Das Buch ist im Oktober erschienen. Petra Berghaus hat sich dazu entschieden, auf einen Verlag zu verzichten, "denn ich will meine Freiheit in dem Projekt behalten", sagt die 54-Jährige. Ein weiteres Buch sei bereits in Planung.
Tinos Großmutter ist gestorben. Der fünfjährige Junge hat viele Fragen, doch die Familie schweigt. Der Trost-Tiger, den es auch als Kuscheltier gibt, nimmt Tino mit in das "Trauerland". Eine "heilsame Reise", sagt Autorin Petra Berghaus – nicht nur für Kinder.
Ein kleiner, kuscheliger Stofftiger mit einem blauen Halstuch. "Du bist nicht allein", steht darauf. "Der Trost-Tiger ist wie eine Erlaubnis zu trauern", sagt Petra Berghaus, Grafikerin, Trauersängerin und Erfinderin des besonderen Kuscheltiers. Der Tiger soll sowohl für Kinder als auch für Erwachsenen ein Begleiter in der Trauer sein und Trost spenden. "Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man mit seinen Ängsten allein ist", erzählt die 54-Jährige aus Solingen. "Ich möchte, dass niemand mehr damit allein sein muss."
Vor allem erwachsene Menschen wollten den Trost-Tiger
Die Idee zum Trost-Tiger sei ihr quasi über Nacht gekommen. "Ich bin aufgewacht und hatte dieses Wort im Ohr. Es ließ mich nicht mehr los", erinnert sich die Sängerin. Sie habe den Begriff gegoogelt, doch als sie nichts darunter fand, sei ihr klar geworden, dass sie etwas erfunden habe. Sie brachte den Trost-Tiger am selben Tag zu Papier. Nach kurzer Recherche fand sie eine Firma in Heidelberg, die ihr aus den Zeichnungen den Stoff-Tiger herstellen würde. Nachdem sie ein Bild des Kuscheltiers bei Instagram geteilt hatte, sei die Nachfrage explodiert. "Durch den Trauergesang hatte ich bereits eine kleine Community. Jeder wollte diesen Tiger haben", berichtet sie. Die 54-Jährige bestellte 300 Stück – und richtete ihr ganzes Leben auf ihr neues Projekt aus. "Es war die Vision, auf die ich immer gewartet habe."
Mit dem Kuscheltier falle es leichter, die Angst vor dem Tod zu bewältigen. "Denn er ist niedlich, kuschelig und vor ihm hat man erstmal keine Angst", sagt Petra Berghaus.
Petra Berghaus teilte auf Instagram ihre eigenen Erfahrungen mit Trauer und Angst. Daraufhin hätten sich viele andere Menschen geöffnet: "Von Anfang an haben die Leute uns alles anvertraut." Der Tiger helfe ihnen so sehr, er sitze auf dem Nachtisch oder fahre – angeschnallt – im Auto mit. "Das waren keine Kinder, sondern erwachsene Menschen, die ihre Trauer nicht verarbeitet hatten", betont die Grafikerin. Es meldeten sich auch viele Eltern mit der Frage, wie sie mit ihren Kindern über den Tod sprechen sollen, insbesondere nach einem Todesfall in der Familie. Das brachte die 54-Jährige auf die Idee, ein Kinderbuch zu schreiben: "Tino und der Trost-Tiger. Eine Reise durch das Trauerland" erschien im Oktober.
Die "Reise durch das Trauerland"
Im Buch ist die Großmutter des fünfjährigen Tino verstorben. Seine Eltern sind still und ziehen sich zurück. "Tino liebte seine Oma sehr und hat viele Fragen: Warum spricht keiner mit mir? Vermisst sie keiner?" In seiner Traurigkeit bekommt er Besuch vom Trost-Tiger, der dem kleinen Jungen helfen möchte. Die "Reise durch das Trauerland" beginnt. Der Tiger klärt Tino über den Tod und die unterschiedlichen Arten zu trauern auf.
Gemeinsam erinnern sie sich an die Großmutter, besuchen das Grab und lassen einen Luftballon steigen. "Am nächsten Morgen wacht Tino glücklich auf und erzählt seiner Mutter von der Reise." Plötzlich kann auch sie mit Tino über die Verstorbene reden. "Am Ende erinnert die Familie sich gemeinsam. Sie können jetzt zusammen trauern", sagt Petra Berghaus. Deshalb sei die Erzählung auch als Familienbuch geeignet. "Jeder kann sich darin wiederfinden", glaubt die 54-Jährige.
Ab einem Alter von fünf Jahren könne man das Buch dem Kind vorlesen. Man könne die Handlung aber auch mit kleineren Kindern erarbeiten, indem man bestimmte Passagen auslasse oder sich auf die Bilder konzentriere. Die Illustrationen beschreibt Petra Berghaus als schlicht, aber sehr realistisch. "Ich wollte, dass die Zeichnungen starke Emotionen ausdrücken, sodass die Kinder die Gefühle spüren können." Das Buch hat sie gemeinsam mit ihrer Tochter Nina Liermann verfasst. "Es ist unsere eigene Geschichte und was uns in der Trauer geholfen hat", erzählt die Grafikerin.
Mut zum offenen Umgang mit dem Tod
Die Handlung im Buch hat Petra Berghaus auch musikalisch untermalt. Sie hat mehrere Lieder über die "Reise durch das Trauerland" geschrieben und eingesungen. "Das macht die Sache rund", findet sie. Denn Musik berühre die Menschen auf eine andere Art als geschriebenes Wort. Das Gesamt-Paket aus Kuscheltier, Buch und Musik sei das Alleinstellungsmerkmal des Projekts. "Es war mir wichtig, dass es über alle Sinne geht", sagt die 54-Jährige. Das Buch soll Familien vermitteln, dass sie keine Angst vor dem Thema haben müssen.
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"Ein Kind wird immer dankbar sein, wenn die Eltern offen mit ihm sprechen und auch die eigenen Gefühle und Ängste zeigen", glaubt die Musikerin. Denn dann lerne das Kind, dass Trauer nichts Schlimmes sei und dass man auch mal weinen dürfe. Ähnlich sieht es Susanne Hövelmann, Sozialpädagogin und Leiterin einer Gruppe für trauernde Kinder. Man solle mit Kindern offen und ehrlich – aber mit viel Einfühlungsvermögen – über den Tod sprechen, rät sie im Gespräch mit dem stern.
"Oft scheint die Trauer übermächtig, wie ein schwarzes Meer, das dich zu verschlingen droht", beschreibt Petra Berghaus. "Doch man muss sich nur trauen, durch das Meer zu schwimmen, dann kommt man wieder raus." Diese bildliche Sprache nutzt die Grafikerin gerne, wenn sie vom "Trauerland" erzählt: Die Brücke der Angst, das Tal der Tränen, das Trauermeer und – am Ende – die Quelle des Glücks und der Freude.
Sich mit der Trauer auseinanderzusetzen und die Gefühle zuzulassen sei eine sehr heilsame Reise, bei der man die Angst vor dem Tod verlieren könne. "Wenn du durch das Trauerland gehst, wirst du am Ende sagen: 'Ich habe ganz schön geweint, aber jetzt geht es mir gut.'"