Straußenfleisch Die dämliche Diva

  • von Andrea Walter
Viele Metzger führen es, selbst in Supermärkten liegt es: Straußenfleisch. Aber woher kommt es? Und wachsen die seltsamen Vögel auch anständig auf? Der stern hat sich im Herkunftsland umgesehen, in der Halbwüste Südafrikas.

Der beste Strauß ist der tote Strauß", sagt Jack Klass und tippt Zahlen in die Rechenmaschine. Das sei die Grundregel, Straußenpolitik eben, "und die einzige Möglichkeit, Geld zu machen". Sobald die Tiere 90 Kilo wögen, erklärt der Straußenzüchter, würden sie geschlachtet und alles an ihnen werde verarbeitet.

So ist das in Oudtshoorn ("Autsworren" gesprochen) - "Straußenland", wie Klass es nennt. Die meisten der heute weltweit verbreiteten Strauße schlachten sie in Südafrika, und den größten Teil davon in der Umgebung von Oudtshoorn, einer kleinen Stadt knapp 350 Kilometer östlich von Kapstadt. Mitten in der Kleinen Karoo, einer Halbwüste, "in der du", laut Klass, "nichts anderes tun kannst als Strauße züchten". Vorausgesetzt, du bist Geschäftsmann und hast gute Nerven. Straußenzucht ist ein Balanceakt mit einem eigenwilligen Tier und Produkten, die dem Diktat der Mode unterliegen - egal, ob es um Federn, Leder oder Fleisch geht. Kurzum: Dieser Vogel ist die schlimmste Diva, die man sich vorstellen kann.

Daran denkt keiner, wenn er in Deutschland ein Straußensteak in den Einkaufswagen packt. Dass das Fleisch - genau wie das argentinische Rindfleisch - vom anderen Ende der Erde kommt. Dass es dort unter Umständen entsteht, die radikal anders sind als die für unsere Schweine und Hühner. Nur wie genau geschieht das? Wo und wie leben die Viecher, und ist es okay, sie zu essen?

Guten Morgen und guten Abend sagen

"Du musst immer bei ihnen sein", sagt Piet Schoeman, dem die Farm Buffelsdrift am Ortsausgang von Oudtshoorn gehört, wo er mit Frau, drei Kindern und 16.000 Straußen lebt. "Du musst ihnen 'guten Morgen' und 'guten Abend' sagen." Und weil Schoeman nur am Telefon hängt, Strauße kauft, Strauße verkauft, hat er einen Manager, der die Tiere hegt und pflegt.

Der heißt Japie. Es ist kurz nach sechs Uhr morgens, Japie Potgieter steht auf der Straße und schaut einer Horde rennender Strauße entgegen, einem dunklen Teppich mit Hunderten von Hälsen, einer nervösen Beinparade, einem irren Getrippel. Mittendrin Farmarbeiter mit erhobenen Armen. Sie treiben die Tiere, denn die müssen umziehen, in ein anderes Gehege. Auf ein Feld mit frischer Luzerne, der feinblättrigen Futterpflanze.

Das ist das Wichtigste bei den Langhälsen: dass sie fressen, zwei bis drei Kilo Luzerne und Kraftfutter am Tag. Dazu sollen sie viel trinken. Als Wüstentiere halten sie es zwar lange ohne aus, doch wenn sie nichts trinken, haben sie keinen Appetit, kommen nicht schnell genug auf 90 Kilo und liegen den Farmern auf der Tasche.

Futter, Wasser, Pflege

Tagein, tagaus düsen Japie und seine Arbeiter auf dem Bakkie, so heißen die Pick-ups in Südafrika, über das 10.000 Hektar große Farmgelände. Er baut Grünzeug an oder die Wasserversorgung aus, klappert die Gehege ab, füttert die Vögel, siedelt sie um und - je nach Saison - rupft ihnen die Flügelfedern, damit die umso größer und schöner nachwachsen. Zur Brutzeit schickt Potgieter seine Männer mit Pferden in die Brutgehege, um Nistplätze auszuspähen. Etwa 15 Eier legt eine Henne pro Saison. Haben die Arbeiter eines entdeckt, fährt Potgieter mit dem Bakkie vor. Einer der Männer rennt zur Eiermulde und holt sie so behutsam wie wachsam heraus. Stets Ausschau halten nach den Tieren! Strauße können nicht nur treten, sondern auch töten, mit dem Zehennagel ihrer monströsen Füße.

Was sonst noch wichtig ist? Lange Mittagspausen, sagt Potgieter, gerade im Sommer bei über 40 Grad. In der Hitze dürfe man nicht mit den Tieren arbeiten: weil Strauße leicht einen Herzinfarkt bekommen. Auch das noch!

