Messerschleifer Horl-2 im Test Stumpfe Küchenmesser scharf gerollt

Der Horl Rollschleifer im Test
Der Rollschleifer Horl-2 im Testbetrieb. Auf die Trommel lassen sich wahlweise drei Schleifscheiben aufschrauben. Links die Standardscheibe aus Industriediamant, in der Mitte die Schleifscheibe mit 3000er Edelkorund, daneben 6000er Edelkorund. Edelkorund kommt auch bei Nassschleifsteinen zum Einsatz, beim Horl bleiben sie jedoch trocken. Das Messer wird durch einen starken Magneten an der Schleiflehre gehalten.
© Henry Lübberstedt
Spätestens wenn das Küchenmesser an der Tomate abrutscht, sollte es geschärft werden. Geräte gibt es reichlich. Ein Freiburger Tüftler kam auf eine simple, aber effektive Idee und sein Sohn machte daraus ein Produkt. Wir haben den HORL-Rollschleifer getestet.

Otmar Horl ist Tüftler. Er selbst mag diese Bezeichnung eigentlich nicht, verrät sein Sohn Timo. Horl Senior ist ein Konstrukteur, beruflich und privat. Einer, der ein Problem sieht und sich Lösungen ausdenkt. Gern auch über Nacht. "Der legt sich mit einem technischen Problem ins Bett, steht morgens mit der Lösung auf, setzt sich an den Computer und skizziert seine Idee", sagt Timo über seinen Vater. Die Idee, die seinem Leben und das der Familie Horl eine neue Wendung geben sollte, entstand 1993 – und verschwand danach für viele Jahre im Keller.  

Horl ging damals ein Problem nicht aus dem Kopf: Wie bekommt man stumpfe Küchenmesser möglichst idiotensicher wieder scharf? Nicht nur irgendwie scharf, sondern verlässlich mit einem stabilen Schleifwinkel. Diese "Winkeltreue" ist der heilige Gral der Messerschleiferei. Messer werden gemeinhin ab Werk mit einem Schleifwinkel zwischen 15 und 20 Grad geschliffen. Je feiner das Messer desto steiler der Winkel. Die Kunst besteht nun darin, auch beim Nachschärfen diese Winkel beizubehalten. Von Hand auf dem Schleifblock erfordert das viel Übung. Horl kam die Idee einer Schleifrolle mit einer Diamantscheibe, mit der man am Messer auf- und abrollt. Er tüftelte daran herum, baute Prototypen, verfolgte das Projekt jedoch nicht weiter und verstaute die Arbeit im Keller.

Vater Ottmar Horl und sein Sohn Timo.
Vater Ottmar Horl und sein Sohn Timo. Papas Erfindung spielt heute in der Familie Horl im Wortsinn einen "große Rolle".
© HORL

"Ist das nicht Dein Messerschleif-Gedöns?", fragte Horls Sohn Timo gute zehn Jahre später seinen Vater beim gemeinsamen Kellerausmisten. Timo betrachte den Prototypen aus einer anderen Perspektive, aus der eines Marketingexperten. "Das Ding war irgendwie cool. Außerdem, wer kann in dem Bereich schon mit einer echten eigenen Erfindung aufwarten?", erinnert er sich. Vielleicht könne man daraus ein Produkt machen. Immerhin hatte sich die Lage am Küchenmarkt seit den Neunzigern gravierend verändert.

Messerschleifer liegen im Trend

3,2 Millionen Abrufe, 1,8 Millionen Abrufe und 1 Millionen Abrufe – was diese Zahlen verbindet? Es sind die drei am häufigsten angeschauten deutschsprachigen You-Tube-Videos zum Thema Messerschleifen.  Nein, niemand schleift dort nackt oder zerteilt mit geschärfter Klinge ganze Tiere. Messerschärfen interessiert auch ohne Sensationen. Küchenschlachten im TV, regalmeterweise Kochbücher und Rezept-Communities wie Chefkoch.de - das anspruchsvollere Kochen steht seit Jahren hoch im Kurs. Viele geben für ihre neue Küche den Gegenwert eines Mittelklassewagens aus. Wichtigstes Werkzeug allen kulinarischen Schaffens: das Messer.

