Ich oute mich hier nun als sexistisch, weil ich die Fußball-WM der Frauen nicht gesehen habe. Nicht ein Spiel. Fußball ist nicht mein Ding. Doch Männer-WM und -EM schaue ich beschämend leidenschaftlich, so eine Vater-Tochter-Kindheit zwischen Diego Maradona und Jürgen Klinsmann lässt sich schwer abstreifen. Zum Glück bin ich nicht die Norm, die Einschaltquoten für die Frauen waren teilweise sensationell.
Die feministische Bewegung bringt uns jetzt also noch mehr teuren Fußball. Fragen auch Sie sich manchmal, in was für eine Welt uns dieser Feminismus führen soll? Ich jedenfalls hoffe nicht, dass er vor allem dafür sorgt, dass am Ende alle gleichermaßen überbezahlt Fußball spielen. Oder sonstige Ödheiten begehen, die jahrhundertelang den Männern vorbehalten waren.
Mein Feminismus würde dieser blinden Faszination für Wettbewerbe und Siegertreppchen etwas entgegensetzen. Wahrscheinlich sehen Sie jetzt so ein Heile-Welt-Szenario vor Ihrem inneren Auge, in dem alle Hand in Hand den Europasong "Insieme" des kürzlich verstorbenen Italieners Toto Cutugno singen – und Sie liegen nicht einmal falsch. Fast alles kommt mir cooler vor, als hinter Bällen her- und auf Tore zuzurennen.
Für viele Frauen ist der Kampf um Gleichberechtigung jedoch genau das: selbstverständlich das zu tun, was ihnen gefällt, auch wenn es bisher Männern vorbehalten war. Diese Art des Feminismus, der Domänen erobern will, ist natürlich unverzichtbar, weil Strukturen nicht über Nacht verschwinden.
Kampf gegen den Machismo
Fußball zu lieben, das bedeutet schon für viele Mädchen, etwas vermeintlich Unmädchenhaftes zu tun. Dieses Jahr mussten Frauenfußballfans um die TV-Übertragung kämpfen, während eine Männer-WM selbst dann eingekauft würde, wenn sie in Europa um drei Uhr nachts liefe. Die spanischen Spielerinnen stritten erfolgreich für die gleichen Honorare, wie sie die Herren bekommen. Leider ist Fußball längst nicht mehr die schönste Nebensache der Welt, sondern ein korruptes, mafiöses Geschäft, und doch sollten Frauen dafür genauso irrational gefeiert und bewundert werden dürfen wie Männer.
Mitten in diesen Triumph für den Frauenfußball und die spanischen Spielerinnen im Besonderen kehrt das Patriarchat zurück wie Darth Vader. Im süßen Moment der Siegerehrung – um es mit spanischem Pathos zu sagen – drückt der Verbandschef Luis Rubiales der Weltmeisterin Jenni Hermoso einen Kuss auf den Mund. Kuss ist ein zu schönes Wort für seinen Übergriff: Rubiales missbraucht seine Macht. Schon beim Abpfiff hatte er sich auf der Tribüne in den Schritt gefasst, als hätte der Ball im Tor etwas mit seinen Eiern zu tun.
Gewinnen ist für Machtmänner immer männlich. Im Moment des Sieges kann so einer nur das tun, was seine Männlichkeit bedient, nicht das, was den Frauen Respekt zollt. Männer wie Karl-Heinz Rummenigge wollen selbst entscheiden, was übergriffig ist, auch wenn der Verband längst im Kodex zum Schutz vor sexueller Gewalt solche "Küsse" ausgeschlossen hat. Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez mischt sich ein, stellt klar, Rubiales könne sich nicht einfach herausentschuldigen. Jenni Hermoso veröffentlicht ein ehrliches Statement und fordert Konsequenzen. Rubiales dagegen droht ihr mit einer Klage. Die Spielerinnen treten daraufhin geschlossen in den Streik, kurz darauf wird Rubiales von der Fifa vorübergehend suspendiert. Nach dem WM-Titel gewinnen die Spanierinnen auch noch den gegen den Machismo. Vielleicht verändert Fußball ja doch die Welt.