Hätte man nicht einen solchen Respekt vor ihren Tritten, würde man die Strauße überhaupt nicht ernst nehmen: Sie sind Vögel, aber können nicht fliegen. Nicht mal singen. Regen ruiniert ihre Frisur, da hocken sie sich auf den Boden. Ihre Federn enthalten nämlich kaum Öl, deshalb werden sie klitschnass.

40 Gramm Hirn

Wie Diven Diamanten lieben, lieben Strauße alles, was glänzt. Unermüdlich picken sie daran herum. Dumm sind sie also auch. Schon in der Bibel steht, Gott habe ihnen die Weisheit versagt. 40 Gramm wiegt ihr Hirn, bei bis zu 120 Kilo Körpergewicht. Können die Viecher denn gar nichts? Wenigstens sehen sie gut, bis zu fünf Kilometer weit. Und rennen können sie, bis zu 70 km/h.

Noch etwas: Strauße fressen Steine, für die Verdauung. Zum Zermalmen des Futters im Muskelmagen, denn sie haben keine Zähne. Sie fressen alles, was ihnen in die Quere kommt. Die Jüngeren schlucken auch mal ein zu großes Stück Holz - und sterben daran, erzählt Potgieter. "Die können so dämlich sein."

Derweil schlüpft in Oudtshoorn der Farmnachwuchs. Dicht an dicht liegen die Eier in den Schubladen der beheizten Holzschränke. Aus manchem ragt schon ein kleiner Schnabel oder ein Fuß. Einige Frauen helfen beim Befreiungsakt, brechen die Schale auf und holen eine Handvoll Strauß heraus.

Nach der Geburt geht es auf die Wellnessfarm

Mit nassem Federkleid sieht das Knäuel mehr nach Igel als nach Vogel aus. Gefährlich sind sie nicht, dafür aber in Gefahr: Strauße haben eine hohe Jungtiersterblichkeit, die Kleinen ein schlechtes Immunsystem. Deshalb geht es nach der Geburt gleich auf die Wellness-Farm, einen Hof in der Großen Karoo, weiter nördlich, wo es heißer ist und die Nesthäkchen wohnen, bis sie vier, fünf Monate alt sind.

Dann erst kommen sie zurück und unter Potgieters Fittiche. Da bleiben sie, bis sie 12, 14 Monate alt und noch immer Jungfrauen sind - geschlechtsreif sind sie erst mit zwei bis drei Jahren. Bis dahin werden sie gehegt und gepflegt. Bis dahin sagt Potgieter ihnen "guten Morgen" und "gute Nacht" und macht sich manchmal über sie lustig. Aber am Ende des Tages steht er in seinem Bakkie im Gehege und greift zum Fenster hinaus, in einen Schwarm sich neugierig reckender Straußenhälse. Zieht einen Strauß zu sich heran und küsst ihm auf den Schnabel. Weil auch er ihnen verfallen ist - den dämlichen Diven.

Die Liste ihrer Verehrer ist lang. Schon die alten Ägypter waren scharf auf Straußenfedern und verewigten sie in ihren Hieroglyphen. Später schmückten sich Ritter, Marie Antoinette und nach ihrem Beispiel so viele andere feine Damen mit den Federn aus Nordafrika und Arabien, dass man die Tiere beinahe ausrottete. Die Geldquelle drohte zu versiegen. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts begann man deshalb mit der Zucht. Die Südafrikaner zäunten das Land ein, lernten, Luzerne anzubauen und Wasser zu kanalisieren. Als einer auch noch den Straußenbrutkasten erfand, war der Weg für den Boom frei. Aus Bauern wurden Barone. Ihre viktorianischen Paläste sind noch heute zu sehen.

Alles wird verwertet

Wie es sich für Diven gehört, produzieren sie Skandale. Oder fallen ihnen zum Opfer: Standen die Federn 1913 nach Gold, Diamanten und Wolle noch auf Platz vier der Exportgüter Südafrikas, kam 1914 der Kollaps. Aus, Ende, vorbei - wegen Überproduktion, des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs und der Legende nach auch wegen der Einführung der Autos. In die nämlich passten ausladende Federhüte nicht rein. Federn waren out, viele Farmer pleite.

Erst in den 1960er und 1970er Jahren kapierten die Farmer, dass der Vogel mehr zu bieten hat: Haut, aus der man Leder machen kann, weich und haltbar zugleich, mit extravaganten Noppen, wo mal die Federn saßen. Außerdem: muskulöse Schenkel zum Verspeisen - Fleisch, das ähnlich wie Rind schmeckt, kaum Fett hat, kaum Cholesterin und wenig Kalorien. Heute wird das Geld zu 62 Prozent mit dem Leder gemacht, zu 34 Prozent mit dem Fleisch und nur noch zu 4 Prozent mit den Federn.

