Ist. Das. Heiß. Ich bin total überfordert. Habe immer noch keine neuen Sandalen. Dachte, das kann ich mir sparen und gleich zu Stiefeletten übergehen. Aber nichts da.
Im Büro läuft’s ähnlich kompliziert: Wenn ich das Fenster öffne, weht ein laues Lüftchen – durchzogen von dem Erdbeer-Tabak-Aroma von der Shisha-Bar gegenüber. Was ist nun schlimmer: Schwitzen oder Erdbeer-Brise?
Nach Feierabend in den Garten legen geht auch nicht, weil Bauarbeiter seit drei Monaten meine Terrasse okkupieren. Irgendwo im Haus sei ein Leck. Auf der Suche danach wird reichlich geraucht, Bier getrunken und geflucht. Kippenstummel und Dosen landen zielsicher in meinem Beet. Da geh ich erst wieder raus, wenn die fertig sind.
Wenn es so lange so heiß ist, sucht man irgendwann nach Ausreden, um auch mal wieder einen Abend ohne schlechtes Gewissen auf dem Sofa verbringen zu können. Ich habe gleich zwei! Der Wendler und seine Laura – unzensiert im "Sommerhaus der Stars". Umweltfreundlicher Nebeneffekt: Jedes Mal, wenn der Wendler oder Willi Herren zu Wort kommen, fröstelt’s mich vor lauter Fremdscham.
Auch das Freibad im Problemviertel um die Ecke verspricht Abkühlung. Der "place to be" für heiße Tage. Nirgendwo sonst bekommt man so eine krasse Dröhnung "Mitmenschen" aus allen sozialen Schichten serviert. Einfach hinlegen, so tun, als würde man lesen – und Leute gucken.

Henriette Hell: Love from Hell
Henriette Hell wurde 1985 geboren und arbeitet als Journalistin/Autorin in Hamburg und unterwegs auf ihren Reisen rund um den Globus. Ihr Buch "Achtung, ich komme! In 80 Orgasmen um die Welt" ist 2015 erschienen und wurde prompt zum Bestseller. 2017 folgte "Erst kommen, dann gehen – Die Sexbibel fürs 21. Jahrhundert". Henriette schreibt gerne, ehrlich und lässig über Sex, weil sie findet, dass das viel zu wenig Leute tun.
Capital Bra, Kippen und Pommes-Tüten
Auch hier riecht’s gefährlich nach Erdbeer-Tabak. Und Pheromonen. Weiß ja jeder: Hitze steigert die Libido, weil unser Körper besser durchblutet wird und durch die Sonne zusätzlich Glückshormone ausgeschüttet werden. Die Shisha-rauchende Jungsclique, welche in Sachen Optik und Intellekt ohne Probleme mit dem "Bachelorette"-Cast mithalten kann (Kompliment oder Beleidigung? Entscheiden Sie selbst!), versucht mit lauter Mucke auf sich aufmerksam zu machen. Zum Leidwesen aller Feingeister favorisieren sie Capital Bra. Den Girls, Typ Möchtegern-Kardashians, auf der Picknickdecke daneben gefällt’s. Ui. Hätten sie mal lieber einen Sonnenschirm mitgenommen. Ihr Contouring läuft ihnen in kleinen braunen Bächen die Hälse hinunter, als wäre es Schokoladeneis …
Zeit für Pommes! Ein pausbäckiger, etwa 12-jähriger Junge raucht Kette, während er mit seinem noch dickeren Papa, ebenfalls leidenschaftlicher Nikotin-Junkie, vor mir in der Schlange vor der Imbissbude wartet. Eingecremt hat sich offenbar keiner von beiden. Die paffen und brutzeln und reiben sich die krebsroten Plauzen.
Da soll nochmal einer sagen, Magerdruck regiere die Welt. Im Freibad, herrscht "Body-Positivity" an allen Fronten! Hier darf man noch "Mensch" sein, hier zeigt jeder, was er hat – und weil alle gleich sch…schön aussehen, kann niemand etwas gegen den anderen sagen. Ist doch heute eh total überflüssig, sich mit Diäten zu quälen. Ich meine, wozu gibt’s Instagram-Filter?! Eben.
Überflüssige Pfunde kann man sich zur Not auf der Wasserrutsche abtrainieren. Treppe hochwatscheln, Badehose zwischen die Arschbacken klemmen – und Attacke! In letzter Instanz kann man sich seine Mitmenschen auch einfach "schönsaufen", denn ab 14 Uhr ist an der notdürftig zusammengezimmerten Beachbar "Happy Hour". Caipi! Mojito! – bis einem der Schädel platzt. Angeschickert ist gut flirten. Allein muss hier keiner nach Hause gehen. Aus dem Ghettoblaster dröhnt mittlerweile: "Vamos a la playa". Pfff, nö, danke. Sofa reicht.