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Gefährlicher Antisemit In der Türkei aufgespürt: stern-Reporterin schildert lange Jagd nach Attila Hildmann

Sehen Sie im Video: In der Türkei aufgespürt – stern-Reporterin schildert lange Jagd nach Attila Hildmann.
















Tina Kaiser (stern) Im Prinzip war das wie Arbeit von so einem Profiler vielleicht. Also dass wir einfach versucht haben, alles zusammenzusetzen. Und der entscheidende letzte Stein, der halt so zum Durchbruch geführt hat, waren die Fliesen bei einem Tierarzt, die sehr ungewöhnlich waren. Aber jedenfalls haben wir ihn dann halt gesprochen und dabei haben wir eben auch gefilmt, weil uns auch klar war, dass er später halt so seine eigene Wahrheit entwickeln wird, was da passiert ist. Und so war es auch. Der hat gleich danach angefangen, Blödsinn zu erzählen.


Hendrik Holdmann (stern) Tina, du hast gemeinsam mit anderen stern-Kolleginnen und den Hobby-Detektiven, die sich "Hildbusters" nennen, den wohl gefährlichsten Antisemiten Deutschlands Attila Hildmann in der Türkei gefunden. Was war der Auslöser für die Recherche und die Suche?


Tina Kaiser (stern) Ich beschäftige mich schon relativ lange mit Verschwörungsideologen und Extremisten und insofern hatte ich auch Attila Hildmann schon länger auf dem Schirm. Und jetzt passierte halt Ende April, Anfang Mai etwas, dass plötzlich ein Insider auftauchte, der sozusagen für eine lange Zeit bei Hildmann als rechte Hand gearbeitet hat und sich gegen ihn wendete. Und das war eine gute Möglichkeit, Informationen über Hildmann zu bekommen.


Hendrik Holdmann (stern) Die gesamte Recherche ist jetzt bei stern-plus und dem aktuellen stern zu lesen. In aller Kürze hier im Video: Wie habt ihr ihn gefunden? Was waren vielleicht die wichtigsten Meilensteine dieser Recherche, dieser Suche?


Tina Kaiser (stern) Also wir haben über Monate uns angeguckt, was Attila Hildmann bei Telegram postet. Zum einen bei seinen öffentlichen Kanälen. Mir ist es aber auch gelungen, in seinen privaten Unterstützerchat zu kommen. Da dürfen nur stramme, naja, stramme Nazis eigentlich rein. Aber er hat mir abgenommen, dass ich einer bin. | Und er postet dort etwas freimütiger Videos und Sprachnachrichten und Fotos aus seinem Privatleben, also wo man seinen Garten sieht, wo man sein Auto sieht, wo er beim Tierarzt war. Das sind alles viele, viele kleine Puzzlesteine, die für sich genommen eigentlich relativ aussage-leer waren, aber die haben am Ende dann halt ein Bild abgegeben. Also im Prinzip war das wie die Arbeit von so einem Profiler vielleicht, also dass wir halt einfach versucht haben, alles zusammenzusetzen. Und der entscheidende letzte Stein, der zum Durchbruch geführt hat, waren die Fliesen bei einem Tierarzt, die sehr ungewöhnlich waren. Und dann haben wir einfach so lange im Internet nach einem Tierarzt in der Türkei gesucht, der dieselben Fliesen mit den selben Sprüngen hatte, bis wir gefunden haben. Ich habe ja diese Gruppe, die Hildbusters begleitet, die schon seit Februar 2021, also seit der Haftbefehl ausgestellt wurde, Hildmann gesucht haben und ich habe diese Gruppe ab Mai diesen Jahres begleitet und ursprünglich war geplant, dass ich sie einfach nur dabei beobachte, wie sie suchen. Aber dann im Endeffekt habe ich dann auch selber angefangen zu suchen und so griff das ineinander und im Endeffekt hatten wir dann das größere Reporterglück und haben halt einfach diesen Tierarzt gefunden, der den Durchbruch brachte.


Hendrik Holdmann (stern) Dann seid ihr in die Türkei gefahren und ihr habt Hildmann getroffen. Wie war es, Hildmann in der Türkei zu treffen? Wie hat er reagiert, wie gibt er sich? Nimm uns mal bitte mit in diese Situation.


