Jede zweite Krankschreibung in Deutschland erfolgt aus psychischen Gründen, wie mehrere Umfragen und Studien zeigen. Nicht jede Angst muss zu einer psychischen Erkrankung führen, doch zeigt eine aktuelle Befragung, dass sich viele Menschen in Deutschland mehr Sorgen machen als vor einem Jahr. Eine große Rolle dabei spielt die politische und wirtschaftliche Lage.
In einer Studie der Online-Therapieplattform Hello Better in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut IPSOS gaben 43 Prozent der Befragten an, besorgter zu sein als noch vor zwölf Monaten. Am meisten sorgen sich die Befragten wegen ihrer wirtschaftlichen Situation und steigenden Preisen (58 Prozent). Dahinter folgt die politische Situation im In- und Ausland und Sorge um die eigenen Kinder (beide 44 Prozent) sowie die Angst vor einer zunehmend gespaltenen Gesellschaft (43 Prozent). Jüngere geben dabei eine höhere Belastung an als Ältere.
In der Studie wurden insgesamt 2000 repräsentativ ausgewählte Personen befragt, gibt Hello Better an. Die Befragung erfolgte Ende September.
Tag der psychischen Gesundheit soll Fokus auf mentale Gesundheit lenken
Dieses Problem will auch die Bundesregierung angehen. Am Dienstag startet ein Aktionsbündnis unter Schirmherrschaft von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die Woche der Seelischen Gesundheit. Der Tag der psychischen Gesundheit ist der Startschuss, er soll aufklären und Berührungsängste abbauen.
"Wir leben in einer Zeit, in der viele Menschen Ängste empfinden. Sie nehmen sie als etwas wahr, das sich auf sie setzt und sie buchstäblich erdrückt", sagt Prof. Arno Deister in einer Mitteilung. Er ist Psychiater und Vorsitzender des Aktionsbündnisses Seelische Gesundheit. "In diesem Jahr wollen wir darüber sprechen, wie man mit Ängsten umgehen kann, die in Krisenzeiten entstehen. Und wie man diesen Ängsten das Gewicht nehmen kann."
Obwohl sich viele Menschen Sorgen machen und Ängste haben, seien psychische Erkrankungen häufig unterschätzt, sagt der Psychiater Deister. "Angsterkrankungen und depressive Erkrankungen werden – als Beispiel – in den letzten Jahren sehr viel häufiger diagnostiziert, weil wir aufmerksamer werden. Aber sie sind immer schon da gewesen." 15 bis 20 Prozent seien im Laufe ihres Lebens mit Angsterkrankungen und depressiven Erkrankungen konfrontiert.
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Für viele Jugendliche hat das Tagebuchschreiben einen festen Platz im Alltag. Man notiert, was einen beschäftigt, wie es einem geht und wovon man träumt. Je älter wir werden, desto eher hören wir allerdings damit auf, unsere Gedanken zu Papier zu bringen. Dabei kann so ein Tagebuch echt hilfreich sein. Wer seine Gedanken aufschreibt, der schafft Platz im Kopf. Das hilft vor allem dann, wenn man im Gedankenkarussell gefangen ist oder sich nicht konzentrieren kann, weil ständig neue Tabs im Kopf aufploppen. Außerdem reflektieren wir unsere Gedanken und Erlebnisse noch einmal, wenn wir sie aufschreiben. Das kann uns helfen, den Blick zu weiten und neue Perspektiven einzunehmen. Das Tagebuch kann also helfen, zu neuen Erkenntnissen zu kommen, sich selbst besser kennenzulernen und Struktur ins Gedankenchaos zu bringen. Und wenn man sich daran mal nichtmehr erinnern kann, dann hat man es ja sogar schriftlich.
Weitere Studien liefern ähnliche Zahlen. Auch der neueste Report der Deutschen Krankenversicherung AG zeigte im September, dass jede vierte befragte Person potenziell depressionsgefährdet ist, Frauen noch häufiger (29 Prozent) als Männer (22 Prozent).

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Quellen: Hello Better, Woche der seelischen Gesundheit, Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung