"Ihre Partei ist verantwortlich für Hartz IV und deshalb gibt es Millionen Arbeitslose!" So blaffte Henrico Frank, 37, den SPD-Vorsitzenden Kurt Beck auf dem Wiesbadener Weihnachtsmarkt an. Und der kontert: "So wie Sie aussehen, haben Sie in Ihrem Leben noch nicht viel gearbeitet. Waschen und rasieren Sie sich. Dann besorge ich Ihnen in drei Wochen einen Job." Warum es mit der Arbeit trotz Rasur und neuem Haarschnitt dann doch nichts wurde, erklärt Deutschlands berühmt-berüchtigtster Arbeitsloser im Interview mit stern.de.
Warum haben Sie keines der acht Jobangebote von dem rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten angenommen?
Es waren keine acht, nur sieben.
Egal.
Wegen meiner Bandscheibenproblematik. Die Jobs waren alle mit schwerer körperlicher Arbeit verbunden. Das trau' ich mir nicht zu. Mein Arzt hat schon vor einem halben Jahr gesagt, wenn ich weiter schwer hebe, muss ich unters Messer.
Sie sind also zu krank zum Arbeiten?
Eigentlich nicht. Das Versorgungsamt hat nur eine 30-prozentige Einschränkung festgestellt. Ich darf halt auf Dauer nicht mehr als 15 Kilo schwere Lasten tragen und heben. Außerdem hab ich seit meiner Geburt nur eine Niere, aber das macht mir keine Probleme. Nur die Schulter. Ich kann nicht über Kopf arbeiten.
Die Schulter haben Sie sich kaputt gemacht, als Sie betrunken von der Hollywood-Schaukel gefallen sind.
Jawoll. Getränkeunfall.

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Sie haben Alkoholprobleme?
Ich hab's einigermaßen im Griff, lasse mich aber jetzt doch therapeutisch behandeln.
Wer saufen kann, kann auch arbeiten.
Hab ich ja auch bis letztes Jahr gemacht - fürs Grünflächenamt, als Ein-Euro-Jobber. Doch dann hab ich eine schwere Tonne mit Abfällen hochgehievt und das war's. Im Rücken hat's geknackt, das war die Bandscheibe.
Und dafür geben Sie jetzt Kurt Beck die Schuld?
Nein. Das war ich schon selbst, reine Selbstüberschätzung. Aber er hat als Vorsitzender der SPD Hartz IV zu verantworten. Auf diese Problematik wollte ich hinweisen auf dem Weihnachtsmarkt. Dass dadurch immer mehr Menschen ins Abseits geraten und auf den Ämtern teilweise behandelt werden wie der letzte Dreck. Um meine persönliche Situation ging es mir gar nicht.
Er wollte Ihnen aber helfen.
Er wollte Recht behalten und wieder so schnell wie möglich aus den Schlagzeilen rauskommen.
Das kann Ihnen doch wurscht sein.
Mir geht's aber nicht um mich, sondern um die vielen anderen Arbeitslosen, die auch alle einen Job brauchen.
Denen haben Sie damit, dass Sie keine der von Kurt Beck vorgeschlagenen Firmen angerufen haben, einen Bärendienst erwiesen.
Konnte ich gar nicht, weil ich kein Geld hatte zum Telefonieren. Aber die Vorsitzende der Hartz-IV-Plattform in Wiesbaden hat überall angerufen.
Wozu brauchen Sie eine 'Managerin'?
Das ist nicht meine Managerin. Die Frau hilft mir nur. Ich wurde doch von der ganzen Aktion überrollt. Dauernd standen Journalisten vor der Tür, ich wusste ja gar nicht mehr, was ich machen sollte.
Zuerst sind aber Sie mit einem Pressefotografen zum Friseur gegangen.
Ich hab doch nicht gedacht, dass der mich auf die Seite 1 klatscht.
Und Ihr Haarschnitt gefällt Ihnen auch nicht?
Mittlerweile geht's, aber mit dem Scheitel, den der Friseur mir gezogen hat, fühlte ich mich erst gar nicht wohl.
Finden Sie es nicht schlimmer, dass Sie nun als 'Schmarotzer', 'Faulenzer' und 'Deutschlands frechster Arbeitsloser' gelten?
Doch. Vor allem meine Mutter tut mir Leid. Die sitzt daheim und heult. Das ist kein Spaß mehr.
Herr Beck fand es wahrscheinlich auch nicht witzig, dass Sie seine Einladung in die Staatskanzlei einfach ausgeschlagen haben.
Ich hatte einen anderen Termin, der schon lange geplant war. Mit der Arbeitsloseninitiative, in der ich mich engagiere.
Die Kirche wäre bei diesem Adventstreffen für Arbeitslose gut ohne Sie ausgekommen.
Stimmt. War wohl ein Fehler. Aber die Kirche ist der einzige Bündnispartner von uns Hartz-IV-Leuten. Ich wollte sie nicht verprellen.
Bei dem Ministerpräsidenten waren Sie doch auch nicht so zimperlich.
Doch, schon. Ich hatte sogar ein bisschen Angst, dass er mich verhackstückt. Deshalb wollte ich nicht alleine hingehen. Aber die Staatskanzlei hat eine Begleitperson abgelehnt.
Wie geht's jetzt weiter?
Ich weiß es nicht.
Was ist denn mit dieser Consultingfirma, die der Ministerpräsident noch für Sie aufgetan hat?
Davon steht nichts in seinem Brief.
Aber in der Zeitung.
Da steht viel über mich drin, was nicht stimmt.
Kann es sein, dass Sie nur einfach keine Lust haben, gemäß dem 'Arbeit ist Scheiße'-Button auf Ihrer Lederjacke?
Der ist schon ab, war nur ein Gag. Wenn man Jahre lang arbeitslos ist, hält man sich halt mit Galgenhumor über Wasser.
Und besitzt vier Handys?
Mit Karten von verschiedenen Netzbetreibern. So kann man am billigsten telefonieren. Zum Beispiel von D2 zu D2. Außerdem hat keins der Handys mehr als 20 Euro gekostet.
Dann rufen Sie doch endlich mal bei dieser Consulting-Firma an. Die bieten Ihnen eine kostenlose Karriereberatung an.
Das mache ich auch.