Tina Kaiser (stern) Also wir haben uns zunächst einmal überlegt, also wir wollten nicht bei ihm klingeln. Weil wir dachten, erstens ist die Gefahr viel größer, dass er die Tür einfach wieder zumacht und er ist gewarnt und nichts passiert. Zum anderen auch, weil wir gehört haben, dass er bewaffnet ist. Deswegen wollten wir ihn in der zufälligen Situation überraschen. Und wir wussten, dass er morgens immer so kurz nach zehn das erste Mal mit seinem Hund Gassi geht und haben dann halt auf dieser Gassi-Geh-Strecke, die wir vermutet haben, gewartet. Und dann war es auch tatsächlich so, wie wir erwartet haben. Er kam dann raus und wir sind dann zu ihm hingelaufen – also wir hatten ein Team von Stern TV dabei, das kann man auch heute Abend dann alles bei Stern TV sehen – aber jedenfalls haben wir ihn dann gesprochen und dabei haben wir eben auch gefilmt, weil uns auch klar war, dass er später so seine eigene Wahrheit entwickeln wird, was da passiert ist. Und so war es. Aber er hat gleich danach angefangen, Blödsinn zu erzählen. Aber in dem Gespräch selber, muss ich sagen, der Erkenntnisgewinn war relativ gering. Er hat nach einem kurzen Moment der Überraschung angefangen, seine üblichen Verschwörungstheorien zu wiederholen. Also die Juden sind an allem Schuld, wir müssen auch Juden sein. Wir arbeiten mit dem Mossad zusammen. Corona ist eine Erfindung der Juden. Die Impfung soll uns alle töten. Der Ukraine-Krieg ist eine Erfindung der Juden, um Deutschland zu deindustrialisieren. Und so weiter und so fort. Und ansonsten haben wir ihn gefragt, ob er denn nun diesen Pass hat. Es geht ja immer darum: Hat er jetzt die türkische Staatsbürgerschaft oder nicht? Da hat er behauptet: ja, Und aber wollte uns den Pass dann nicht zeigen. Und er konnte auch nicht so wirklich erklären, warum er sich denn in der Türkei versteckt, wenn er doch da frei leben kann und gar nichts zu befürchten hat.


Hendrik Holdmann (stern) Wie geht es jetzt weiter? Hildmann dürfte sein Versteck ja längst verlassen haben, oder nicht?


Tina Kaiser (stern) Das hätte ich erwartet, dass er das Versteck verlässt. Und er hatte auch einige Tage, nachdem wir ihn konfrontiert haben, in seiner geschlossenen Unterstützergruppe gesagt, dass er vorhat, sich eine neue Bleibe zu suchen, weil er da nicht mehr sicher ist. Am Montag dieser Woche hat er aber tatsächlich das letzte Mal, soweit ich weiß, ein Video gepostet, wo er eindeutig auf seinem Balkon in diesem Haus saß, wo wir ihn auch angetroffen haben. Also er hat bislang sein sein Versteck nicht verlassen.


Hendrik Holdmann (stern) Was sind die Folgen aus dieser Recherche? Was müsste die Politik jetzt tun?


Tina Kaiser (stern) Wir hoffen alle sehr, dass die Bundesregierung bzw. Das Bundesministerium für Justiz, was dafür zuständig ist, jetzt endlich einen Auslieferungsantrag an die Türkei stellt, wenn sie es nicht schon getan haben. Also offiziell haben sie sich dazu nicht geäußert aus Sicherheits-, Ermittler-technischen Gründen, sagen sie. Und ja, wir hoffen, dass dieser Artikel dabei hilft, es noch einmal klar zu machen, wie viel da schon falsch gemacht worden ist in den letzten zwei Jahren, also wie massiv die Justiz Fehler gemacht hat und dass jetzt ganz dringend die Politik da übernehmen muss und Druck auf die Türkei ausüben muss, um den endlich nach Deutschland zu bringen – ins Gefängnis.

Gemeinsam mit den Hobbydetektiven von "Hildbusters" hat der stern monatelang recherchiert – und schließlich Deutschlands gefährlichsten Antisemiten Attila Hildmann in der Türkei aufgespürt. Wie genau die Jagd nach dem Telegram-Hetzer ablief, berichtet stern-Reporterin Tina Kaiser im Video.

Die ganze Recherche lesen Sie im aktuellen stern-Magazin und hier auf stern+.

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