Adieu "Kartoffelfresser"- die Deutschen lieben heute Tomaten und geben dafür mehr Geld aus als für Kartoffeln. Bye-bye "Krauts" - auch Weißkohl, ob sauer oder nicht, ist die längste Zeit unsere Lieblingsspeise gewesen. "Spargels" sollten uns die Nachbarn besser nennen. Keinem anderen Gemüse (Kartoffeln sind keins) räumen wir so viel Anbaufläche ein wie der weißen, leicht süßlichen Stange. Von Nord bis Süd, von Winsen/Luhe bis ins bayerische Schrobenhausen, sind es fast 19.000 Hektar, fast doppelt so viel wie vor zehn Jahren.
Deutsch muss der Spargel sein, der bei uns auf den Tisch kommt. Kein anderes Volk pflegt das noble Gemüse so sehr wie wir. Nirgends schmeckt es aber auch so gut wie bei uns. Klar gibt es immer ein paar Präpotente, die zur Frühware aus Griechenland greifen. Doch das ist Supermarktware, dafür kramt kein Kenner den Sparschäler heraus.
Der wahre Stangenverehrer harrt in der Regel bis Mai aus und macht sich erst über den hiesigen, den frisch gestochenen Spargel her. In diesem Jahr deutete alles auf eine späte Ernte hin. Nasskälte im Februar, Frost im März und späte Schneefälle schienen den Lauf der Natur zu verzögern. Der Frühling war im Vergleich zu den Vorjahren drei Wochen später dran.
Nützliche Wendefolien
Auch Alfons Hester im westfälischen Waltrop musste sich gedulden. Sonst ist er in der Gegend der Erste, der den Spargel sticht, denn über eingegrabene Rohrschlangen beheizt er seine Felder mit der Abwärme eines Kraftwerks, was den Spargel sprießen lässt. Doch in diesem Jahr war seine Anlage, für die er vor neun Jahren 200.000 Mark ausgegeben hatte, nutzlos. Das Stromkraftwerk war tagelang abgeschaltet - offenbar mangels Bedarfs wegen der Wirtschaftskrise.
Aber jetzt herrscht Kaiserwetter, und der Spargel schießt. Bis zu sieben Zentimeter wächst er an einem Tag, und die Bauern helfen, das ist heutzutage üblich, mit riesigen schwarz-weißen Wendefolien nach. Damit selbst spärliche Sonnenstrahlen den Boden wärmen, wird erst die schwarze Seite nach oben gespannt - so wächst der Spargel schneller. Später im Mai, wenn die Temperaturen steigen, drehen die Bauern die Bahnen um. Die weiße Seite wirkt lichtabweisend und hält die Wärme ab, dann kommen die Stangen nicht so schnell, und die Preise bleiben stabil.
Was empfindsamere Gemüter vielleicht als widernatürliche Gewächshaustechnologie betrachten, sorgt jedenfalls dafür, dass der Spargel feiner wird. Professor Peter-Jürgen Paschold, Fachgebietsleiter Gemüsebau an der Forschungsanstalt in Geisenheim, preist die Folie: "Sie sorgt für eine gleichmäßige Reife, speichert zudem die Feuchtigkeit und wirkt dadurch einer vorzeitigen Verholzung entgegen. Das verbessert insgesamt den Geschmack."
Die Suche nach der vollkommenen Sorte
Fleißige Züchter tragen überdies dazu bei, dass die "Schmeichelei des Gaumens", wie der ältere Cato das feine Gemüse einst nannte, möglichst früh im Jahr auf den Markt kommt. Wahre Wunderpflanzen haben die Agro-Pioniere geschaffen: gleichmäßig und von geradem Wuchs, glatt und mit stets geschlossenen Köpfen, fast frei von harten Fasern und widerstandsfest gegen Schädlinge. Gijnlim heißt eine in Deutschland sehr häufig angebaute Sorte. Sie stammt von dem Saatzüchter Limseeds im niederländischen Horst bei Venlo.
Solche Beschreibungen erinnern natürlich an die notorisch makellos aussehenden, stets wurmfreien Äpfel, die nie braune Stellen bekommen, aber auch kaum Aroma haben. Nicht wenige Spargelbauern trauern deshalb alten Sorten wie Schwetzinger Meisterschuss oder Ruhm von Braunschweig nach. Doch Paschold hält wenig von derlei Nostalgie. "Die neuen Sorten sind hervorragend", sagt er. "Die Züchter bei uns und in Holland nehmen sich auch des Themas Geschmack längst wieder verstärkt an."
