Perücken Indische Haare auf jüdischem Index

Aufregung in den jüdisch-orthodoxen Gemeinden in den USA. Gläubige Jüdinnen müssen sich von ihren Perücken aus indischem Haar trennen: Ein israelischer Rabbi klassifizierte sie als nicht koscher.

Ein haariges Problem beschäftigt die jüdisch-orthodoxe Gemeinde in den USA: Haben verheiratete Frauen, die ihre eigene Haarpracht wie vorgeschrieben unter einer Perücke verstecken, jahrelang gegen religiöse Gesetze verstoßen? "Es schlug wie eine Bombe ein", sagt Leah, die Kundinnen im Laden "Yaffa`s Qualitätsperücken" in Brooklyn in New York seit Jahren bei der Auswahl der Haarbedeckung berät.

Indisches Haar ist nicht koscher

Was einschlug, war das Edikt des israelischen Rabbis Shalom Yosef Elyashiv. Perücken aus indischem Haar seien nicht koscher, stellte er im Mai plötzlich fest. Inderinnen ließen sich die Haare in einer Tempelzeremonie scheren. Weil Hindus mehrere Götter verehren, sei dies nach jüdischem Glauben Götzenanbetung. Haare, die dabei gelassen werden, könnten deshalb nicht von gläubigen Jüdinnen getragen werden.

Bei Kimberly Belk, die einen Perückenversand in Lexington (South Carolina) betreibt, standen die Telefone nicht still. "Die Kundinnen wollten dringend wissen, welches Haar in den Perücken verwendet wird, und viele haben einfach synthetische Perücken bestellt," sagt Belk. Sie hat für ihre Kundinnen Hersteller ausgemacht, die garantiert ausschließlich europäisches Haar verwenden. Andere geben inzwischen auf ihren Webseiten genaue Auskunft über die Herkunft der verwendeten Haare.

Orthodoxe Jüdinnen greifen zur Perücke

Orthodoxe Jüdinnen müssen ihre Haare nach der Heirat bedecken. Sie sollen nur noch für den eigenen Ehemann zu sehen sein. Dazu können Schals oder Mützen getragen werden, doch greifen die meisten Frauen zur Perücke, die dem eigenen Haar oft täuschend ähnelt. 1990 waren nach Schätzungen des Rates jüdischer Verbände rund sieben Prozent der fünf Millionen Juden in den USA orthodox.

Entsetzte Frauen sollen ihre Perücken mit indischem Haar schon öffentlich verbrannt haben, doch davon wissen Belk und Leah nichts. Verbrennungen sind nach Ansicht von Rabbi Elyashiv aber obligatorisch. "Objekte, die etwas mit Götzenanbetung zu tun haben, müssen im Feuer verbrannt werden", zitiert Rabbi Yirmiyahu Ullman in seiner Ratgeberkolumne des jüdischen Ohr Somayach`s-Zentrums im Internet aus der Entscheidung von Rabbi Elyashiv. "Hier geht es nicht um Haarspalterei", teilt Rabbi Ullman einer Rat suchenden mit.

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Mit abgezähltem Geld bezahlen

Der Religionsgelehrte Rabbi Moshe Sternbruch rate zudem, sich jeden Haarteil-Laden genau anzusehen. Wenn das Geschäft für andere Kundinnen Perücken mit indischem Haar führe, müsse die jüdische Kundin mit genau abgezähltem Geld bezahlen. Sonst bestehe die Gefahr, dass sie Geldstücke oder -scheine als Wechselgeld erhalte, mit denen zuvor eine Perücke mit indischem Haar bezahlt wurde, was nach seiner Religionsauslegung auch verboten sei, schrieb Rabbi Ullman.

Die meisten Inderinnen sind völlig ahnungslos, dass ihre Haare so große Kontroversen auslösen, wie die "New York Times" herausfand. Besucherinnen eines Tempels in Südindien waren sich auch des lukrativen Geschäfts nicht bewusst, das der Tempel mit den Haaren macht. Rund eine Tonne Haar wird dort am Tag gesammelt. Ein Kilogramm von 40 Zentimeter langen Haaren bringt nach Angaben der Zeitung rund 166 Dollar (138 Euro), graue Haare sind etwas billiger. In den USA geht eine Echthaarperücke für bis zu 2000 Dollar über den Ladentisch. Kunsthaar ist dagegen schon für 150 Dollar zu haben.

Der Verklauf echter Perücken ist eingebrochen

Bei "Yaffa`s" wurden nach Angaben von Leah, die ihren Nachnamen nicht nennen will, im Juni fast nur noch synthetische Perücken verkauft. "Die Leute waren verunsichert." Der Aufruhr habe sich inzwischen gelegt. "Wir sagen den Leuten: hört auf eure eigenen Rabbis", sagt Leah. "Religiosität bedeutet für jeden etwas anderes."

Rabbi Yitzchik Raitport aus Brooklyn hat Entwarnung gegeben: "Ich habe das untersucht und bin zu dem Schluss gekommen, dass diese Perücken nichts mit Götzenanbetung zu tun haben", teilte er mit, nachzulesen im jüdischen Informationsdienst shmais.com. Leah geht auf Nummer sicher. Sie trägt auch Perücke - "aus 100 Prozent europäischem Haar", wie sie betont.

DPA
Christiane Oelrich/DPA

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