Doppelmörder von Bodenfelde Das schreckliche Geständnis des Jan O.

  • von Uta Eisenhardt
Brutal und pervers: Im Prozess um den Doppelmord an zwei Jugendlichen in Bodenfelde wird bei der Verlesung des schriftlichen Geständnisses gegen Jan O. kaum ein schreckliches Detail ausgelassen. Die Fakten sind ungeheuerlich.

Zwei Welten prallen im Landgericht Göttingen aufeinander. Die gute Welt symbolisieren etwa 20 Menschen vom Northeimer Verein für Opferschutz und Strafgerechtigkeit. Sie kommen zum Gerichtsgebäude, um hier eine Mahnwache für Nina und Tobias abzuhalten. Mit einem Transparent, Kerzen und Zetteln prangern sie die unfassbaren Verbrechen an, denen die beiden Teenager im November zum Opfer fielen. "Wir werden euch nie vergessen!" und "Warum?" schreiben die Vereinsmitglieder mit bunten Buchstaben. Die Papiere kleben sie an die Fenster des Landgerichts.

Dann gibt es noch die abgründige, Grauen erregende Welt des Angeklagten, die seit Mittwoch im Schwurgerichtssaal B 25 zur Sprache kommt.

Vernichtendes Blitzlichtgewitter prasselt auf Jan O., als der zu seinem Platz auf der Anklagebank gebracht wird. Der 26-Jährige ist kaum größer als 1,70 m, doch sein Oberkörper wirkt muskulös. Die schwarzen Haare trägt er millimeterkurz, ein kräftiger Schnauzbart dominiert sein Gesicht. Dunkle Augen liegen tief in ihren Höhlen. Diesem Mann möchte man auch ohne, dass man um die gegen ihn erhobenen Vorwürfe weiß, nicht im Dunkeln begegnen.

"Mein Name ist Jan O.", antwortet er mit kräftiger Stimme auf die Frage des Vorsitzenden Richters Ralf Günther. Er gestehe die ihm vorgeworfenen Morde. Zu Einzelheiten aber möchte er sich, zumindest an diesem Tag, nicht äußern. Sein Verteidiger Markus Fischer verweist aber auf das Geständnis, dass sein Mandant aus der Haft an das Gericht geschickt hat. Es trägt den Titel "Endgeständnis".

"Sehr geehrte Damen und Herren vom Amtsgericht Northeim", so beginnt das Schreiben des Angeklagten. "Nach langem Hin- und Herüberlegen" möchte er seine bisherigen Äußerungen widerrufen und nun die Wahrheit sagen. "Warum erst jetzt?", fragt er sich in dem Brief, um zu antworten: "Er schäme sich für seine Taten und sei nicht fähig gewesen, vor den Beamten darüber zu sprechen. Aber die "Angehörigen des Mädchens und des Jungen sollen wissen", was passiert ist.

"Was sind denn das für süße Mäuse?"

Das 19-seitige Schriftstück enthält grauenhafte Details, die nur schwer zu ertragen sind. Die einem Angst vor Menschen machen, die wie Jan O. "an einer multiplen Störung der sexuellen Präferenz" leiden. Der Angeklagte, dessen Leben möglicherweise in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt für Rechtsbrecher enden wird, mordete nicht nur heimtückisch und grausam, er mordete nicht nur, um eine Straftat zu verdecken, er mordete auch, um sich am Blut seiner Opfer zu ergötzen und ihr Fleisch zu essen. Die ungeheuerlichen Fakten hinterlassen ein flaues Gefühl im Magen.

Punkt für Punkt beschreibt Jan O., wie er sich an jenem 15. November mit etlichen "Fläschchen" Bier von Uslar zu Fuß ins niedersächsische Bodenfelde begeben habe, "um einen Kollegen" zu besuchen. Den habe er jedoch nicht angetroffen. Am Bahnhof habe er zwei Schülerinnen getroffen, eine elf und eine 13 Jahre alt. "Was sind das denn für süße Mäuse", habe er gedacht und den Arm um die Jüngere gelegt. Die Mädchen seien dann mit ihrem Zug weggefahren - sichtlich glücklich, dem Mann zu entkommen.

Er sei dann weiter in Bodenfelde herum gelaufen und habe wieder ein Mädchen getroffen. "Ob ich sie mir schnappe", will er sich überlegt haben. Er fühlte sich jedoch beobachtet und habe den Plan verworfen. Immer wieder schaute er sich im Dorf um, bis ihm die 14-jährige Nina über den Weg lief. Er grüßte sie, sie grüßte zurück. Dann ließ er sich von ihr erklären, wohin der Weg führen würde, auf dem er sich gerade befand.

