Es gibt einige, die halten Johann Zieser für größenwahnsinnig. Wenigstens. Das kann schon mal passieren, wenn einer mit einer Anekdote hausieren geht, die an Eitelkeit schwer zu überbieten ist. Johann Zieser erzählt gern und auch jedem, der es vielleicht gar nicht wissen will, wie er einmal beim Direktor eines Sternehotels vorstellig wurde. Da präsentierte er sich als der beste Schnapsbrenner der Welt. Kann nicht sein, sagte der Direktor, die macht doch der Zieser aus Riegersburg. Genau, sagte Johann Zieser, und der sitzt jetzt vor Ihnen. Klingt nach Größenwahn. Ist es aber nicht.
Es wird auch Menschen geben, die behaupten, dieser Johann Zieser brenne höchstens die zweitbesten Schnäpse der Welt, allerhöchstens. Aber beweist das etwas?
Geht es nach den Preisen, die Zieser für seine Schnäpse verlangt, dann ist er der Beste nicht. Denn Zieser ist zwar teuer - allerdings längst nicht der Teuerste. Die 0,75-Liter-Flasche seiner Himbeere kostet 110 Euro. Apfel, Kirsch und Birne liegen darunter, aber nur knapp. Von seinem Himbeerschnaps, von dem Kenner schwärmen, er wäre flüssiges Manna, kann Zieser gar nicht so viel liefern, wie nachgefragt wird. Was sind da schon 110 Euro?
Seit 30 Jahren brennt Johann Zieser Schnaps. Alles, was er über das Destillieren weiß, hat er sich selbst ertüftelt. Akribisch wie ein Bastler, der das erste Modell der "Queen Mary" baut, pedantisch wie ein Wissenschaftler. Versuche über Versuche, jahrelang. Bis er zufrieden war, jedenfalls halbwegs. Und trotzdem sagt dieser Mann, der so stolz ist auf seinen Erfolg, dass er einem manchmal fast ein wenig arrogant vorkommt: "Ich bin Bauer. Kein Brenner."
Nichts als falsche Bescheidenheit. Wenn Zieser brennt, dann brennt er um sein Leben. Dann gilt für ihn nur eines: Qualität, allerhöchste Qualität! Und sonst gar nichts. "Wenn die Qualität nicht wirklich stimmt, dann kommt die ganze Charge in den Ausguss", sagt Zieser. Keine Kompromisse. Das überlässt er lieber den anderen.
Als Zieser Anfang der Siebziger den Dienst als Außendienstmitarbeiter einer Getränkefirma quittierte, um selbst Schnapsbrenner zu werden, war ihm klar, dass das Außergewöhnliche, was er wollte, nur mit absolut perfekter Planung gelingen konnte. Zieser suchte lange und kaufte dann acht Hektar Land mit Blick auf die mittelalterliche Riegersburg. Des Klimas wegen.
Die Kirschen seiner heute 1500 Kirschbäume sind "die süßesten Österreichs", sagt er. Zufall, Glück gehabt? Nichts davon, sagt Zieser. Die Burg strahle auch dann noch Wärme ab und lasse seine Kirschen wachsen, wenn andere schon nicht mehr wüssten, wie die Sonne aussehe. In dieser Zeit bekommen die Kirschen des Johann Zieser den entscheidenden Schub, der sie einzig macht und damit auch das Destillat.
Der Obstbrand-Meister aus der Steiermark will und braucht Perfektion. Erst muss alles ganz schnell gehen, dann ganz langsam. "Die Frucht", sagt Zieser, "darf nur kurz von Baum oder Strauch unterwegs sein. Je kürzer der Weg, desto besser." Eine knappe Stunde gibt Zieser etwa seinen Kirschen bis zum Entkernen. Jede Minute, die sie länger brauchen, verschlechtert die Qualität. Luftlinie direkt, sagt Zieser, das wär' das Beste.
Kein Apfel, der schon am Boden gelegen hat, kommt in die Maische, keine Birne, keine Vogelbeere, keine Himbeere. 25 Frauen, die Zieser "meine Damen" nennt, ernten in der Saison pro Tag 3000 Kilogramm Kirschen. Kirschschnaps ist bei Zieser (fast) immer zu haben. Vogelbeere und Himbeere sind immer knapp. Aus 1000 Liter Vogelbeermaische, angesetzt mit selbstverständlich selbst gezüchteter Hefe, werden schließlich gerade mal elf Liter Schnaps.
