In dem Braunkohleort Lützerath ist es in der ersten Nacht nach Beginn der Räumung weitgehend ruhig geblieben. Es habe keine besonderen Vorkommnisse gegeben, sagte ein Polizeisprecher am Donnerstagmorgen. "Im Laufe des Tages geht es mit den Räumungsarbeiten weiter", betonte er. Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach sagte am Mittwoch, die eigentliche Herausforderung liege noch vor der Polizei – dabei bezog er sich auf die Räumung der sieben Gebäude auf dem Gelände.
Ein dpa-Reporter vor Ort berichtete ebenfalls von einer weitgehend ruhigen Nacht. Einmal seien am Mittwochabend einige Böller geworfen und Feuerwerksraketen aus einem besetzten Gebäude gezündet worden, verletzt wurde niemand. Währenddessen holte die Polizei nicht weit davon entfernt eine Gruppe von Klimaaktivistinnen und Aktivisten von einem Lagerhallendach.
An einer anderen Stelle war die Polizei in der Nacht mehrere Stunden damit beschäftigt, eine Aktivistin aus einem Autowrack zu befreien, das als Hindernis auf einem Weg aufgebaut worden war. Die Frau hatte sich in dem Wrack verschanzt und ihre Füße in den Weg zementiert. In den frühen Morgenstunden konnte sie herausgeholt werden.
Die Polizei sei selbstverständlich weiter vor Ort, sagte eine Sprecherin. Man plane aber in der Nacht nicht, etwa die Häuser zu räumen. In den Baumhäusern und in besetzten Gebäuden harren weiterhin einige Klimaaktivistinnen und Aktivisten aus. Wie viele es sind, ist unklar. Vor Ort herrschte Dauerregen und es gab starken Wind.
Sitzblockaden und Demonstrationen für Donnerstag geplant
Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer nannte das Vorgehen der Polizei "absolut unverständlich". "Räumungen nachts in der Dunkelheit. Das ist gefährlich, provozierend, eskalierend. Was soll das, wovor hat man solche Angst?", fragte sie auf Twitter.
Unter überwiegend friedlichem Protest hatte die Polizei am Mittwoch mit der Räumung begonnen. Polizisten holten Aktivisten von Bäumen und Podesten und setzten dabei an verschiedenen Stellen Hebebühnen ein. Am Ortseingang von Lützerath gab es Abrissarbeiten mit Baggern, auch eines der Ortsschilder von Lützerath wurde entfernt.
Das Bündnis "Lützerath unräumbar" hat für Donnerstag Protestaktionen wie Sitzblockaden in der Umgebung angekündigt. Fridays for Future will am zweiten Tag der Räumung bundesweit demonstrieren. So will Luisa Neubauer um 10.00 Uhr im rund vier Kilometer von Lützerath entfernten Erkelenzer Ortsteil Keyenberg reden.
Vor dem Start der Räumung war bereits mit massivem Widerstand gerechnet worden. Beobachter sprachen dagegen am ersten Tag von einer zum Teil entspannten Atmosphäre. Am frühen Mittwochmorgen war es zum Auftakt der Räumung zu Rangeleien gekommen. Laut Polizei wurden ein Molotow-Cocktail, Steine und Pyrotechnik in Richtung der Beamten geworfen. Eine Sprecherin der Initiative "Lützerath lebt" warf der Polizei einen überharten Einsatz vor.
Habeck verspricht Ende der Kohleverstromung
Angesichts von Kritik aus der Klimabewegung an den Grünen wegen der Räumung von Lützerath zeigte sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck betroffen. "Das fasst mich auch an oder treibt mich um, so wie alle in meiner Partei", sagte Habeck am Mittwochabend im "heute-journal" des ZDF. "Aber trotzdem müssen wir das erklären, was richtig ist. Und richtig war – leider –, die Gasmangellage, eine Energienotlage in Deutschland abzuwehren, auch mit zusätzlicher Verstromung von Braunkohle – und hintenraus den Kohleausstieg vorzuziehen."
Lützerath umzäunt – Polizei ruft Aktivisten zum Verlassen des Ortes auf
Mittlerweile ist Lützerath von einem neuen, anderthalb Kilometer langen Zaun umgeben. Die Konstruktion sei fast fertig, nur die Tore fehlten noch, sagte ein RWE-Konzernsprecher am Donnerstagmorgen. Die Tore sollten im Laufe des Tages eingehangen werden. RWE hatte am Mittwoch mit der Errichtung des etwa zwei Meter hohen Doppelzauns – also von zwei Zäunen nebeneinander – begonnen, um die Ortschaft als Betriebsgelände zu markieren und "eine lückenlose Umfriedung" zu schaffen.
Der Zaun solle Unbefugte daran hindern, die Ortschaft zu betreten, sagte der RWE-Sprecher. Sobald die Polizei einzelne Bereiche für geräumt erklärt hat, sollen Bagger mit dem "geordneten Rückbau" – also dem Abriss – beginnen. "Wann das sein wird, wissen wir nicht", sagte der Sprecher. "Sicherheit für alle Beteiligte hat für uns dabei absoluten Vorrang."
Gleichzeitig rief die Polizei zum Verlassen des von Aktivisten besetzten Braunkohleorts Lützerath auf. Viele Einsatzkräfte zogen sich am Rande der Ortschaft zusammen, es gab Lautsprecher-Durchsagen an die Aktivisten, berichtete ein dpa-Reporter.