Der Schulhof war grausam: Der Junge mit dem Nachnamen Garschhammer musste seinen Nachnamen immer wieder ohne G hören. Noch mehr auszuhalten hatten die Kinder von Ficklers und Nothdurfts. Dabei haben die Betroffenen eigentlich keinen Grund zur Scham: Fickler bezeichnete einst den Beutelmacher (mitteldeutsch 'vicke' "Beutel") oder einen unruhigen ('fickeligen') Menschen, Vorfahren der Nothdurfts waren ganz einfach bedürftig (mittelhochdeutsch 'notdürftic'). Weil solche Erklärungen aber auf Schulhöfen wenig zählen, dürften bestimmte Familiennamen künftig seltener werden.
Jedem dem Namen der Mutter
Denn seit den jüngsten Namensrechtsreformen machen immer mehr Eltern Gebrauch von der Möglichkeit, ihren Kindern den Familiennamen der Mutter zu geben. Schon jetzt sprechen einige Beispiele aus dem digitalen Telefonbuch eine deutliche Sprache: So gab es in der Telekom-CD-Rom DT-Info von 1998 noch 1345 Einträge für "Fick", einem in Norddeutschland verbreitetem Namen, der häufig aus einer Kurzform von Friedrich entstanden ist. Im Dezember 2006 ergab eine Onlinesuche unter Telefonbuch.de nur noch 1150 Treffer, was einem Minus von rund 14 Prozent entspricht.
Einen ähnlichen prozentualen Rückgang, 635 statt 742, ergibt die Suche nach dem in Westsachsen häufigen Namen "Ficker". Der Name "Rescheisse", eigentlich ein Berufsname für den Schmied als Hersteller des "Rösch-Eisens", findet sich gar nur noch drei Mal: "Dieser Name könnte wohl bald verschwinden", sagt der Leipziger Namensforscher Jürgen Udolph. "Bei freier Auswahl zwischen einem anzüglichen und einem 'normalen' Namen besteht die große Gefahr, dass man sich für den schöneren Namen entscheidet", sagt Udolph, der die Recherche durchführte.
Rückgang von Telefonbuch-Einträgen
Allerdings lasse sich eine breite und langfristige Tendenz statistisch sehr schwer belegen. Zudem gebe es einen schleichenden Rückgang von Telefonbuch-Einträgen, weil vor allem junge Leute immer öfter kein Festnetz sondern ausschließlich Handys hätten. Dennoch glaubt auch Udolph, dass die Zahl der alteingesessenen Familiennamen in Deutschland, von denen es seinen Angaben zufolge zwischen einer halben und einer Million Formen gibt, auf Dauer zurückgehen wird.
Daran sei aber in erster Linie die fallenden Geburtenzahlen schuld: "Die neun Enkelkinder meiner Großmutter Udolph haben alle keine Kinder", sagt er. Und weil Einwandererfamilien tendenziell kinderreicher seien, werden die ausländischen Namen zunehmen, glaubt Udolph, der Professor für Namensforschung an der Universität Leipzig ist.
Dabei werden künftig auch Namensänderungen eine größere Rolle spielen. Die Regeln dafür sind in Deutschland ziemlich streng: Nach dem Namensänderungsgesetz muss dazu ein "wichtiger Grund" zutreffen: Das kann sein, wenn Namen als obszön empfunden werden, aber auch wenn ein Name als unaussprechlich oder leicht verwechselbar gilt: So wurde aus Grzescysta (eine polnische Ableitung von Gregor) Gerstner, wie Udolph sagt. Und Menschen mit häufigen Namen wie Müller oder Schmidt können geltend machen, dass sie ständig verwechselt werden.

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Zahl der Namensänderungen ist bislang gering
Die Zahl der Namensänderungen ist bislang eher gering - in der 216.000-Einwohner-Stadt Freiburg gehen nach Auskunft des Standesamtes jährlich etwa 50 bis 60 Anträge ein, die zu mehr als 90 Prozent genehmigt werden, in Frankfurt am Main mit rund 660.000 Einwohner waren es laut Standesamt zuletzt immerhin knapp unter 500. In der Mainmetropole dürfte der vergleichsweise hohe Anteil mit der größeren Zahl von Einbürgerungen zusammenhängen. Denn oft sind ausländische Namen nur schwer im Deutschen umzusetzen, wie es beim Bundesverband der Standesbeamten heißt.
So müssten Einwanderer aus Ländern ohne Familiennamen wie Indonesien oder Sri Lanka oft eine teure und umständliche Namensänderung beantragen. Hier soll eine Änderung des Personenstandsgesetzes Abhilfe schaffen: Künftig sollen Betroffene eine Namensänderung einfach offiziell erklären und rechtsverbindlich festhalten lassen, wie Gerhard Bangert vom Standesbeamtenverband sagt. Dann könne auch Karl Mays Roman-Araber Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah durch Erklärung ein paar seiner Namen fallen lassen. "Und das weitgehend gebührenfrei", fügt Bangert hinzu. Allerdings soll die Gesetzesnovelle, die am 15. Dezember den Bundesrat passierte, wohl erst Anfang 2009 in Kraft treten.