Die Kapazitäten Ziesers sind da schnell erschöpft. 1500 Kirsch-, 400 Quitten- und Vogelbeerbäume und dazu noch 1600 Himbeer- und Brombeersträucher an den Rändern der Wälder rund um seinen Hof, und alles per Hand bearbeitet und abgeerntet - ein Wunder, dass Johann Zieser bei so viel Arbeit sein heiteres Gemüt bewahrt.
Wenn er in seinem Brennraum steht, den ein Destillierapparat mit elektrisch aufgeheiztem Wasserbadkessel füllt, dann wird aus dem Schnaps-Promoter, der Besucher mit einem übergroßen Schlüssel in den Händen empfängt, dem "Schlüssel zu meinem Paradies", ein Liebhaber. Vielleicht sogar ein Besessener. Auf jeden Fall ein Perfektionist.
"Wenn wir uns etwas nicht erlauben können, dann Stillstand", sagt er. "Veränderung muss sein." Immer wieder. Unaufhörlich. Nicht weil er Veränderung so sehr lieben würde, sondern "weil das Produkt besser werden muss". Immer besser. "Ich bin erst bei 35 Prozent", sagt er. Wenn Zieser 50 Prozent der Qualität, die er für möglich hält, tatsächlich erreichen sollte, dann wird er vermutlich abheben. Und die Konkurrenz? Die darf einpacken.
Zieser brennt seine Schnäpse mit großer Sorgfalt. Der Vorlauf, also der Teil des Destillats, der beim Brennen zuerst aus dem Hahn läuft, fließt bei Zieser direkt in den Ausguss. Genauso wie der Nachlauf. Andere verwenden den und damit auch die darin enthaltenen Fuselöle, die Zieser hasst wie Fallobst. Bei ihm kommt ausschließlich das sogenannte Mittelstück in die Flasche, die "Seele des Schnapses". Und die Seele muss rein sein wie ein Neugeborenes.
Die Technik kann viel, aber sie kann nicht alles. "Wenn die Maische anfängt zu gären, dann spricht die Frucht wieder zu mir", sagt Zieser, und wenn das Destillat zu tröpfeln beginnt, dann ist es so weit, die glücklichste Stunde im Leben des Brenners Johann Zieser: "Der Schnaps beginnt zu mir zu sprechen." Klingt ein wenig, als habe er schon abgehoben.
Um sich ihm dabei anschließen zu können, ist es hilfreich, die Zieserschen Schnäpse zu probieren. Die haben, jenseits aller Metaphysik und allen Wohlgeschmacks, auch einen ganz praktischen Nutzen. "Schnaps ist Medizin", sagt Zieser. Und noch viel mehr. "Kirsche regt die Verdauung an - und passt bestens zu Parmaschinken oder Carpaccio. Quitte harmoniert perfekt zu Wild und Geflügel. Und wenn ich in der Nacht Lust auf ein Schnitzel hab, dann nehm ich dazu immer einen Apfelschnaps. Der hilft auch gegen Kratzen im Hals." Die berühmte Ziesersche Himbeere ist etwas für geistig Interessierte. Weil sie so rar ist wie die Feingeister, für die sie gemacht ist.
"Mein Hof ist mein kleines Paradies", sagt Zieser. Er könnte auch sagen: Ich lebe schon im Paradies. Aber das sagt er nicht. Vielleicht, weil es sogar für einen so von sich Überzeugten an Blasphemie grenzt. Oder weil vielleicht doch noch etwas von dem in ihm ist, was dem Super-Brenner aus Riegersburg längst kaum einer mehr abnimmt: Bescheidenheit. "Verzichten ist manchmal besser", sagt Zieser, "man muss nicht immer alles haben." Wasser zum Beispiel. Das brauche er nicht, sagt er. "Ich habe ja meine Schnäpse."
Johann Zieser, A-8333 Riegersburg, Hofberg 66, Tel.: +43/31/53 73 30, Fax: 53 74 80