Um halb zwölf nachts soll ein Schrei über das Deck auf der Gorch Fock gehallt sein. Der Wachposten auf dem Segelschulschiff löste sofort das Kommando "Mann über Bord" aus. Die Kadettin Jenny Böken, die eben noch Nachtwache schob, war verschwunden. Elf Tage lang trieb sie in der Nordsee, bis ihre Leiche am 15. September 2008 vor Helgoland geborgen wurde.
Die Marine sagt, es sei ein Unfall gewesen. Gerichte gaben dieser Version Recht. Juristisch mag damit der Fall aufgearbeitet sein, doch die Eltern von Jenny Böken haben diese Erklärung nie geglaubt und gaben keine Ruhe. Sie gehen bis heute nicht von einem Unfall aus, sondern unterstellen ein Verbrechen. "Wir halten es für hochwahrscheinlich, dass Jenny schon an Bord zu Tode gekommen ist, das würde auch erklären, warum sie kein Wasser in der Lunge hatte", sagte Vater Uwe Böken 2017 in einer ARD-Dokumentation.
Jenny Böken soll erdrosselt worden sein
Doch zu einer Wiederaufnahme des Falls kam es bis her nicht. Nun könnte es eine Wendung geben: Ein Zeuge hat sich gemeldet und hat nach Angaben des Anwalts der Familie in einer eidesstattlichen Erklärung versichert, Jenny Böken sei an Bord der Gorch Fock getötet worden, berichtet der WDR. Allerdings stehe noch aus wie glaubwürdig der Zeuge sei, räumt der Anwalt der Familie ein.
Der Vater erklärte, dass der Zeuge von einer Vergewaltigung spricht und von einer möglichen Schwangerschaft der 18-Jährigen. Der damalige Bundeswehrsoldat habe von Mobbing gegen die Kadettin gewusst, die nur schwer in die Gruppe passte. Auf einer Bordparty sollen mehrere Besatzungsmitglieder gegen Jenny sexuell übergriffig geworden sein. Von der Tat habe auch ein Handy-Video kursiert. Weil Jenny Böken gedroht habe, das anzeigen zu wollen, sei sie schließlich erdrosselt worden.
Die Marine hält Material unter Verschluss
Wie die "Bild"-Zeitung erfahren haben will, soll der Zeuge sich bereits vor zwei Jahren bei der Familie gemeldet haben. Der Anwalt der Familie sagte, er habe dies der Staatsanwaltschaft Kiel mitgeteilt. Die Eltern fordern nun, dass das Verfahren wieder aufgenommen wird. Denn sollte es sich um Totschlag oder Beihilfe handeln, würde nach zehn Jahren eine Verjährungsfrist greifen. Bei Mord wäre dies allerdings nicht der Fall.
Bis heute hält die Marine die Akten zum Fall Jenny Böken unter Verschluss. Die Gerichte konnten nie endgültig klären, warum Forensiker kein Wasser in Jennys Lungen fanden, obwohl sie ertrunken sein soll. Auch trug sie keine Einsatzstiefel auf ihrer Wache. Ihr persönliches Tagebuch wurde an die Eltern nie ausgehändigt.