Sie isst essbare Haarbürsten und Champagnerflaschen, knabbert an Macarons und Schokoriegeln – und das alles ganz nah am Mikrofon. Die Geräusche, die sie beim Kauen macht, treiben den Kontostand der 27-Jährigen nach oben. Naomi McRae hat das geräuschvolle Essen professionalisiert. Millionen Menschen schauen die Youtube-Videos der Kanadierin. Es sind auch Millionen, die sie mit diesen verdient.
Sie war eine Teenagerin, 16 Jahre alt, als sie im Internet auf ein Video stieß. "Ich bekam sofort dieses intensive Kribbeln oben auf meinem Kopf, auf meinen Schultern und auf meinem Rücken", erzählt McRae dem "Mirror". Anders als man bei diesen Worten vermuten könnte, handelte es sich dabei aber nicht um einen erotischen Streifen. Zu sehen war eine Frau, die während sie auf einen Spiegel klopfte, flüsterte. McRae konnte nicht genug davon bekommen: "Sagen wir einfach, ich war von diesem Tag an süchtig." Die Kanadierin hatte ASMR für sich entdeckt. Eine Entdeckung, die ihr Leben verändern sollte.
ASMR steht für "Autonomous Sensory Meridian Response", was übersetzt so viel bedeutet wie unabhängige sensorische Medienreaktion. ASMR beschreibt ein wohltuendes Gefühl, das sich vom Kopf aus über den Körper ausbreitet und auch als "Gehirnorgasmus" bezeichnet wird. Der Effekt wird als zunächst euphorisierend und dann entspannend beschrieben. Ausgelöst wird die Reaktion durch Trigger, meist handelt es sich bei diesen um Geräusche, zuweilen im Verbund mit visuellen Reizen.
Als ASMR-Vorkauerin zur Millionärin
McRae nutzte die Videos zur Entspannung, sie halfen ihr, besser einzuschlafen. Jahrelang war die Kanadierin ausschließlich Konsumentin von ASMR-Videos. Vor fünf Jahren startete sie dann mit einem eigenen Youtube-Kanal. Am Anfang habe sie nur klassische ASMR angeboten wie Klopfen und Flüstern, dann entdeckte sie die Marktlücke "Muk-Bang". Bei diesem Video-Trend aus Südkorea werden übergroße Portionen vor laufender Kamera verzehrt. Nachdem sie den Fokus ihres "HunniBee"-Kanals auf eine Kombination aus Muk-Bang und ASMR-Videos ausgerichtet hatte, schnellten die Abonnentenzahlen nach oben. Binnen drei Monate hat sie die Marke von einer Million geknackt, inzwischen folgen der 27-Jährigen fast acht Millionen Menschen. Längst ist das Kauen zu ihrem Hauptberuf geworden, laut eigenen Angaben verdient sie damit im Monat etwa eine Million Dollar, was etwa 940.000 Euro entspricht.
Beliebt sind die Videos von McRae auch, weil sie nicht nur 0815-Speisen verzehrt, sondern immer wieder auch kulinarische Kuriositäten anbietet wie eben Snacks, die aussehen wie Gegenstände, aber essbar sind. Und die entstehenden Kaugeräusche sind Musik in den Ohren ihrer Fans. "Ich bekomme so viele Nachrichten von Müttern, die mir sagen, wie sehr es ihren Kindern hilft, sich zu entspannen und einzuschlafen", berichtet sie. Allerdings bekomme sie auch "seltsame, kranke" Anfragen. So wurde sie beispielsweise gefragt, ob sie an einer Gurke lutschen könne, ganz nah am Mikrofon natürlich. Andere wünschen sich Video-Inhalte, in denen ihre Füße zu sehen sind. Doch auch diese Negativ-Erfahrungen können McRae die Lust am Vorkauen nicht vergällen. Sie sagt: "Ich liebe meine Arbeit absolut. Ich würde sie gegen nichts auf der Welt eintauschen."