Beginn der Faschingszeit Fünf Gründe, warum Karneval nervt

Alaaf! Helau! Seit heute feiert vom Gör bis zum Greis ganz Deutschland den Beginn der Karnevalssession. Ganz Deutschland? Nein - wir im Norden werden den organisierten Spaß nie verstehen.

Um elf Minuten nach elf Uhr war es wieder soweit: Südlich der Narrengrenze setzen sich alte Herren peinliche Kappen auf den Kopf, stecken Mütter ihre jungen Töchter in ultra-knappe Miniröcke und presten sich danach selbst ins Kostüm. Dann gehts zum Umzug, auf die Straße. Der 11. November ist der Beginn der Karnevallssession und alljährlich auch der Auftakt für Menschen, die dem Flair (in peinlichen Kostümen bei schlechter Musik sternhagelvoll mit dem unattraktiven Kollegen rumknutschen) so gar nichts abgewinnen können. Und weil man mit dieser Einstellung in Deutschland eine Minderheit darstellt, kommen hier die fünf besten Argumente, warum Karneval sinnloser Unfug ist.

1. Karneval, der organisierte Frohsinn

"Und jetzt alle: Stimmung!" Der 11. November oder der Rosenmontag scheinen eine besondere Auswirkung auf Menschen zu haben, die mit dem Karnevalsgen gesegnet (oder gestraft) sind. Wie auf Knopfdruck scheinen Menschen, die südlich von Hannover leben, auf Befehl fröhlich zu werden. Dafür braucht es nicht mehr als ein paar lächerliche Kostüme, flotte Blasmusik und Paraden mit Pappmarché-Karren durch Innenstädte und auf Dorfstraßen.

Als Nachweis, den Frohsinnsbefehl auch wirklich ausgeführt zu haben, setzen sie sich die Karnevalisten eine peinliche Clowns-Nase auf (oder zwängen sich in das Cowboy/Piraten/Indianer-Kostüm) und fangen sinnlos an zu schunkeln. Oder weibliche Spaß-Söldner schneiden Schlipse ab, gerne bei Vorgesetzen. Wie witzig und so originell!

2. Büttenreden: Unlustig mit Tusch

Die Büttenrede wird gerne als Argument ins Feld geführt, dass Karneval gar nicht hohlbratzig und stumpf sein muss. Nein, hier wird mit spitziger Zunge die Macht der Mächtigen angeprangert und gepoltert und gepöbelt. Zumindest theoretisch. Dass diese Rede eher im lyrisch schwachen Paarreim-Singsang und im Stil der Ehrenrede von Onkel Herberts 80. Geburtstag daherkommt, ist leider Realität. Schlüpfrige Wortewitzchen (Achtung Fremdschämalarm!) gepaar mit extra-lahmen Pointe nuscheln sich die meist steinalten Redner durch die dritten Zähne. Der Tusch, meist als Hinweis auf einen besonders granatenmäßigen Witz, wurde schon vor fast 20 Jahren vom Meister des saftigen Wortwitzes, Oliver Kalkofe, in dem "ABC der Fassenacht" erklärt: "T: Tusch, der: Karnevalistisches Satzabschlusszeichen und Aufforderung zu spontanem Lachen und Zwangsapplaus. Ursprünglich akustisches Jagdsignal mit der Bedeutung: Halali, der Witz ist tot."

3. Musik: Ballermann-Après-Ski-Schlagermove in Mundart

Sie waren schon mal Eimersaufen am Ballermann? Vertragen locker 17 Jagertee und neun kleine Schnäpse auf der Hütte? Und die Buddel Doppelkorn zum Schlagermove ist auch kein Thema? Und am besten gefällt ihnen an den Touren diese spitzenmäßige Mucke? Dann kommen Sie mit dem unverständlichen Genuschel von Höhner, Bläck Fööss und Co. beim Karneval prima zurecht. Schmissig, gefällig, simpel zum Mitklatschen und Mitnuscheln. Falls Sie bei letzterem Probleme haben, einfach Jagertee und Doppelkorn aus dem Eimer trinken.

4. Prunksitzung, die Kernkompetenz der Öffentlich-Rechtlichen

Immerhin: Im Norden kann man dem ganzen Blödsinn aus dem Weg gehen. Eigentlich. Wäre da nicht das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Bislang laufen die Sendeanstalten nur zu Weihnachten, wenn "Sissy, die junge Kaiserin" überraschend wiederholt wird, zu Höchstleistungen auf. Im Februar wartet aber mit den Übertragungen noch so provinzieller Prunksitzungen ein weiterer Höhepunkt auf die Zuschauer. Kein Musikantenstadl, nichts, das Carmen Nebel oder Andy Borg moderieren, wirkt so verstaubt und altertümlich, wie der Fremdschämschwenk der Kameras durch einen Saal mit Geronten, die affige Kappen auf den kahlen Köpfen tragen. Und der Inhalt? Tja: Tanzende Mädels in knappen Röckchen, gefolgt von alten Männern mit lahmen Witzen, viel Tusch und Trara von irgendeinem Spielmannszug irgendeiner Freiwilligen Feuerwehr. An das Ende der Sendung erinnert sich wohl niemand, da alle vorher weggeknickt sind: Zuschauer, Moderatoren und wohl auch die Regie. Was für ein gelungener Fernsehabend. Fast wünscht man sich "Wetten, dass..?" zurück.

5. Bis Aschermittwoch: Totaler Stillstand

Am Aschermittwoch ist alles vorbei: Schade, sagen die einen. Mit dickem Kopf und einer explosionsartigen Mischung alkoholischer Getränke im Bauch geht es wieder zurück an den Schreibtisch. Die Straßenreinigung fegt den Müll und die übrig gebliebenen Party-People zusammen. Die Käppchen und Funkenmariekostüme wandern wieder in den Schrank. Das Öffentlich-Rechtliche kann sich von dem Stress der Live-Schaltung in die Hexelkessel der Prunksitzungen erholen.

Andere nennen den Aschermittwoch den "Tag der Erlösung" von so viel Zwangsspaß. Und bleiben mit dem innerlichen Groll zurück, dass ein Großteil der Arbeitgeber im Karnevalland ihren Mitarbeitern einen ganzen Tag zusätzlich frei gibt, damit sie feiern können. Vielleicht hat der Karneval auch seine gute Seiten...