Die Hauptstadtkolumne Alles auf Omikron? Jein. Das wird 2022 auch wichtig

Zwei Hunde mit "Happy new year" Kopfschmuck
Auch wenn es aktuell so scheinen mag, das neue Jahr wird sich nicht nur um Corona drehen. Horst von Buttlar aus der stern-Chefredaktion nennt sechs Ereignisse, die 2022 wichtig werden 
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Noch ein Corona-Jahr liegt vor uns (seufz). Aber es gibt andere Trends, Risiken und Ereignisse, die 2022 für Sie wichtig werden. Hier eine Auswahl

Na super, man verlässt 2021 mit Delta – und 2022 begrüßt uns: Omikron. Heißt das: 2022 alles auf Omikron? Jein. Hier sind sechs Trends, Risiken und Ereignisse, die 2022 prägen werden:

Das Leuchten der Ampel

2022 soll es endlich losgehen. Mit Windrädern, Wasserstoffprojekten, Stromleitungen und Windparks. Passt nicht ganz zu Omikron, der Plan steht trotzdem: Es soll Geld ausgegeben und alles schneller werden. Letzteres wird noch Monate dauern, bis die Planfeststellungsverfahren gesetzlich geboostert sind. Aber: Die Ampel soll leuchten, nicht flackern. Das liegt in unser aller Interesse. Was können Sie tun? Sich zu Hause noch mal umschauen: Heizung, Dach, Fenster. Was nicht passt, sollte passend gemacht werden.

Über den Schuldenberg

Wir haben die Abschlussrechnung von 2020. Um 28 Billionen Dollar sind die Schulden weltweit gestiegen, der größte Anstieg seit dem Zweiten Weltkrieg. Deutschland war ganz vorn mit dabei, hatte 240 Milliarden für 2021 im Plan. 60 Milliarden Euro ungenutzte Mittel haben wir in dieses Jahr geschoben. Fürs Klima, die große Transformation. Nicht gerade lehrbuchhaft, aber deswegen noch nicht falsch. Allerdings: Die Fiskalpolitik wird 2022 nicht noch expansiver, in den meisten Ländern sinken die Defizite – zumindest laut Plan.

China, die unruhige Supermacht

Das Jahr beginnt mit Olympischen Spielen, die seit Wochen für diplomatische Spannungen sorgen. China wird unsere Wirtschaft prägen, im Guten wie im Bedrohlichen: Bisher fährt Peking eine Null-Covid-Strategie, was Lieferketten stört, wenn mal wieder ein Hafen abgesperrt wird. Kann China das bei Omikron durchhalten? Klar ist: Chinas Präsident Xi Jinping wird seinen Masterplan einer technologisch überlegenen, autonomen Supermacht mit aller Härte weiterverfolgen.

Kalter Krieg, heißer Krieg? 

Das Szenario eines Krieges an Europas Grenzen beherrscht auch den Anfang von 2022. Russland würde die Agenda einer Münchner Sicherheitskonferenz sprengen, so viel Geopolitik und Drohkulisse erleben wir. Mit allen Folgen für Gaspreise, Verteidigungspolitik und Sicherheit. Die Vorstellung, man könnte mit dem Zahlungssystem "Swift" alles lösen, indem man die russische Wirtschaft finanziell abklemmt, ist eine Illusion.

Inflation – nichts als Gespenster?

Schlaue Ökonomen sagen, dass die Inflation nur "vorübergehend" ist. Was aber schon ziemlich lange dauert. In Europa haben wir eine Energiepreisinflation, die noch keinen Gipfel erreicht hat, andere Effekte (Mehrwertsteuer und so fort) laufen 2022 aus. In den USA ist "vorübergehend" bereits vorüber –die US-Notenbank steuert gegen. Die Zinsen steigen, gleich mehrmals. Omikron aber verändert und verlängert das Spiel. Die Inflation wird niedriger als 2021, aber höher als in den Jahren zuvor. Bedeutet für Sparer: negative Realzinsen. Für Anleger: Es wird ruckelig. Korrekturen bieten aber Chancen.

Qualen nach Wahlen

Italien, gerade vom "Economist" zum "Country of the Year" gekürt, steht vor einer Präsidentschaftswahl, die die rationale Stabilität unter Mario Draghi ins Wanken bringen könnte. Sogar ein Comeback von Silvio Berlusconi wird diskutiert. (Ja, er lebt noch.) Die Wahl in Frankreich ab April ist noch spannender, hier kann es schmutzig werden, weil am rechten Rand noch mehr Gestalten kämpfen. Überlebt Macron das? Möglich. Die dritte wichtige Wahl sind die Kongresswahlen in den USA. Der "Build Back Better"-Plan Joe Bidens wurde von einem demokratischen Senator gekillt. Die Präsidentschaft, die seit dem Sommer schon lahmte, ist in einer tiefen Krise.

Risiken bedeuten nicht, dass alles schlecht ausgeht. Es ist zu früh, ein Jahr abzuhaken, das gerade begonnen hat
Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Diese Risiken bedeuten nicht, dass alles schlecht ausgeht. Europa, USA und Russland könnten eine Art neuen KSZE-Prozess starten, was ja auch Putins Ziel ist: Er will wieder am Tisch sitzen, als Supermacht. Biden könnte Teile des Pakets durchbekommen, die Wahlen gehen besser aus als erwartet. Italien könnte stabil bleiben, Emmanuel Macron Prä-sident. Die Ampel könnte es schaffen, Deutschland aus dem Auenland-Dämmerschlaf zu rütteln. Omikron-Booster ab April und neue Medikamente könnten der Pandemie den Schrecken nehmen. China könnte die Weltwirtschaft wieder einmal überraschen. Es ist zu früh, ein Jahr abzuhaken, das gerade einmal begonnen hat.

Erschienen im stern 02/22