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C. Tauzher: Die Pubertäterin Sweet 16? Das Töchterchen geht feiern und wer bleibt wach?

Ein Teenagermädchen vor Neonlicht auf einer Party
Weil das Töchterchen sicher nach Hause kommen soll, wird es natürlich abgeholt von einer 40 Kilometer entfernten Party. Nachts um drei. Überhaupt kein Problem.
© Max Okhrimenko / Unsplash
Die Freundin der Tochter wird 16, da kann das pubertierende Kind natürlich nicht um Mitternacht zu Hause sein. Christiane Tauzher bleibt wach, um es um drei Uhr morgens abzuholen. Ewige Dankbarkeit? Naja, die Party ist längst verwaist, als sie ankommt.

Es war 1 Uhr nachts, im Fernsehen lief "The Hole – Wovor hast Du Angst?", der Hund lag ausgestreckt wie ein erlegtes Reh neben mir auf der Couch, ich tätschelte gedankenverloren seinen Kopf und schaltete den Ton lauter. Nur nicht einschlafen. In "The Hole" stieg gerade ein blutiges Mädchen mit Hinkebein aus dem Loch im Boden, und ich schaltete um zu einem Uralt-Bond mit Pierce Brosnan.

Nach zwei Minuten platter Dialoge kehrte ich zum Loch zurück. Ich holte mir ein Glas Wasser. Hunger hätte ich auch gehabt, aber um diese Zeit zu essen, ist natürlich ungesund und setzt sich sofort auf Oberschenkel und Hüften ab. Der Hund rollte sich auf seine halbe Größe ein, seufzte und ich rückte etwas nach. "The Hole" ging in die Werbepause. Noch eine Stunde durchhalten. Der Olaf wollte mit mir wach bleiben. Seit er den kleinen Bruder der Teenagerin ins Bett gebracht hatte, war er nicht mehr aufgetaucht.

"Ja, wir holen dich ab", hatte er der Wombi versprochen, "nein, du musst nicht mit dem Shuttle fahren" und "ist doch logisch. Kein Problem für uns." Wir!!!!!!!!

Alles schläft, nur eine wacht ...

Vierzig Kilometer von uns entfernt war Party angesagt. Die Freundin unserer Tochter feierte ihren 16. Geburtstag und logischerweise konnte man bei so einem Jahrhundertereignis nicht verlangen, dass die Wombi um Mitternacht zu Hause sein muss. Von den Eltern der Gastgeberin war ein Shuttle angemietet worden, um die Gäste nach der Party wieder in die Stadt zu karren. Von dort hätte die Wombi wieder ein Taxi zu uns aufs Land nehmen müssen. Berechnete Ankunftszeit: 5 Uhr.

"The Hole" ging weiter. Ich nickte ein. Dreißig Minuten später schreckte ich hoch, weil sich der Hund zum Glück streckte und mir sein Hinterbein in die Rippen rammte. Ich holte mir zum Wachbleiben Chips und fraß die Tüte in Rekordgeschwindigkeit leer. 2 Uhr. "The Hole"-Ende. Zwei Espressi später stellte ich fest, dass mein Magen etwas gegen Transfette in Verbindung mit Koffein hatte. Ich setzte noch einen Pfefferminz-Kaugummi drauf, stieg in Olafs Jogginghose und einen löchrigen, aber kuscheligen Sweater und trat auf die dunkle, stille Gasse hinaus. Es wehte eine kühle Brise, mich fröstelte. Mein Magen rumorte und hielt mich wach.

Auch das noch: ein leerer Tank!

Als ich das Auto startete, blinkte die Zapfsäule rot auf. Mist! Der Tank würde nicht bis Bad Fischau reichen. Am Anfang der Autobahn bog ich in eine 24-Stunden-Tankstelle ein. Der Diesel lief gurgelnd in den Tank, ich lehnte mit geschlossenen Augen daneben. "So spät und so alleine, schöne Frau?" Neben mir waren zwei Typen in Unterhemden aufgetaucht. Ich hätte sie mit meinem Kaffee-Chips-Kaugummi-Atem anhauchen können und sie wären auf der Stelle eliminiert gewesen. Aber ich war spät dran. Also zog ich mir Olafs Jogginghose hoch, versperrte das Auto und ging bezahlen. Die Jungs schimpften mich eine Spielverderberin und Langweilerin. Sie hatten so verdammt Recht.

