Wenn sich demnächst ein Modell genüsslich ein Kaubonbon in den Mund schiebt und dazu säuselt: "Ohne Fett", dann müsste künftig dazu gesagt werden "Aber mit viel Zucker". Die Nahrungsmittelindustrie in der Europäischen Union darf in Zukunft nicht mehr mit falschen Gesundheitsversprechen für ihre Produkte werben. Denn nach einem Beschluss des EU-Parlaments sollen künftig für Werbesprüche auf Lebensmittel europaweit strengere Regeln gelten. Das Bundesverbraucherministerium sprach von einer "klaren Verbesserung beim Verbraucherschutz" und im Kampf gegen Übergewicht. Verbraucher müssen sich auf die Werbeaussagen bei Lebensmitteln verlassen können.
Neue Marketingregeln für bestimmte Lebensmittel
So dürfen Produkte mit gesundheitsbezogenen Angaben wie "Kalzium verringert das Risiko für Osteoporose" in Zukunft nur dann verkauft werden, wenn das wissenschaftlich nachgewiesen wurde. Markennamen wie "Slimfast" (schnell abnehmen), wo der Name bereits Werbung ist, dürfen nach einer Übergangszeit von 15 Jahren verboten werden. Die neuen Marketingregeln gelten auch für Lebensmittel mit einem hohen Gehalt an Zucker, Fett oder Salz wie Kartoffelchips, Fruchtquark, Cornflakes oder Tomatensaucen.
So genannte risikobezogene Aussagen wie "reduziert Herzinfarktgefahr" müssen sogar ein Zulassungsverfahren durchlaufen. Ein Grenzwert darf überschritten werden, allerdings muss darauf klar und deutlich hingewiesen werden. Auch nährwertbezogene Werbung mit Angaben wie "ohne Fett" oder "reich an Ballaststoffen" unterliegt künftig strengerer Kontrolle: Wenn "arm an Zucker" auf der Verpackung steht, muss auch erwähnt werden, wenn der Fettgehalt besonders hoch ist.
Regeln müssen bis 2009 umgesetzt werden
Hersteller von fett- und zuckerreichen Nahrungsmitteln müssen künftig auch Warnhinweise auf ihren Produkten anbringen, wenn sie mit positiven Angaben wie "enthält Vitamin C" werben. Die Regeln sollen in den nächsten drei Jahren nach und nach in Kraft treten. EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou begrüßte die Entscheidung. Die Regelungen garantierten den Verbrauchern in Europa wahrheitsgemäße und wissenschaftlich gestützte Informationen.
Die Grünen nannten die Entscheidung einen "Meilenstein für den Verbraucherschutz". "Die Industrie kann Verbraucher nicht mehr mit falschen Heilsversprechen wie 'Bonbons mit Vitamin E machen fit' in die Irre führen", sagte die Grünen-Europaabgeordnete Hiltrud Breyer. Die Christdemokraten sprachen jedoch von "kaum greifbarem Nutzen für die Verbraucher". Auch deutsche Verbraucherschützer äußerten sich positiv zu der Entscheidung: "Die heutige Entscheidung bringt den Verbrauchern mehr Transparenz", sagte die Vorsitzende des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Edda Müller.
Belegen statt behaupten
Es werde künftig eine fairen Wettbewerb geben zwischen denen, die Gesundheitseffekte belegen könnten und denen, die das bloß behaupteten, betonte Müller. Der Bundesverband sieht in dem Beschluss zudem einen wichtigen Schritt im Kampf gegen Übergewicht und Fehlernährung. "Bisher konnten Frühstücks-Flakes für Kinder mit Hinweisen wie 'enthält viele wichtige Mineralstoffe' auch dann noch als Wellness-Produkte vermarktet werden, wenn sie fast zur Hälfte aus Zucker bestanden", erläuterte Müller.