"Was zählt, sind Zwischenerfolge" Handabdruck statt Fußabdruck: So lässt sich der Einsatz für das Klima messen

Handabdruck eines Klimaaktivisten, der sich mit Sekundenkleber auf die Straße geklebt hat
Handabdruck eines Klimaaktivisten, der sich mit Sekundenkleber auf die Straße geklebt hat
© Olaf Schuelke / Imago Images
Auto stehen lassen und Bambuszahnbürsten im Bad? Das reicht nicht mehr, um das Klima zu retten. Was müssten wir heute tun, um das Klima zu schützen?

Wie sehr Menschen dem Klima schaden, lässt sich mittlerweile recht unkompliziert mit dem CO2-Fußabdruck herausfinden. Im Prinzip eine gute Idee, die so aber nur den negativen Einfluss auf das Klima abbildet. Doch was ist mit den positiven Effekten? Die gibt es auch. Ein Überblick zum Gegenentwurf des CO2-Fußabdrucks:

Was ist der CO2-Handabdruck?

Im Gegensatz zum CO2-Fußabdruck zeichnet der Handabdruck den positiven Einfluss eines Menschen auf das Klima ab. Wer zum Beispiel auf einen Urlaubsflug im Jahr verzichtet, statt mit dem Auto mit dem Fahrrad unterwegs ist oder Fleisch durch Gemüse ersetzt, kann sich selbst schnell ausrechnen, welchen positiven Effekt er auf das Klima hat. Allerdings geht es beim CO2-Handabdruck nicht nur darum, dass Menschen das Klima ohne Plastiktüten und dafür mit Bambuszahnbürsten schützen. "Wie kann ich gesamtgesellschaftlich Gutes tun und meine Mitmenschen dazu motivieren, sich klimafreundlicher zu verhalten, darum geht es", erklärt Gabriel Baunach, Klimakommunikator und Gründer der Plattform Climaware. "Meinen Handabdruck kann ich vergrößern, indem ich den Fußabdruck anderer verkleinere."

Wie kann ich dem Alltag meine Hand aufdrücken?

Dafür bedarf es ein wenig mehr Engagement als bei der Mülltrennung oder beim Einkaufen. Allerdings muss nicht jeder zum Aktivisten werden, sagt Baunach. Es reiche schon, häufiger am Arbeitsplatz, im Bekannten-, Freundes- oder Familienkreis über die Klimaproblematik zu sprechen. "Man kann eine Klimagruppe auf WhatsApp gründen und sich gemeinsam überlegen, was man verändern möchte." Zusammen mit den Nachbarn könne man sich mit einer Petition für einen Radweg durch die eigene Straße einsetzen. Am Arbeitsplatz könnten Kollegen in Green Teams oder Klima-Räten Pläne für umweltschonendere Gerichte in der Kantine entwerfen.

Wer sich keiner Klimainitiative anschließen möchte, könne Organisationen mit Spenden unterstützen. Auch ein Bankwechsel biete sich an, wenn das Institut in klimafreundliche Industrien und Technologien investiert. "Das ist mit ein paar Mausklicks getan", sagt Baunach.

Menschen mit vollem Terminkalender rät er, das Engagement für die Umwelt fest einzuplanen. Beispielsweise, indem man sich pro Woche eine Stunde Zeit nimmt, um sich mit dem Klima zu beschäftigen und sich zu informieren.

Ist der Handabdruck messbar wie der Fußabdruck?

Das hängt vom Projekt ab. "Wenn sich eine Wohngemeinschaft zusammentut und beim Stadtrat einen neuen Fahrradweg durchsetzt, lässt sich der Handabdruck an den reduzierten Emissionen messen – wenn man weiß, wie viele Leute vom Auto auf das Rad umsteigen", erläutert Baunach. Dasselbe gilt für vegane Angebote in der Firmenkantine, weil dort sichtbar wird, wie viele Mitarbeiter zu Fleisch- oder Gemüsegerichten greifen. Baunach ist überzeugt: "Solche Beispiele kann man gut berechnen und das motiviert die Menschen."