Zwar gibt es zig verschiedene Klingenformen, doch zur Grundausstattung in der Küche gehören lediglich drei: das Universal-Küchenmesser mit der breiten 20 Zentimeter langen Klinge, das Kochmesser mit 12 oder 16 Zentimetern und das Gemüsemesser mit 9 Zentimetern Länge. Bei Fleisch- und Fischfans steckt noch ein Filetiermesser im Holzblock. Ur-Omas-Merkspruch "Wer billig kauft, kauft zwei Mal", hat vor allem bei Messern ungebrochene Gültigkeit. Selbst wer oft und gern Zuhause kocht, braucht selten mehr als ein hochwertiges Messerset im Leben. Hochwertig beginnt ab 100 Euro – mindestens. Gängige Kochmessermarken sind Zwilling, Wüsthof, WMF oder Newcomer wie Germancut aus Solingen. Doch selbst hochwertige Messer werden mit der Zeit stumpf. Der Stahl gleitet nicht mehr durch die Tomate, er zerdrückt frische Kräuter, statt sie zu zerteilen und das Schneiden von Fleisch wird zur Säbelarbeit.

Im Schleifwinkel liegt die Kraft

Ein Jahr lang wetzen Vater und Sohn für diesen Markt im Wortsinn die Messer. "Wegen mir sieht es gut aus, wegen meines Vaters funktioniert's", erklärt Timo Horl den schließlich 2017 auf den Markt gebrachten "Horl-Rollschleifer". Die Idee hinter dem Schleifer ist, wie bei vielen guten Einfällen, erfrischend simpel. Auf einer 500 Gramm schweren Trommel steckt auf einer Seite eine Schleifscheibe aus Industriediamant, auf der anderen Seite eine Keramikscheibe für das Abziehen der Klinge. Beide Scheiben ruhen im Kugellager der Trommel und funktionieren mit ihren umlaufenden Gummiringen auf der Küchenarbeitsplatte wie Leichtlaufräder. Das Messer wird an einen kleinen Holzblock angelegt, dessen kurze Seite in einem Winkel von 15 Grad angeschrägt ist. Ein starker Magnet hält das Messer in Position, während mit der Rolle an der Schneide entlanggefahren wird. Nach dem Schleifen wird die Rolle umgedreht und die Klinge mit der Keramikscheibe abgezogen. Erst das Abziehen sorgt für die glatte Schnittfläche und damit für Schärfe. Im Test klappte das bei sieben Messer unterschiedlicher Länge und Breite ausgezeichnet. 

Der Horl Rollschleifer im Test
So geht's: Das Messer wird durch die Schleiflehre in einen Winkel von 15 oder 20 Grad gekippt. Nun mit der Rolle an der Schneide entlangfahren. Im Test funktionierte das einfacher und genauso gut wie mit dem Nassschleifstein links im Hintergrund. 
© Henry Lübberstedt

Verglichen mit anderen Schärfern ist der Horl Rollenschleifer mit rund 140 Euro eine Investition. Dennoch kommt er im Markt gut an. Vielleicht liegt der Erfolg nicht nur daran, dass das System schlicht sehr gut Messer schärft, sondern weil Timo Horl den richtigen Marketingriecher und ein Auge für das Design hatte. Die kleine Rolle in Nussholz ist ein eleganter Handschmeichler, der in der Küche selbst dann eine gute Figur macht, wenn er einfach nur rumsteht. Die zahlreichen alternativen Produkte verströmen dagegen den Plastikflair einer Küchenmaschine, die man lieber zur Kartoffelpresse und Eierschneider im Unterschrank verstaut. Und den Industrieprodukten fehlt noch etwas, was derzeit in den Zeitgeist passt: eine emotionale Geschichte rund um Familie und Nachhaltigkeit mit einem Schuss Lokalkolorit.

