicht selten eine therapeutische Wirkung für mich hatte), wie witzig viele Situationen waren.
Allerdings bin ich weder Rainer Maria Rilke noch Amy Winehouse. Im Moment geht’s mir offenbar zu gut. Also höre ich lieber auf, bevor euch und mir noch die Füße einschlafen.
Danke, liebe stern-Redaktion, dass ihr mich all die Jahre stets habt machen lassen und danke, liebe Leser*innen, für eure Treue. Bald wird ein neues Buch von mir erscheinen, das bestimmt wieder kontrovers diskutiert werden wird (so wie ich es mag). Ich hoffe also, wir lesen uns wieder!
Lasst es euch bis dahin gut gehen – und denkt dran: Niemals den Urlaubsflirt nach Hause einladen!
Eure Henriette Hell