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"Ich sage es jetzt zum allerallerletzten Mal! Storys aus dem fast perfekten Alltag einer Mutter", von Christiane Tauzher, Goldegg Verlag, 14,95 Euro

Tote Hose auf der Party

Um 2.30 Uhr war richtig viel los auf der Autobahn. Ich schob Helene Fischer in den CD-Player und sang bei offenem Fenster mit. Die Dunkelheit legte sich bleiern auf meine Augenlider. "Bleib wach", schrie ich mich an. Ich trommelte auf das Lenkrad. Endlich: runter von der Autobahn.

Ankunft Partylocation: 2.55 Uhr. Die Wombi erwartete mich schon. Das Haus hinter ihr sah verwaist aus. Keine Musik. Jemand trug einen prall gefüllten Müllsack heraus.
"Äh, war es nicht lustig?", fragte ich. "Doch", antwortete die Wombi, "aber das Shuttle ist zwei Stunden früher gekommen, weil es einigen nicht so gut gegangen ist." Ach, es war "einigen nicht so gut gegangen"?! Ich fragte nicht nach, woran die, die zwei Stunden früher abgeholt worden waren, gelitten hatten.

Die Wombi sah normal aus. Sie wankte nicht und sie lallte nicht. Als wir im Auto saßen, fragte ich sie, warum sie nicht mit den anderen um 1 Uhr zurückgefahren war. "Die, denen es gut gegangen ist, die sind noch dageblieben. Und außerdem wolltest du mich doch abholen." Die Wombi hatte die Autolehne in die Liegeposition gekurbelt.
"Ja, klar", wiederholte ich, "ich wollte dich abholen." Helene Fischer durfte ich auf der Heimfahrt nicht mehr hören. Die Wombi sagte, sie sei nicht in der Verfassung "für diesen Schrott".

Christiane Tauzher: Die Pubertäterin

Seit die Pubertät unsere Tochter, die Wombi, kurz nach ihrem 13. Geburtstag in ihre Gewalt bekommen hat, halten wir die Fenster geschlossen, damit die Nachbarn nicht die Polizei rufen. Die Pubertäterin ist laut und unberechenbar, wenn sie nicht gerade wie ein Wombat schläft oder isst – was sie zum Glück oft tut.

Die Geschichten, die ich – Journalistin, 41, aus Wien, verheiratet mit Olaf, 46 – hier erzähle, handeln natürlich nicht von der Pubertäterin in meiner Familie. Nein. Sie entspringen meiner blühenden Fantasie oder stammen aus anderen Familien. Dort geht es nämlich arg zu – in den anderen Familien ...

Fast alles schläft, eine wird geweckt

"Danke, dass du mich abgeholt hast", sagte sie, als wir zu Hause ankamen. "Habe ich gern gemacht." Ich ließ mich wieder neben den Hund auf die Couch fallen. Jetzt war ich hellwach. "The Hole" lief in der Wiederholung. Um 6 Uhr hatte ich den Film, ohne ein einziges Mal gähnen zu müssen, durch. Vor Falltüren aller Art würde ich mich für den Rest meines Lebens fürchten.

Die Vögel begannen bereits zu zwitschern. Der Hund streckte sich. Mein Körper fühlte sich an wie ein nasser Sack. Die Müdigkeit traf mich plötzlich wie eine Keule. Ich ließ mich niederstrecken. Für dreißig Minuten. Bis der Kleine an meinem Pullover zog und sein Frühstück verlangte. "Ich stehe schon auf", sagte ich und taumelte, gezogen von der kleinen Hand eines Fünfjährigen, in die Küche. Jeder Knochen tat mir weh, mein Kopf dröhnte, ich fühlte mich gerädert, ausgelaugt, fertig, um Jahre gealtert, kraftlos, am Ende.

Aber ich werde es immer wieder tun: mein Kind nach Hause holen.

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