Hakenkreuze, rechte Musik, Rassismus Schulamt und Polizei schalten sich nach Brandbrief von Lehrkräften in Brandenburg ein

Blick in einen Klassenraum
Blick in einen Klassenraum. Lehrkräfte einer Schule in Brandenburg haben in einem offenen Brief Rechtsextremismus an ihrer Schule beklagt.
© Sebastian Willnow / DPA
Lehrkräfte einer Schule in Brandenburg zeigen sich in einem offenen Brief alarmiert: Es gab "demokratiefeindliche Parolen", rechtsextreme Musik, Einschüchterung und Mobbing. Behörden zeigen sich schockiert. Und auch die Polizei ermittelt inzwischen.

Hakenkreuze auf Schulmöbeln, rechtsextreme Musik im Unterricht, Hitlergrüße, Einschüchterung von Lehrern, Mobbing gegen Schüler mit Migrationshintergrund: Lehrkräfte einer Schule im brandenburgischen Spree-Neiße-Kreis haben in einem offenen Brief solche rechten Vorfälle beklagt. Der Brief wurde an mehrere Medien geschickt; unter anderem der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) berichtete.

Lehrkräfte und Schüler, die offen gegen rechtsorientierte Schüler- und Elternhäuser agierten, hätten Angst um ihre Sicherheit, hieß es. Lehrerinnen und Lehrer berichteten auch über Uneinigkeit im Umgang mit solchen Problemen. Es herrsche ein Gefühl der Machtlosigkeit und der erzwungenen Schweigsamkeit.

"Wir erleben eine Mauer des Schweigens und der fehlenden Unterstützung seitens Schulleitungen, Schulämtern und Politik bei der Bekämpfung demokratiefeindlicher Strukturen, sowohl in der Schüler- und Elternschaft als auch bei den Kollegen", heißt es darin.

"Schule muss ein Ort bleiben, wo sich Schüler und Lehrkräfte sicher fühlen können"

Lehrkräfte berichteten dem RBB, dass es sich um eine Gruppe von etwa zehn bis zwölf Schülern handele, um die sich weitere Mitläufer scharen würden. Täglich würden Schüler mit Migrationshintergrund rassistisch beleidigt.

Doch jetzt wollen die Behörden handeln.

Landrat Harald Altekrüger (CDU) sagte der betroffenen Einrichtung Unterstützung zu. "Schule muss ein Ort bleiben, wo sich Schüler und Lehrkräfte gleichermaßen sicher fühlen und gemeinsam lernen können. Für politischen Extremismus und Gewalt ist hier kein Platz", hieß es in einer Stellungnahme.

Mit dem Staatlichen Schulamt in Cottbus stehe man in engem Kontakt für die Umsetzung konkreter Maßnahmen, hieß es weiter. An der betroffenen Einrichtung gibt es laut Altekrüger eine vom Landkreis finanzierte Schulsozialarbeit.

Polizei und Politik in Brandenburg reagieren

"Wir werden auf jeden Fall tätig", teilte der Leiter des zuständigen Schulamts, Uwe Mader, am Mittwoch mit. Er sei "zutiefst geschockt und entsetzt" über die Lage, die im Brandbrief beschrieben wurde. Das Schulamt ist für die Schulen in Südbrandenburg zuständig und dem Bildungsministerium unterstellt.

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Die Polizei hat unterdessen mit Ermittlungen zu möglichen Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund begonnen. "Die Kriminalpolizei ermittelt zu möglicherweise strafrechtlich relevanten Sachverhalten", sagte Polizeisprecher Maik Kettlitz nach Angaben der "Lausitzer Rundschau".

Auch die Politik in Brandenburg hat sich eingeschaltet. Aus dem Bildungsressort in Potsdam hieß es, die Vorwürfe wögen schwer und würden sehr ernst genommen. "Wenn Lehrkräfte den Weg über einen öffentlichen Brief wählen, kann dies auch als ein Hilferuf verstanden werden", sagte Sprecherin Ulrike Grönefeld. Auch deshalb würden zunächst Gespräche in der Schule geführt.

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Brandenburgs designierter Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) sagte bei einer Pressekonferenz am Dienstag, man stehe mit der Schulleitung in Kontakt und versuche zu klären, was vorgefallen ist. Die Berichte seien "schockierend". Solche Entwicklungen seien keine Einzelfälle, sondern ein gesellschaftliches Problem.

Beratungsstelle: Schulen sollten früh handeln

Auf Antrag der Linksfraktion befasst sich am Donnerstag der Bildungsausschuss des Landtags mit dem Thema. "Brandenburg hat eben keine ausreichend gelebte Null-Toleranz-Politik gegenüber Rechtsextremismus, Diskriminierung, Homophobie und Sexismus", kritisierte die bildungspolitische Sprecherin Kathrin Dannenberg.

Weder das Bildungsministerium noch das Schulamt oder die Koordinierungsstelle "Tolerantes Brandenburg", eine Einrichtung der Landesregierung, hatten nach eigenen Angaben Kenntnis von den Vorfällen an der Schule. "Es ist keiner auf uns zugekommen", sagte Mitarbeiter Lars Krumrey der Deutschen Presse-Agentur. Er rief die Lehrer der betroffenen Schule auf, sich Unterstützung zu holen. In Brandenburg gibt es sechs Büros für Integration und Toleranz.

Schulen sollten bei rechten Vorfällen aus Sicht der Beratungsstelle Demos so früh wie möglich handeln. Die Lehrkräfte hätten das Gefühl, allein dazustehen, sagte der Geschäftsführer des brandenburgischen Instituts für Gemeinwesenberatung Demos, Markus Klein, im RBB-Inforadio am Mittwoch. Es sei wichtig, "dass Schulleitung und Kollegium in dieser Frage klar sind und an einem Strang ziehen".

Lehrkräfte fordern Nulltoleranzpolitik und Fortbildungen

Der Präsident des Pädagogenverbandes in Brandenburg, Hartmut Stäker, rief unterdessen Schulen auf, Straftaten wie rechtsextreme Vorfälle nicht zu verschweigen. Er hält es für denkbar, dass die rechte Szene auch an Schulen Fuß fassen wolle. Deshalb sei jeder verpflichtet, solche Vorfälle anzuzeigen und Schulleitung, Schulamt und Ministerium zu melden. "Wenn nichts passiert, wird es immer weiter gehen."

Nach Worten des Vorsitzenden der Bildungsgewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Günther Fuchs, gebe es noch keinen "Flächenbrand", aber in zunehmendem Maß Lehrkräfte, die deshalb Rat bei der GEW suchten.

Die Lehrkräfte der Schule in Spree-Neiße fordern in ihrem Brief eine Nulltoleranzpolitik. Nicht nur gegenüber Rechtsextremismus, sondern auch gegen Homophobie und Sexismus. Und sie fordern mehr Sozialarbeiter an Schulen, die Förderung demokratiefreundlicher Projekte und Fortbildungsangebote für Lehrkräfte. Schule dürfe für Demokratiefeinde kein Zuhause bieten.

 

Quellen: Nachrichtenagentur DPA, RBB, "Lausitzer Rundschau", "Märkische Allgemeine"

DPA
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