Der neue Papst gilt als bescheiden und den Armen zugewandt. Dass Franziskus aus Argentinien stammt, trifft in der deutschen und internationalen Presselandschaft mehrheitlich auf wohlwollende Zustimmung. Doch die Ansprüche an Jorge Mario Bergoglio sind hoch: Er möge frischen Wind in den Vatikan bringen, wünschen sich die Journalisten, und die katholische Kirche nach den vielen Skandalen der Vergangenheit in eine bessere Zukunft führen.
"faz.net": "Alles ist möglich"
"Mit der Wahl von Jorge Bergoglio haben sie (die Kardinäle, Anm. d. Red.) ein Zeichen des Neuanfangs gesetzt. Denn dieser ist der erste Nichteuropäer seit der Antike, der ersten Lateinamerikaner überhaupt und das erste Mitglied des Jesuitenordens auf dem Stuhl des Bischofs von Rom. Bergoglio selbst hat diese Zeichen sofort erwidert und einen Namen gewählt, der in der Papstgeschichte einen Neuanfang markiert: Franziskus. Und ehe er selbst der begeisterten Menge den Segen spenden wollte, bat er das Volk darum, für ihn zu beten. Der Petersplatz schwieg. Alles ist möglich.
"Sueddeutsche.de": "Ein himmlisches Hollywood"
"Es schauen zwar immer mehr Menschen nach Rom, weil die dortigen Bilder so fremdartig schön sind, aber es folgen zugleich immer weniger Gläubige diesem Rom, weil die Lehren, die im Vatikan hochgehalten werden, ihrer Lebenserfahrung widersprechen. Die Menschen werden daher eher zu Zuschauern eines Spektakels, denn zu Gläubigen eines Mysteriums. Kann der neue Papst das ändern, weil er aus einer anderen Welt kommt? Vorderhand ist das, was soeben in Rom passiert, ein himmlisches Hollywood, dessen Faszination sich davon nährt, dass es da nicht um einen fiktiven Herrn der Ringe, sondern um den realen Herrn des Rings geht, - um den, der als Oberhaupt von 1,28 Milliarden Katholiken den Fischerring trägt."
"taz.de": "Ein reaktionärer alter Sack"
"Der neue Papst ist, den bislang vorliegenden Informationen nach zu urteilen, ein reaktionärer alter Sack wie sein Vorgänger, der seinerseits einem reaktionären alten Sack gefolgt war, der wiederum einen reaktionären alten Sack beerbt hatte. Alter Sack I. folgte Alter Sack II., Alter Sack II. aber folgte Alter Sack III., in einem fort, jahrein, jahraus. Ob dieser oder jene alte Sack nun eine Schwäche für die Schwachen („katholische Soziallehre“) hatte oder sich lieber mit esoterischem Klimbim („katholische Dogmatik“) beschäftigte, ist in etwa so relevant wie die Frage, ob er nebenher Briefmarken sammelte oder lieber doch Schmetterlinge."
"spiegel.de": "Ein bescheidener Mann"
"Mit Bergoglio kürten sie (die Kardinäle, Anm. d. Red.) einen bescheidenen, bodenständigen, volksnahen Mann. Einen, der öffentliche Verkehrsmittel benutzt statt die bischöfliche Limousine. Einen, der nicht im Bischofssitz wohnt, sondern in einem schlichten Apartment. Einen, der selbst in den Supermarkt geht zum Einkaufen und anschließend kocht. Einen, der bei Treffen der Kardinäle gerne in der zweiten Reihe saß statt in der ersten."
"welt.de": "Bergoglio trägt Dilemma mit sich herum"
"Zum ersten Mal auch ein Papst, der sich nach Franz von Assisi nennt. Nach dem Heiligen, der es mit den Armen und den Vögeln hielt und eine Kirche wollte, die bescheiden, die beim Volk, die bei den Armen ist und die auf zeremoniellen Pomp verzichtet. Das ist so mutig wie anspruchsvoll - und nicht ungefährlich. Jorge Maria Bergoglio trägt ein lateinamerikanisches Drama, zumindest Dilemma mit sich herum."
"Neue Zürcher Zeitung" (Schweiz): "Lateinamerika steht für eine lebendige Kirche"
"Mit diesem Entscheid bekennt sich die katholische Kirche endlich auch im Papstamt zu ihrer Verfasstheit als Weltkirche, trotz der immer noch herrschenden europäischen Dominanz des Kardinalskollegiums. Das ist ein wichtiger Schritt. Die Tatsache, dass Bergoglio Sohn italienischer Einwanderer ist, dürfte den Kardinälen aus Italien die Zustimmung einfacher gemacht haben. Lateinamerika, die Heimat der von Rom verfemten Befreiungstheologie, steht für eine lebendige und wachsende Kirche auf der Seite der Menschen."
"De Telegraaf" (Niederlande): "Neuer Wind im Vatikan"
"Mit der Wahl des neuen Papstes Franziskus schlägt die Kirche von Rom nach Jahren des Stillstands einen neuen Weg ein. Der argentinische Kardinal Bergoglio, der gestern überraschend schnell aus der Mitte der 115 Kardinäle gewählt wurde, machte mit seinem ersten öffentlichen Auftritt deutlich, dass ein neuer Wind durch den Vatikan wehen wird. Darauf hatten Millionen Katholiken gehofft. (...) Vor allem muss er nach den Missbrauchsskandalen und den Problemen im Vatikan selbst, das Vertrauen in die Kirche wiederherstellen. Denn das wurde durch das langmütige Auftreten verantwortlicher Kirchenführer beschädigt. Ob Franziskus stark genug ist, die Kirche zu modernisieren, wird sich zeigen. Nach Benedikt XVI. hat Rom mit diesem neuen Papst jedenfalls Veränderung im Blick."
"La Croix" (katholische Zeitung, Frankreich): "Schnelle Wahl gibt Sicherheit"
"Die Spannung hat nicht lange angehalten. (...) Die schnelle Wahl gibt dem neuen Papst die Sicherheit, das volle Vertrauen seiner Brüder zu haben. Sie haben auch Vorhersagen widerlegt, auch wenn die Person Jorge Mario Bergoglio, Erzbischof von Buenos Aires, sicher nicht unbekannt ist. Sein Name soll schon im vorigen Konklave gefallen sein. Gewählt wurde ein Nicht-Europäer, ein Jesuit, ein Mann (...) mit gebrechlicher Gesundheit, bescheiden. (...) Er wird sicherlich die Kurie erneuern müssen, die durch die Vatileaks-Affäre angeschlagene Zentralregierung der Kirche. Aber vor allem wird er den gläubigen Katholiken Zuversicht geben müssen in einer mehr und mehr gottlosen Welt."