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Er trank ihr Blut

"Ich stand seitlich hinter ihr. Ich musste mich überwinden", schrieb Jan O. "Sie ging immer mehr zurück." Als das Mädchen nicht mehr ausweichen konnte, legte er ihr seinen Arm um den Hals. "Sei still und geh, meine Hübsche!", befahl er ihr. Sie gehorchte. " Wenn du schön artig bist, passiert dir nix", will er ihr versprochen haben. Doch als er seine Hand unter ihr Oberteil schob, fing sie an zu weinen. Sie müsse am nächsten Tag zur Schule, erklärte das Mädchen, das zuvor von zu Hause ausgerissen sein soll.

Ihr Weinen sei ihm sehr laut vorgekommen, darum habe er den Arm um ihren Hals fester zugezogen. Sie habe geröchelt und mit den Füßen gestrampelt. Er lockerte seinen Griff und sie flehte ihn an, das Würgen zu beenden. Da habe er ihren Kopf zur Seite gedreht und sie zum Zungenkuss gezwungen. Als er in ihre Hose griff, hätte sie "Hilfe!" gerufen.

Er brachte sie zu Boden und würgte sie, bis sie sich nicht mehr bewegte. Blut lief ihr von der Nase über die Wange: Er habe es aufgeleckt. "Es hat nicht schlecht geschmeckt. Ich kann es mit nichts vergleichen", schrieb der Angeklagte. "Ich habe dann ein bisschen Hunger auf sie gekriegt." Er biss der Röchelnden in Zunge und Lippe.

"Ich wollte, dass sie einfach still ist", schrieb der Angeklagte weiter. Er würgte sein Opfer erneut, schlug ihm mit einer vollen Bierflasche auf den Kopf, trat es. Dann entkleidete er die Sterbende und sich selbst. Anschließend leckte er ihren Bauch, ihre Füße, ihre Zehen. Tief schnitt er ihr mit einer Scherbe in den Hals. "Immer wieder dieser Geschmack", notiert Jan O. in seinem "Endgeständnis". Er biss kleine Hautfetzen von den Wundrändern am Hals seines Opfers. Er biss sie auch in ihren Zeh, ihren Fuß und ihren Unterschenkel, sei aber mit seinen Zähnen nicht durch die Haut gedrungen. Schlussendlich legte er sich die Blutüberströmte auf seinen Bauch und trank ihr Blut.

Teil II: "Dynamisch beigebrachte Halsverletzungen"

Er ließ die Tote in einer Fichtenschonung liegen und reinigte sich Gesicht und Hände in einem nahe gelegenen Bach. Dann ging er zu Fuß zurück nach Uslar. Zwei Tage später kehrte er an den Tatort zurück, um sein verlorenes Portemonnaie zu holen und sich erneut an der Leiche zu vergehen. "Dran lecken wollte ich nicht", schrieb der Angeklagte. "Zur Erinnerung" habe er ein Video mit seinem Handy gedreht.

Weinerliche Stimme bei Jan O.

Am 20. November lief er erneut nach Bodenfelde. "Ich weiß selber nicht, was ich dort wollte", schreibt Jan O. Im Getränkemarkt habe er eine 17-Jährige getroffen und sie angesprochen. Sie ließ sich von ihm seine Telefonnummer aufschreiben. Tage später sollte diese Zeugin der Polizei den entscheidenden Hinweis auf den Täter geben.

An jenem Samstag wollte er noch einmal zu der toten Nina. "Vielleicht könnte ich noch ein bisschen an ihr herum fummeln", will ihr mutmaßlicher Mörder gedacht haben. Er habe jedoch eine "fette Spinne auf ihrem Bauch" bemerkt. "Das fand ich doch ein bisschen widerlich."

Auf dem Weg zum Bahnhof begegnete er einer "zierlichen Gestalt auf Inlinern": Es war der 13-jährige Tobias, der gerade einen Bekannten zum Zug gebracht hatte. Jan O. fragte ihn nach dem Weg. Legte ihm den Arm um den Hals. Würgte ihn. Als er den Jungen mit "Süße" ansprach, entgegnete dieser, er sei ein Junge. "Ich habe gleich ‚Scheiße' gedacht", schrieb der Angeklagte. "Aber ich habe gehofft, dass es ein Mädchen ist und sie nur sagt, sie sei ein Junge, um nicht vergewaltigt zu werden." Als sich Tobias auf sein Geheiß entkleidet hatte, bemerkte er seinen Irrtum. Wie von Sinnen muss er mit seinem Butterfly-Messer auf den Jungen eingestochen haben. Die Anklage spricht von "dynamisch beigebrachten Halsverletzungen". Das Blut des Kindes verteilte Jan O. "auf dessen Körper".

Während dieser Tat verletzte sich der mutmaßliche Mörder an der Hand. Er rief sich einen Krankenwagen. Sein damaliger Notruf wird heute im Gerichtssaal abgespielt: "Schönen guten Tag, ich habe ein Problem", sagt der Mann, der zwei Kinder qualvoll verbluten ließ. Er habe sich aus Versehen selbst in die Hand gestochen. "Eigentlich habe ich gedacht, ich schaff das", sagt Jan O. mit weinerlicher Stimme. "Aber ich halte es nicht mehr aus vor Schmerzen!"