Und so geht's den Vögeln an den Kragen: Ein Lkw voller Strauße hält vor dem Schlachthof Mosstrich in Mossel Bay, eine Autostunde von Oudtshoorn entfernt. Die Klappe geht auf, die Strauße rennen los, wie über einen roten Teppich. Ein letztes Mal. Sie schnappen mit den Schnäbeln, halten an, gucken doof. Das Gehege vor der Schlachterei ist ihre letzte Station, bevor es in den Schlachtraum geht. In Einzelbehandlung. Der Kopf kommt in einen kleinen Kasten. Ein betäubender Stromstoß, ein paar Fußfesseln, und schon hängt das Tier kopfüber. Ein Schnitt in die Hauptschlager am Hals, dann ist die Diva Legende.

Langsam wird sie ausgezogen: Erst sind die Federn dran, dann kommt die Haut. Die wird behutsam abgelöst. Jeder ungeschickte Messerschnitt kostet, denn er schmälert den Lederpreis. Nackt fährt der Straußenkörper weiter zu den Zerlegestellen. 17 verschiedene Filet- und Steakschnitte bietet der Strauß, alles aus den Keulen. 18 Kilo feines Exportfleisch bringt ein Strauß, zusätzlich noch acht bis zehn weitere Kilo Randstreifen für Gulasch oder Würstchen. Selbst der Hals wird noch gegessen.

"Guck dir das an", sagt Schlachtereileiter Ollie Taljaard, greift sich ein Filet und stößt seinen Zeigefinger in das Fleisch, in dem er mühelos und tief versinkt. "Hast du jemals so weiches Fleisch gesehen? Mit Rind kannst du das nicht machen." Ähnlich wie Wild hat Straußenfleisch wenig Fett. Deshalb soll man es auch höchstens medium garen, auf keinen Fall gut durch. "Das ist das Geheimnis", sagt Taljaard. "Wenn es zu lange brät, kannst du es wegtun."

Eigentlich kann man für Strauß jedes Rindfleischrezept verwenden. "Die meisten Leute schmecken gar nicht den Unterschied", sagt Taljaard. Er natürlich schon. Schließlich ist er Experte. Außerdem Fan. Noch einer.

Lesen Sie auf der nächsten Seite ein Rezept für Straußensteaks mit Mango-Ragout

Gegrillte Straußensteaks mit Mango-Ragout

Für 4 Personen
Fleisch: 4 Straußensteaks von je 150 g; 2 EL grob zerstoßene Korianderkörner; 1 TL grob gemahlener schwarzer Pfeffer; 1 TL Honig; 1 EL Olivenöl plus Olivenöl für die Grillpfanne; 1 EL Zitronensaft;
Ragout: 1 große oder 2 kleine reife, aber feste Mangos; 1 Streifen dünn abgeschälte Bio-Orangenschale (ca. 1 x 4 cm); 1 kleine Chilischote; 1 haselnussgroßes Stück Ingwer; 20 g Butter; 50 ml frisch gepresster Orangensaft; Salz; 8-10 Zitronenmelisse-Blättchen

1

Steaks kalt abspülen und mit Küchenpapier trocken tupfen. Gewürze, Honig, Olivenöl und Zitronensaft vermischen, Steaks damit einreiben und beiseitestellen.

2

Für das Ragout die Mango schälen, das Fruchtfleisch in ca. 1 cm dicken Scheiben vom Kern und dann in Streifen schneiden, diese halbieren. Orangenschale quer in sehr feine Streifen schneiden. Chilischote längs aufschneiden und entkernen, den Ingwer schälen, beides sehr fein würfeln.

3

Butter in einem kleinen Topf erhitzen. Mango, Orangenschale, Chili und Ingwer darin unter Rühren 1 Minute dünsten. Orangensaft dazugießen und aufkochen. Das Ragout mit wenig Salz abschmecken und beiseitestellen.

4

Den Backofen auf 150 Grad vorheizen. Eine Grillpfanne mit ofenfestem Griff stark erhitzen und mit Olivenöl einfetten. Die Steaks auf jeder Seite je nach Dicke 1-2 Minuten grillen. Das Fleisch nach jeder Minute wenden, dann in der Pfanne in die Backofenmitte schieben und 13-15 Minuten garen.

5

Kurz vor Ende der Garzeit das Mango-Ragout erhitzen. Die Hälfte der Zitronenmelisse in kleine Stücke zupfen und unterrühren. Die Steaks mit Mango-Ragout auf vorgewärmten Tellern anrichten und mit der restlichen Zitronenmelisse garnieren. Sofort servieren.

Zubereitungszeit: ca. 40 Minuten.


Tipp:

Dazu passt am besten Basmatireis. Die Mangostücke nicht zu klein schneiden, damit sie beim Kochen nicht zerfallen.
Rezept: Erika Casparek-Türkkan

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