Schwieriger wird es beim Handabdruck eines Klimaaktivisten. "Wir wissen zwar alle, dass Demonstrationen wichtig sind, damit sich politisch etwas ändert. Aber Ergebnisse wie Klimagesetze auf einzelne Aktivisten herunterzurechnen, ist unseriös", sagt er. 

Wie kann ich andere überzeugen?

Erfolge motivieren – allerdings sind sie beim CO2-Handabdruck nicht immer direkt sichtbar. Um sich selbst weiter zu motivieren, rät Baunach dazu, immer wieder zu überlegen, was man bereits erreicht habe. "Was zählt, sind Zwischenerfolge und das Bewusstsein dafür, dass man insgesamt Gutes getan hat." 

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Wer Nachbarn, Freunde, Familienmitglieder oder Bekannte vom klimafreundlichen Alltag überzeugen möchte, sollte vor allem eines tun: Im Gespräch bleiben, "auch wenn es schwierig ist, aber das ist gelebte Demokratie". Dabei sei die Haltung entscheidend. Wer der gesamten Klimaproblematik kritisch oder ablehnend gegenübersteht, bei dem sollte man im Gespräch Triggerworte wie Klimakleber oder Heizungshammer vermeiden. "Manchmal hilft es sogar, den Begriff 'Klima' gar nicht erst zu benutzen, sondern sich auf die Umwelt zu konzentrieren"; sagt Baunach und betont: "Am Ende sollte man versuchen, trotz der Differenzen einen positiven Ausgang zu finden. Da darf man aber auch nicht zu viel erwarten."

Was am Ende zählt, sind Respekt, Interesse am Gesprächspartner und intensives Zuhören. Dabei sollte man auch viele Fragen stellen – "aber keine Suggestivfragen".

Können Klimaproteste etwas bewirken?

"Ohne das Engagement von Millionen Menschen weltweit würde alles noch viel langsamer vorangehen", ist Baunach überzeugt. Soziologen sind sich zwar bis heute unsicher, was die Klebeaktionen der Letzten Generation wirklich gebracht haben. Aber auch, wenn die Protestform von der Bevölkerung größtenteils abgelehnt wird, hat sich die Zustimmung für den Klimaschutz kaum verändert.

Im Klimarat sitzen, aber in den Urlaub fliegen – darf man das?

Es kommt auf das Verhältnis an: Dreimal pro Jahr in den Urlaub fliegen, aber dafür zuhause den Müll zu trennen oder mit SUVs zum Einkaufen zu fahren, aber nur Bio-Lebensmittel einzukaufen, lässt weder den CO2-Fußabdruck schrumpfen, noch den -Handabdruck wachsen. "Das sind reine Symbolhandlungen", sagt Baunach.

Und wie ist es mit Politikern, die zur Klimakonferenz um die halbe Welt fliegen? "Da ist das Handabdruck-Handeln auf multilateraler Ebene wichtiger als die Emissionen der Regierungsbeteiligten", sagt Baunach. Das gelte aber nicht für Lobbyisten oder Wirtschaftsvertreter, die ebenfalls en Masse und teils mit Privatjets anreisen. 

Macht der CO2-Handabdruck die Klimaziele realistischer?

"Theoretisch sind die Ziele noch erreichbar", sagt Baunach. Allerdings müsste die Zivilgesellschaft dafür noch stärker mobilisiert werden. Der IPCC-Bericht und eine aktuelle Studie des Exzellenzcluster Climate, Climatic Change, and Society (CLICCS) der Universität Hamburg zeigen: Technologisch und ökonomisch kann das 1,5-Grad-Ziel noch eingehalten werden. Allerdings müsse der soziokulturelle Hebel noch stärker genutzt werden, findet Baunach. "Unser kollektiver Handabdruck muss größer werden."