Jagoda Marinić Rechtsextreme im Blaupelz: Die CDU öffnet der AfD den Weg in die Mitte

  • von Jagoda Marinić
Die CDU hat sich einen neuen, türkisblauen Anstrich verpasst 
Die CDU hat sich einen neuen, türkisblauen Anstrich verpasst 
© Illustration: Lennart Gäbel; Foto: Gene Glover
Die CDU ändert ihr Parteilogo und verringert dadurch die Brandmauer gegen die AfD. Unsere Kolumnistin hinterfragt die Kurzsichtigkeit einiger Menschen.

Noch ist unklar, ob dies eine Kolumne über Kurzsichtigkeit oder Farbenblindheit wird, schauen wir mal. Die CDU hat vergangene Woche ihr neues Logo vorgestellt. Generalsekretär Carsten Linnemann präsentierte es mit einer Dynamik, wie sonst nur Faxgeräte in den Achtzigern Neuigkeiten überbrachten. Präzise, aber lahm erzählte er vom neuen Cadenabbia-Blau, benannt nach Adenauers Badeort am Comer See. Die roten Buchstaben des bisherigen CDU-Logos werden nach nur 51 Jahren durch schwarze ersetzt. Schwarz assoziiert man in der Parteizentrale wohl eher mit Maßanzügen als mit Beerdigungen. Hoffen wir das Beste.  

Links von der nun schwarzen CDU vor türkisblauem Hintergrund findet sich der sogenannte CDU-Bogen. Statt im Merkel-Orange jetzt schwarz-rot-golden. Mit den Nationalfarben geht es aufwärts? Wer weiß, was sich die Werbeagentur hier Bedeutendes einfallen ließ. Nicht aufgefallen zu sein scheint ihr, wie perfekt die Steigung zusammengeht mit dem roten Pfeil der AfD, dieser lässt sich optisch einfach auf den CDU-Bogen setzen, was man in den sozialen Medien umgehend tat: Wächst hier was zusammen? Tja. 

Fragt man Generalsekretär Linnemann, weshalb man eine Farbe gewählt habe so nah an der blauen AfD und der türkisblauen rechtskonservativen Partei Österreichs, der ÖVP, stellt er sich farbenblind: Das sehe er nicht. Sebastian Kurz scheint jedenfalls nicht unter derselben Farbenblindheit zu leiden und gratulierte prompt Friedrich Merz: "Mit deinen Inhalten und Themen ist dir der Weg ins Kanzleramt gewiss! Ich finde die Farbauswahl sehr gelungen!" Nur Kurzsichtige erblicken nicht, wie schnell Kurz vom mächtigsten Mann im Land zum spektakulär zurückgetretenen Kanzler wurde. 

Die Relevanz der Brandmauer

Das Ganze ließe sich als Anekdote und eitles Marketing-Gedöns lesen, doch der Versuch der CDU, sich von Merkels Politik abzugrenzen und zugleich mit deutschen und europäischen Rechtsparteien zu kokettieren, bereitet weniger kurzsichtigen Bürgern Kopfschmerzen. Wahre Konservative sehen gerade schwarz, wenn etwa der Chef der CDU-Wertekommission, Andreas Rödder, nun Minderheitsregierungen denkbar findet.  

Als gerade in Thüringen die CDU mithilfe der AfD Steuersenkungen beschloss, war das Geschrei groß. Natürlich gab es auch Beschlüsse von Rot-Rot-Grün, bei denen die AfD mitstimmte, aber es ist ein Schlag in die Magengrube der Demokratie, wenn man seine Ziele nur mit Björn Höcke durchsetzen kann. Die CDU signalisiert: Steuern senkt man mit Blau und Türkis.  

CDUler verteidigen den türkisfarbenen Kurs gegen alle Kritik. Man lasse sich von einer linken Empörungsgesellschaft nicht mehr die Politik diktieren! Aha. Lieber macht man sich von einem wie Höcke abhängig. Zu viele in der CDU scheinen vor lauter Machtgier nicht verstehen zu wollen, weshalb die Brandmauer der Konservativen die wichtigste ist, sie soll schützen vor AfDlern, die Bürgerliche werden wollen – Rechtsextreme im Blaupelz. Die Öffnung der CDU für die blaue Optik und Rhetorik ist ihr Eintrittstor in die Mitte. 

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Schneller, als es der CDU lieb ist, könnte sie einer blauen Minderheitsregierung dienen müssen. Konservative mit Format wie Daniel Günther verstehen das. Er grenzt seine CDU konsequent gegen rechts ab. In seinem Bundesland Schleswig-Holstein kam die AfD nicht ins Parlament. Man wünscht diesem Mann mehr Macht, während Friedrich Merz den anständigen Konservatismus zu Grabe trägt. Ein schwarzes Logo hat er schon.

Erschienen in stern 40_23