Dennoch kann Spargel höchst unterschiedlich schmecken - aus anderen Gründen allerdings als beim Wein. Am stärksten ist es die Witterung, die das Spiel der Aromen beeinflusst. Dabei machen die Wärme und die Feuchtigkeit des Bodens ungemein viel aus. Später Spargel ist deutlich milder und weniger bitter als Stangen aus der frühen Ernte.
Die Blamage des "Spargelpapstes"
Die Herkunft? Eher unwichtig, auch wenn manche Dörfer werben, bei ihnen wachse die beste Ware. "Das ist Marketing", sagt der Herr Professor und lächelt mild. Anders als beim Wein, dessen Aromen etwa vom Schiefer oder Muschelkalk entscheidend geprägt werden, spielt die Art des Erdreichs beim Spargel keine besondere Rolle. Selbst erfahrene Tester können nicht herausschmecken, ob die Stangen nun aus Schwetzingen, Walbeck oder Beelitz kommen.
Und wenn sie es doch versuchen, können sie sich böse blamieren: Die Erzeuger in Schrobenhausen nahe Ingolstadt, die alljährlich eine Spargelkönigin wählen und stolz auf ihr Spargelmuseum sind, werben kräftig mit dem Spruch: "Auf den Boden kommt es an." Im Jahr 2004 kündigte der damalige Bürgermeister Josef Plöckl - Beiname: "Spargelpapst" - an, die Köstlichkeiten aus heimischer Erde unter anderer Ware blind herauszuschmecken. Vor laufender Kamera schnupperte und kaute er. Was er dann schließlich zweifelsfrei als seinen Schrobenhausener Spargel erkannte - "typisches Nussaroma" -, kam leider aus Polen.
"Für den optimalen Geschmack von Spargel gibt es vor allem ein entscheidendes Kriterium", sagt Paschold, "und das ist die Frische." Morgens gestochen und abends auf den Teller, so heißt seine Empfehlung. Einmal dem Boden entrissen, gibt das Gemüse ständig Energie ab. Eine Kiste mit Spargel erwärmt über Nacht einen kleinen Raum um ein Grad Celsius. Selbst wenn sie in ein Tuch eingeschlagen wird, verliert die Delikatesse an Aroma und verholzt unaufhaltsam.
Kundige Genießer kaufen ihren Spargel darum auf dem Wochenmarkt oder beim Gemüsehändler ihres Vertrauens. Der weiß, wo und wann geerntet wurde. Und wer das Glück hat und in einer Spargelgegend wohnt, fährt bis zum Mittag selbst zum Bauern. Frischer geht's nicht.
Worauf es ankommt
Beim Kauf gilt: Ein paar Stangen aneinanderreiben - quietschen sie, dann sind sie frisch. Ferner die Schnittstellen beachten: Sind die Enden noch nicht ausgetrocknet und geben auf leichten Druck noch etwas Flüssigkeit ab? Perfekt.
Ein Postversand quer durch die Republik dagegen kostet viel Geld und lohnt höchstens bei wirklich schlechter Versorgungslage. Auch wenn die Ware aus Schwetzingen oder Beelitz noch so einen dollen Ruf genießt - frischer lokaler schlägt den Bestellspargel.
Und welche Färbung ist nun optimal? Kleiner Ausflug in die Malerei: Es gibt ein Bild des französischen Impressionisten Edouard Manet, das einen Bund Spargel mit auffällig violetten Köpfen zeigt. Was früher die Regel war, gilt heute als Fehler. Die meisten Verbraucher wollen ihren Spargel weiß in weiß. Eine Violettfärbung entsteht, wenn die Spargelspitzen für einige Zeit das Sonnenlicht sehen. Das passiert aber nur, wenn die Stecher gepennt haben oder anderweitig beschäftigt waren.
Aufgeklärte Feinschmecker fahnden aber nach genau diesen rosafarben-violetten Stangen. Sie schmecken nämlich wesentlich intensiver und enthalten zudem mehr wertvolle Stoffe, neben Vitamin B und C vor allem gegen Krebs vorbeugende Anthocyane. Preiswerter sind sie auch noch. Und was schmeckt am besten zur bleichen Stange? Ganz klar: zerlassene Butter oder Hollandaise, natürlich selbst gemacht.
