Das wünschen wir uns wohl alle: ein langes Leben in einem gesunden Körper und mit einem wachen Verstand. Vielen von uns gelingt es leider nicht, das Laufen fällt den meisten Menschen im Alter schwerer und auf den Verstand ist bei Alzheimer- und Demenz-Erkrankten nicht mehr so richtig Verlass. Dass es Orte auf der Welt gibt, an denen auffällig viele Menschen diesen Verfall von Körper und Geist nicht erleiden, klingt da wie ein Wunder – ist es aber nicht.
Dan Buettner ist Experte und dem vermeintlichen Wunder auf die Spur gekommen. Er ist der Entdecker der Blue Zones: jener Langlebigkeits-Hotspots, in denen die Menschen besonders gesund altern. Dazu zählen Ikaria in Griechenland, Sardinien in Italien, Loma Linda in Kalifornien, Okinawa in Japan, die Nicoya-Halbinsel in Costa Rica und seit Kurzem auch Singapur, wo gesundheitsfördernde Regierungsmaßnahmen die Lebenserwartung erhöhten. Buettner arbeitet seit 2004 mit "National Geographic" und dem National Institute on Aging zusammen, und hat die genannten Regionen ermittelt, in denen die Menschen messbar besser und länger leben. Anschließend reiste er mit Wissenschaftlern an jeden der Orte, um charakteristische Merkmale in der Lebensweise der Menschen zu ermitteln, die die ungewöhnlich hohe Lebenserwartung erklären könnten. 2005 veröffentlichte er in "National Geographic" eine Titelgeschichte, "The Secrets of Long Life", die später zu einem Buch anwuchs, das nun auch auf Deutsch erschienen ist.
Müssen wir jetzt alle auswandern?
Wohl nicht, Büttner jedenfalls hat es an keinen dieser Orte verschlagen, der Amerikaner lebt in Florida. Er möchte vielmehr mit seiner Organisation, die ebenfalls Blue Zones heißt, Menschen dabei helfen, ein gesünderes, glücklicheres und längeres Leben zu führen – egal wo. "Nicht, dass die Menschen in den Blue Zones bessere Gene oder einen überlegenen Körper hätten, auf die meisten traf das nicht zu", schreibt er in seinem Buch. "Ihnen blieben jedoch die chronischen Krankheiten erspart, die das Leben der Amerikaner verkürzten, von Diabetes über Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Demenz bis zu bestimmten Krebsarten. Nicht etwa, weil sie mehr Disziplin oder Verantwortungsbewusstsein besaßen, sondern weil ihr Umfeld eine spezifische Art zu leben begünstigte. Anders gesagt: Sie strebten nicht nach Gesundheit und Langlebigkeit, als wäre es eine lästige Pflicht. Es ergab sich einfach aus ihrer Lebensweise."
Buettner wählte einen Ort für ein 18-monatiges Projekt aus, auf den er die Erkenntnisse von seinen Reisen übertragen wollte – nicht, indem er versuchte, die Menschen in Alberta Lea, einer Gemeinde in Minnessota mit 18.000 Einwohnern, zu verändern, sondern Voraussetzungen schaffte, die sie dabei unterstützen, gesunde Entscheidungen zu treffen. "Mit einigen der fähigsten Experten des Landes entwickelten wir ein Paket von Maßnahmen, um die Stadt fußgänger- und radfahrerfreundlicher zu gestalten und das Verkehrsnetz schrittweise von auto- auf menschenfreundlich umzustellen", schreibt Buettner. "Wir erstellten ein Programm zur Schulspeisung, das auf gesunde Ernährung statt auf ungesunde Fertigkost setzte. Wir überzeugten Restaurants und den Lebensmittelhandel, gesunde Produkte präsenter, leichter zugänglich und attraktiver zu machen."
Das Projekt bewährte sich und wurde zum Vorbild
Zudem führten die Experten ein "Blue-Zone-Gelöbnis" ein mit dem Erfolg, dass sich 25 Prozent der Erwachsenen ehrenamtlich engagierten und an Workshops für "zielorientiertes Handeln" teilnahmen. Sie brachten Gleichgesinnte in Walking-Gruppen zusammen, um sie zur Bewegung zu animieren und die Entstehung von Freundschaften zu fördern. Nach anderthalb Jahren war das Ergebnis bereits erstaunlich: Die durchschnittliche Lebenserwartung war um drei Jahre gestiegen und die Kosten für die Gesundheit gegenüber dem Vorjahr um 20 Prozent gesunken. Mittlerweile wird nach diesem Modell in 72 amerikanischen Städten gelebt.
Soziale Strukturen durch Familie oder Freundschaften, die Menschen bis in hohe Alter einbinden, gesundes Essen und viel Bewegung sind drei der wichtigsten Voraussetzungen, um gesund alt zu werden. Diese Bedingungen existieren an manchen Orten durch Traditionen oder lokale Strukturen. Die Blue Zone auf Sardinien zum Beispiel ist eine Ansammlung von Bergdörfern, in denen auch die Alten täglich mehrere Kilometer zu Fuß zurücklegen. Sie arbeiten weiterhin mit und kümmern sich etwa um den Gemüseanbau oder die Obsternte, das ist nicht stressig und hält beweglich. Darüberhinaus schafft der eigene Anbau eine perfekte Grundlage für frische, selbst gekochte Gerichte und damit für eine gesunde Ernährung.
Wer in sich hineinhorcht, hat vielleicht den Eindruck, dass Buettners Erkenntnisse eigentlich auf der Hand lagen: Freundschaften statt Einsamkeit, Gemüse statt Fertigkost, Bewegung statt Bierbauch, das leuchtet unmittelbar ein. Aber: Welche langfristige Wirkung diese Lebensweise hat, dass sie Menschen mehr als 20 Jahre älter werden lässt und zudem noch fit hält, ist überaus beeindruckend. "Das Geheimnis der 100-Jährigen" ist zur Nachahmung empfohlen – und das Buch unbedingt zur Lektüre!
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