Rettungseinsatz Zwei Besetzer seit Tagen im Tunnel unter Lützerath – Geduldsprobe am Tagebau

"Pinky" und "Brain" harren seit Tagen in einem Tunnelsystem unter Lützerath aus
"Pinky" und "Brain" harren seit Tagen in einem Tunnelsystem unter Lützerath aus
© Screenshot / Youtube / "LütziBleibt"
Noch immer harren zwei Aktivisten in einem selbstgebauten Tunnel unter dem geräumten Dorf Lützerath aus. Die Lage unter der Erde ist weiter unklar. Doch schon bald könnte es Bewegung geben.

Nach der Polizei kommen die Abrissbagger: In Lützerath haben Arbeiter damit begonnen, mit schweren Maschinen das Dorf dem Erdboden gleichzumachen. Baumhäuser werden niedergerissen, Baggerschaufeln fressen sich durch die Fassaden der alten Bauernhäuser. Zwei kilometerlange Zäune um das Dorf sichern die Arbeiten.

Nach mehr als 800 Jahren ist Lützerath in Kürze Geschichte – daran konnten auch die Besetzung und die Demonstrationen der vergangenen Monate nichts ändern.

Aktivisten verlassen Tunnel – Lützerath geräumt
Zwei Klimaaktivisten winken, nachdem sie den unterirdischen Tunnel verlassen haben, in dem sie gegen den Abriss des Dorfes Lützerath protestiert haben.
© AFP
Sie lebten seit Tagen unter der Erde – hier verlassen die letzten Aktivisten ihren Tunnel

Sehen Sie im Video: Sie lebten seit Tagen unter der Erde – hier verlassen die letzten Aktivisten ihren Tunnel.

Tunnel unter Lützerath

Der Energiekonzern RWE will schon in Kürze mit dem Abbau der Braunkohle unter der früheren Siedlung beginnen. Deren Abriss werde vermutlich acht bis zehn Tage dauern, sagte ein Unternehmenssprecher der "Rheinischen Post". "Im März oder April könnte der Tagebau dann das frühere Dorf erreichen und abbaggern."

Insgesamt hat die Polizei seit Beginn des Einsatzes am vergangenen Mittwoch nach eigenen Angaben rund 300 Besetzer aus Lützerath entfernt. "Es befinden sich keine weiteren Aktivisten in der Ortslage", hieß es aus dem Aachener Präsidium. 

Das stimmt nicht ganz. Denn noch immer harren zwei Protestierende in einem Tunnelsystem unterhalb des Dorfes aus. Dies war am Donnerstag bekannt geworden und beschäftigt seitdem die Einsatzkräfte.

Für die Polizei sind die beiden Personen, die sich "Pinky" und "Brain" nennen, jedoch (vorerst) kein Thema. Es gehe allein um deren "Rettung". Durchgeführt werden soll diese durch Werksfeuerwehr von RWE. 

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Was es den Rettern schwer macht, ist die Unklarheit darüber, wie die Situation in einigen Metern Tiefe genau ist. Genau dies dürften die Besetzer einkalkuliert haben. Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach hatte sich – soweit möglich – am Freitag selbst ein Bild von der Lage gemacht. Der Einstieg zu dem Tunnelsystem befindet sich demnach in einem der Gebäude Lützeraths. "Es ist ein Kellergewölbe, aus dem ein Schacht von vier Metern geht, dann eine Konstruktion in der Waagerechten." Das Tunnelsystem bezeichnete er als "nicht sicher". "Das, was wir gesehen haben für Zug- und Abluft, ist nicht geeignet, dort dauerhaft Sauerstoffversorgung zu gewährleisten, dass der CO2-Gehalt nicht zu sehr ansteigt." Mittlerweile sorgt eine Lüftungsanlage mit Schlauch für Atemluft in dem Gewölbe. Zudem lade RWE regelmäßig eine Autobatterie auf, die die beiden Besetzer für ihr eigenes Zuluftsystem nutzten, sagte ein Sprecher des Energiekonzerns der Nachrichtenagentur DPA. Man sei mit den Aktivisten unter der Erde in Kontakt. Zuletzt hieß es, sie lehnten eine Rettung weiter ab.

Video zeigt Inneres der Höhle

"Pinky" und "Brain" hatten am Donnerstag vermummt in einem Video erklärt, sie wollten die Räumung hinauszögern, sodass an der Oberfläche weitere Protestierende mobilisiert werden könnten. Sie sprachen von einer "sehr effektiven Verteidigungsform gegen eine Räumung". Angeblich haben die beiden die Möglichkeit, sich so an der Konstruktion zu befestigen, dass bei einer Befreiung die Statik des Baus gefährdet sei. Das Video selbst zeigt die einzigen bekannten Bilder aus dem Inneren des Tunnels, lässt aber wenig Rückschlüsse auf dessen Konstruktion und Aufbau zu. Auch wie es um die Versorgung der beiden Aktivisten mit Wasser und Nahrung sowie um deren Hygiene bestellt ist, ist nicht öffentlich bekannt. Andere Braunkohlegegner sagten am Sonntag, den beiden gehe es gut.

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Fakt ist: Schweres Gerät zum Abriss Lützeraths kann in der Umgebung des Tunnels nicht eingesetzt werden, ohne die beiden Besetzer zu gefährden.

Keine unmittelbare Lebensgefahr

Der Tunnel sei aufgrund des ihn umgebenden Lößbodens stabil, "unmittelbare Lebensgefahr" bestehe nicht, sagte ein RWE-Sprecher zuletzt laut Nachrichtenagentur AFP. Somit bestehe kein "unmittelbarer Handlungszwang".

Tunnelsystem in Lützerath
Der Zustieg zu dem Tunnelsystem soll sich in einem verlassenen Gbäude in Lützerath befinden. Die Frischluftversorgung für die beiden Aktivisten in der Höhle wird inzwischen über ein externes Lüftungssystem sichergestellt.
© Sean Gallup / Getty Images

Welche weiteren Schritte RWE nun unternehmen möchte, um die beiden Aktivisten aus ihrer Höhle hervorzuholen, wollte ein Konzernsprecher auf stern-Anfrage vorerst nicht sagen. Nach stern-Informationen wird ein freiwilliges Verlassen des Tunnels von "Pinky" und "Brain" an diesem Montag erwartet.

Immer wieder waren in den vergangenen Tagen Feuerwehrleute und Mitarbeiter des Technischen Hilfswerkes am Zustieg zu dem Tunnelsystem vor Ort, um die Lage zu sondieren und auch die Frischluftzufuhr in den Tunnel zu kontrollieren. Das Bündnis "Alle Dörfer bleiben" zeigte sich "zutiefst besorgt", dass die Rettung der beiden Personen in den Händen von RWE liegt, während die Polizei die Räumung Lützeraths als beendet darstellt. "Wir sind fassungslos."

Quellen: "Rheinische Post", Polizei Aachen, "Alle Dörfer bleiben", RWE, Nachrichtenagenturen DPA und AFP