Wie ging es Ihnen, als Sie die propalästinensischen Statements von Greta Thunberg hörten?
Ich habe eine marokkanisch-arabische und eine ukrainisch- aschkenasisch-jüdische Familie. Ich bin also selbst Jude, und diese einseitigen Aussagen haben mich wirklich betroffen gemacht. Ich wollte erst etwas in die Chatgruppen von Fridays for Future schreiben. Aber ich hatte Angst. Es ist ja immer noch Greta, sie hat großen Einfluss auf diese Bewegung. Wir sind nach ihren Streiks benannt. Es fühlte sich an, als würde ich den "big boss" einer großen Firma angreifen. Ich wollte etwas schreiben, aber meine Hände haben nicht auf mich gehört. Aber ich habe beschlossen zu reden.
Wovor hatten Sie Angst?
Erst hatte ich Angst, bloßgestellt zu werden. Aber nachdem sich die öffentlichen propalästinensischen Positionen häuften, verlor ich die Angst. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es noch schlimmer werden kann. Das Einzige, was ich nun befürchte, ist, dass ich aus bestimmten internationalen Gruppen rausgeschmissen werde. Das wäre schlimm, weil der Klimawandel weiter bekämpft werden muss. Außerdem will ich den Einfluss auf die internationalen Mitglieder nicht ganz verlieren. Ich möchte versuchen, mit ihnen zu sprechen, ihnen klarmachen, dass es andere Standpunkte gibt.
Eine propalästinensische Haltung ist nicht immer gleich Antisemitismus. Haben Sie davon viel erlebt?
Ja. In bestimmten internationalen Gruppen von Fridays for Future wird viel antisemitisches Zeug gepostet. Es gibt heftige Diskussionen, weil Menschen aus verschiedenen Ländern anwesend sind – dementsprechend gehen die Meinungen auseinander. Viele aus dem Globalen Süden verbinden Klima-Aktivismus mit sozialer Gerechtigkeit. Das ist eigentlich gut. Nur führt es auch dazu, dass das Elend von Menschen oft mit ihren Privilegien aufgewogen wird. In dieser Logik gibt es für weiße Menschen kein Leid, weil sie mächtig sind. Das resultiert oft in Antisemitismus und Äußerungen, die nach deutschem Gesetz verboten wären.