Alkoholkonsum 11-Jährige greifen schon zur Flasche

Wer gedacht hat, das Komasaufen von Teenies hätte sich nach der aufgeregten Debatte vor einem halben Jahr erledigt, wurde in Berlin eines Besseren belehrt: Die Bundesdrogenbeauftragte Bätzing stellte die jüngste "Sauf-Statistik" vor - und plädierte wie Familienministerin von der Leyen für staatliche Testkäufer.

"Vor zehn Jahren hat man sich noch auf Heroin und die Kinder vom Bahnhof Zoo konzentriert", sagt der Psychiater Oliver Bilke - jetzt gehe es um die Sauferei. Die Effekte von Flatrate-Partys, Komasaufen und Gewohnheitstrinkerei unter Jugendlichen kann Bilke jeden Tag in seiner Berliner Klinik verfolgen. Immer mehr 15- bis 16-jährige werden eingeliefert, weil sie chronisch alkoholabhängig sind. "Die Tendenz geht zu Drogen, die sich gut in das Leben von Jugendlichen integrieren lassen", sagt Bilke. Will heißen: Heroin wirkt offenbar abschreckend, weil es Abhängige sofort zu Drop-Outs macht. Alkohol hat dieses Abschreckungspotential nicht.

Und so fließt der Alkohol auch unter Kindern und Jugendlichen weiterhin in Strömen. "Wir sehen dringenden Handlungsbedarf", sagte die Bundesdrogenbeauftragte Sabine Bätzing (SPD) in Berlin. Dabei soll die Konferenz "Voll drauf - Neue Formen jugendlichen Alkoholkonsums?" helfen, die Bätzing diesen Montag ausrichtet. Psychiater Bilke und weitere Experten diskutieren dort über ihre Erfahrungen. Ihre Vorschläge sollen in einen Empfehlungskatalog münden, den Bätzing Mitte 2008 der Bundesregierung vorlegen will. Bislang hat Bätzing nur recht vage klingende Forderung ("Gerade das episodische Rauschdrinken muss zurückgedrängt werden") formuliert.

Bätzing fordert Testkäufer

Mit einer Ausnahme. Bätzing sprach sich auf der Pressekonferenz kurz vor der Tagung für den umstrittenen Vorschlag von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) aus, Jugendliche verstärkt als Testkäufer einzusetzen. Sie sollen herausfinden, ob sich Gastwirte, Supermärkte und Trinkhallen an den Jugendschutz halten. Das sei eine "sinnvolle Ergänzung" sonstiger politischer Maßnahmen, so Bätzing. Allerdings nannte sie auch Bedingungen: Die Testkäufer müssten mindestens 16 Jahre alt sein, außerdem gut geschult und von einer Behörde betreut. Bisherige Einsätze von Testkäufern seien erfolgreich gewesen, insbesondere dann "wenn die lokale Presse darüber berichtet". Schließlich will sich kein Unternehmer öffentlich den Vorwurf machen lassen, er versorge Kids mit harten Getränken.

Die Statistiken, die Bätzing in Berlin zum Alkoholkonsum unter Jugendlichen vorstellte, legen rasches Handeln nahe. Demnach greift das Trinken selbst unter Kindern um sich: Ein Prozent der 11-jährigen greift einmal pro Woche zur Flasche. Unter den Pubertierenden kippt sich ein Viertel mindestens einmal pro Monat richtig zu. Mädchen, die sich laut Statistik in früheren Jahren eher zurückgehalten haben, betanken sich inzwischen häufiger. Die steuerliche Verteuerung von Alkopops scheint hier nichts bewirkt zu haben - außer, dass der Konsum ohne die Verteuerung vermutlich noch drastischer gestiegen wäre.

Mehr Kosten als Steuern

Ebenso wie Bilke hält Bätzing nichts von einem kompletten Alkoholverbot für Jugendliche. Sie müssten lernen, mit Alkohol maßvoll und verantwortlich umzugehen. Dabei kommt den Eltern und den Erwachsenen im Umfeld der Teeanager nach Bätzings Einschätzung eine zentrale Rolle vor: Sie würden vorleben, ob und wann "man" trinke, der Nachwuchs ahme es nach. Derzeit, so Schätzing auf Nachfrage von stern.de, liegt Deutschland im "oberen Drittel" der europäischen Länder hinsichtlich des Alkoholkonsums von Jugendlichen.

Die Rechnung dafür zahlt die Gesellschaft. Nach Bätzings Angaben nimmt der Staat zwar 3,3 Milliarden Euro über die diversen Alkoholsteuern ein. Aber die volkswirtschaftlichen Kosten des Alkoholkonsums - bedingt durch Autounfälle, Krankheiten etc. - liegen weit höher, nämlich bei 19 Milliarden Euro. Alkohol ist offenbar nur für die Produzenten ein gutes Geschäft.