Nichts hat die Welt seit dem Frühjahr 2020 so sehr durcheinandergewirbelt wie ein kleines, mit dem bloßen Auge nicht zu erkennendes Virus. Mit der ungewöhnlich schnellen Entwicklung der mRNA-Impfstoffe bekam die Welt Ende 2020 ein Mittel im Kampf gegen das Virus und die Corona-Pandemie an die Hand. Vor der Bekanntgabe der diesjährigen Nobelpreisträger fragten sich manche deshalb: Ist es schon an der Zeit für einen Nobelpreis für die Forscherinnen und Forscher hinter dem wissenschaftlichen Durchbruch?
Traditionell weiß niemand außerhalb der erlesenen Jurorenkreise in Stockholm und Oslo, wer für die Preise in den Kategorien Medizin, Physik, Chemie, Literatur, Frieden und Wirtschaftswissenschaften näher ins Auge gefasst wird. Die Spekulationen kochen dementsprechend jedes Jahr hoch – und das hat nicht zuletzt auch mit dem Wortlaut der Vorgaben von Preisstifter Alfred Nobel (1833-1896) zu tun.
Im Testament des Dynamit-Erfinders, auf das die Nobelpreise zurückgehen, findet sich nämlich die berühmte Formulierung, dass die Auszeichnungen an diejenigen gehen sollten, "die im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erbracht haben". Dieser Satz werfe eine Spannung zwischen Aktualität und der Gründlichkeit bei der Auslese der Preisträger auf, sagt der Stockholmer Chemie-Professor Gunnar von Heijne, der bis zum vergangenen Jahr fast zwei Jahrzehnte lang im Auswahlgremium des Chemie-Nobelpreises gesessen hat.
Durchbrüche zeigen sich erst Jahre später
"Die Nobelkomitees und die Vergabe-Institutionen ringen seit 120 Jahren mit diesem unvereinbaren Wunsch von Nobel", sagt von Heijne. Unvereinbar deshalb, weil man bereits im Jahr nach einer Entdeckung kaum entscheiden könne, ob diese tatsächlich einen großen – oder gar den größten – Nutzen für die Menschheit gehabt habe. Vielmehr müssten die Durchbrüche erst reifen, ehe man ihre ganze Tragweite erkenne.
Die Komitees haben jedoch einen Weg gefunden, den Spagat zu meistern: "Preise werden an Dinge mit aktuellem Bezug vergeben, aber sie ehren oft Entdeckungen, die vor langer Zeit gemacht wurden. Diese Entdeckungen zeigen heute erst ihre Bedeutung", sagt von Heijne. Erst nach zehn, 20 Jahren könne man oft sagen, ob etwas der Menschheit wirklich außerordentlich nützlich gewesen ist – das mache Nobels Preise unter anderem so einzigartig und besonders, findet der Professor der Stockholmer Universität SU.
Das mRNA-Verfahren, auf dem die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna beruhen, hat seinen Wert im Kampf gegen die Pandemie schnell unter Beweis gestellt. Für einen Nobelpreis reichte es aber nicht – dafür wurden eine Reihe anderer nennenswerter Persönlichkeiten und ihre Projekte ausgezeichnet. Ein Überblick.