Das Getränk dazu
Achtung beim Wort "Spargelwein"
Nicht alles, was sich so nennt, passt auch wirklich zu dem Feingemüse
Bernd Russbach, Winzer im rheinhessischen Eppelsheim, freut sich derzeit über den reißenden Absatz seines "Silvaner Classic". Das liegt vor allem am Etikett, auf dem ein Bund Spargel abgebildet ist. Als Russbach den Wein im Februar füllte, konnte er natürlich noch nicht probieren, ob der tatsächlich zum edlen Gemüse passen würde. Doch hat er das Spargeletikett nicht aus Daffke gedruckt und aufgeklebt - er hat, sagt der Mann, so seine Erfahrungen aus vielen Proben in den vergangenen Jahren. Seiner Meinung nach musste der Silvaner "Schmelz und einen Hauch Süße" haben. Dann sollte sich schon eine geschmackliche Harmonie einstellen.
Russbachs Gefühle trogen. Sein Silvaner, an sich ein angenehmer frühlingsfrischer Tropfen, passt sicher prächtig zu Hühnchen oder zum Schnitzel. Aber mit Spargel tut er sich schwer. Das liegt an der ausgeprägt fruchtigen Note, vor allem an der schmeckbaren Süße. Alle Jahre wieder, wenn's in Deutschland auf Mai zugeht, preisen die deutschen Winzer "Spargelwein" an, ohne recht zu wissen, wie ein solcher Schluck eigentlich beschaffen sein soll. Da werden sogar Rieslinge mit dieser Bezeichnung angeboten, obwohl die mit ihrer knackigen Säure und Pfirsich-Aprikosen-Aromen nun überhaupt nicht gehen. Aber welche Sorte passt dann?
Der stern wollte es genau wissen und testete 90 unterschiedliche deutsche Weißweine auf ihre Spargeltauglichkeit. Eindeutige Erkenntnis am Ende der aufreibenden Probe: Das Gemüse der Könige geht nur in Ausnahmefällen ein geschmackliches Bündnis mit dem Blut der Reben ein. Unter den Proben waren hervorragende Gewächse, die in Verbindung mit Perlhuhn oder mit Loup de Mer gewiss hellstes Entzücken hervorgerufen hätten. Doch die feinerdigen, zartbitteren Aromen des Spargels wurden damit schlichtweg erschlagen. Mit Riesling, Sauvignon blanc, Scheurebe, Kerner, Bacchus oder Traminer ist da gar nichts zu machen. Infrage kommen dafür Silvaner, Müller-Thurgau, Gutedel, Weißburgunder und Grauburgunder. Etwas reifere Weine sind besser als der jüngste Jahrgang.
Wichtig ist,
dass der Wein einigermaßen neutral schmeckt, eine weiche Säure hat und trocken ist. Die modernen Kellermeister streben aber überwiegend ein stimmiges Süße-Säure-Spiel an, verbunden mit herzhaft fruchtigen Aromen - wundervoll etwa zu Kalb in Morchel-Rahmsoße. Aber nicht zu Spargel. Bei der umfangreichen Probe erwiesen sich gerade mal acht als brauchbare Begleiter zu dem edlen Gemüse.
Ausgerechnet die billigste Füllung war die beste Wahl, ein schlichter 2008er Gutedel vom Winzerkeller in Auggen zu 3,95 Euro, Tel.: 07631/368 00, www.auggenerwein.de
Ebenfalls gut die folgenden sieben: 2008er
Müller- Thurgau QbA "Frank & Frei"
trocken vom Weingut Römmert in Volkach (Franken) zu 5,70 Euro, Tel.: 09381/23 66, www.weingut-roemmert.de
2008er
Grauburgunder Kabinett
trocken von Heiner Sauer in Böchingen (Pfalz) zu 6 Euro, Tel.: 06341/611 75, www. weingut-sauer.com
2007er
Lump Silvaner Spätlese
trocken von Rainer Sauer in Escherndorf (Franken) zu 9,30 Euro, Tel.: 09381/25 27, www. weingut-rainer-sauer.de
2007er
Böchinger Rosenkranz Chardonnay Spätlese
trocken von Theo Minges in Flemlingen (Pfalz) zu 10 Euro, Tel.: 06323/933 50, E-Mail: info@weingutminges.com
2008er
Bienenberg Auxerrois Kabinett
trocken von Bernhard Huber in Malterdingen (Baden) zu 10,80 Euro, Tel.: 07644/12 00, www.weingut-huber.com
2008er
Grüner Sylvaner "S"
QbA trocken von Battenfeld-Spanier in Hohen-Sülzen (Rheinhessen) zu 11,50 Euro , Tel.: 06243/90 65 15, www.battenfeld-spanier.de
2003er
Silvaner Spätlese
trocken vom Weingut Brüder Dr. Becker in Ludwigshöhe (Rheinhessen) zu 18 Euro, Tel.: 06249/84 30, www.brueder-drbecker.de