Eine "große Rolle" in der Familie

Davon hat der kleine Rollschleifer reichlich. Er ist ein Schwarzwälder Familienprodukt. Über die Verkaufszahlen wird geschwiegen, es müssen jedoch so viele sein, dass aus der einstigen Vater-Sohn-Idee ein Familienbetrieb erwachsen konnten. Heute kümmert sich Timo Horl um die Produkt- und Standortentwicklung, seine Frau hat als Geschäftsführerin alle operativen Abläufe im Griff, seine Mutter verwaltet die Retouren, sein Vater treibt die Technik voran und weitere Familienmitglieder arbeiten als Angestellte in leitenden Positionen. Mittlerweile hat Horl über 30 Mitarbeiter. Produziert wird im beschaulichen Freiburg.

Vier Jahre nach dem Horl kam die zweite Version heraus. Beim Horl-2 laufen die Rollen geschmeidiger und die Schleiflehre bekam neben dem 15 Grad Winkel einen mit 20 Grad dazu. Mit dem Horl Cruiser wurde ein vereinfachtes Einsteigermodell mit festen Schleifscheiben ins Programm genommen. Beim "normalen" Horl-2 lässt sich die Diamantscheibe optional durch Scheiben aus Edelkorund der Körnungen 3000 und 6000 ersetzen. Damit wird es dann auch bei harten Klingen mit hohem Kohlestoffanteil richtig scharf. Beim Pro-Modell konnte sich Otmar Horl austoben. Seit seiner Ausbildung als Techniker an einer Uhrmacherschule hat er ein Faible für feinste Getriebe. Im Inneren des 300 Euro teuren "Meisterstücks", wie es im Prospekt heißt, werkelt ein Planentengetriebe. Bei einer einzigen Rollbewegung rotiert die Schleifscheibe drei Mal.

Messerschlifer im Vergleich
Keine Frage, wer von den diesen Schleifgesellen eine optisch bessere Figur in der Küche macht. 
© Henry Lübberstedt

Messerschleifen braucht Zeit

"Ein reines Liebhaberstück", kommentiert Timo Horl. Auch die gebe es unter den Messerschärfern. Es sind im positiven Sinne Nerds, die viel Geld für Messer ausgeben, Klingen sammeln und in Sachen Schleifen eigenen Philosophien folgen. Doch insgesamt habe sich die Zielgruppe in den vergangenen Jahren stark egalisiert. Verkauft wird in 800 Ladengeschäften, der Online-Vertrieb habe jedoch klar die Nase vorn. Neben dem deutschsprachigen Raum käme der Schleifroller auch in Frankreich gut an.

Und die Zukunft? "Wir haben auf Facebook einen ‚Rollschleifer-Owners-Club‘ in dem auch gern über Features diskutiert wird. Da gibt es Stimmen, die sich immer mehr Schärfe oder diese und jene Technik wünschen. Doch vieles entfernt sich von unserer Philosophie. Unsere Produkte sollen schlank bleiben und vor allem Spaß bringen", erklärt Timo Horl. Freude sollte es auch machen, schließlich benötigt eine gute Schärfe Zeit. Fünf Minuten pro Seite mit dem Diamantschleifer sollten es schon sein, danach nochmal zwei Minuten mit der Keramik. Lange Messer schleift man am Besten in zwei Schritten: Erst die vordere Hälfte der Klinge, dann den hinteren Bereich. Mit den Edelkorundscheiben auf härterem Stahl braucht es noch ein wenig länger. Doch wenn das Messer hinterher wie von selbst durch das Schnittgut gleitet, ist der Aufwand schnell vergessen.

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