Ein junger Mann soll einen islamistisch motivierten Anschlag auf die israelische Botschaft in Berlin in Betracht gezogen haben. Mehr als neun Monate nach seiner Festnahme zeigt sich der 19-Jährige reumütig und distanziert sich vollständig von radikalem Gedankengut. Einen Anschlag in Deutschland habe er nicht ernsthaft geplant, ließ der Angeklagte über seine Verteidigerin zum Prozessauftakt vor dem Kammergericht Berlin erklären.
"Ich war in einer tiefen Strukturlosigkeit gefangen", schilderte Verteidigerin Susanne Lange im Namen ihres Mandanten. Darum habe er sich radikalisiert und sei zunehmend in die islamistische Szene geraten. "Meine Sichtweise verengte sich, meine Gedanken wurden zunehmend radikaler", hieß es in der Erklärung des russischen Staatsangehörigen tschetschenischer Abstammung.
Er habe ausreisen und für religiöse Ziele kämpfen wollen. Das habe er als eine "Art militärisches Abenteuer mit Freunden" gesehen. Zwar habe er in einem Chat über mögliche Anschlagspläne gesprochen. Damit habe er sich wichtig machen wollen, um ernst genommen zu werden.
Anklage: Anschlag gegen "Ungläubige"
Die Bundesanwaltschaft sieht in dem 19-Jährigen einen Unterstützer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Sie wirft ihm unter anderem Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland und die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vor.
Laut Anklage plante er ab Anfang Februar 2025, einen Anschlag in Deutschland gegen nach seiner Auffassung "Ungläubige" zu begehen. Dabei soll er die israelische Botschaft als Ziel in Betracht gezogen haben. Hierzu habe er sich im Internet Anleitungen zur Herstellung von Sprengstoffen besorgt. Die Umsetzung sei aber daran gescheitert, dass der Mann sich die dafür erforderlichen Komponenten nicht besorgen konnte, so die Anklage.
Reise nach Pakistan zum IS geplant
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Parallel zu seinen Anschlagsideen soll der 19-Jährige, der in Österreich geboren wurde und zuletzt in einer Flüchtlingsunterkunft in Potsdam wohnte, für den IS Propagandamaterial ins Russische und Tschetschenische übersetzt haben. Am 20. Februar begab er sich zum Flughafen, um nach Pakistan zu reisen. Dort habe er sich dem IS anschließen und militärisch trainieren lassen wollen, so der Vorwurf. Kurz zuvor habe er einem mutmaßlichen IS-Mitglied im Ausland ein Video mit einem Treueschwur auf die Organisation geschickt.
Zu der Reise kam es nicht. Der Angeklagte wurde am Hauptstadtflughafen BER festgenommen und ist seitdem in Untersuchungshaft. Zunächst befand sich der junge Mann auf Grundlage eines Haftbefehls des Amtsgerichts Brandenburg in Haft, später übernahm die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen, und der Bundesgerichtshof erließ einen neuen Haftbefehl.
Entschuldigung bei der eigenen Familie
Beim Prozessauftakt waren die Eltern und drei Geschwister des Angeklagten anwesend. Mehrfach hatte die Familie Tschetschenien verlassen, um nach Österreich, Polen und dann Deutschland zu kommen. Zu den Hintergründen wurde zunächst nichts bekannt. Die Familie wird von dem Recht als Angehörige Gebrauch machen, im Prozess nicht auszusagen, wie sie erklärte.
Immer wieder blickte der jugendlich wirkende 19-Jährige zu seiner Familie, während seine Anwältin vorlas, dass er sich im Netz Hinrichtungsvideos angesehen habe. "Ich gestehe, ausdrücklich, dass ich mich zunehmend radikalisiert haben", las die Verteidigerin vor.
Erst nach seiner Inhaftierung sei ihm klar geworden, wie weit er sich von seiner Familie entfernt habe, hieß es in seiner Erklärung. Diese sei religiös, aber offen und pflege einen respektvollen Umgang mit anderen Menschen. Er sei muslimisch erzogen worden. "Ich entschuldige mich aufrichtig bei meiner Familie, der Gesellschaft und den Menschen, die ich durch mein Verhalten verunsichert habe." Nach den Angaben hat der 19-Jährige ohne Schulabschluss und Ausbildung in der Haft eine Lehre begonnen.
Prozesstermine bis Januar
Der zuständige Staatsschutzsenat des Kammergerichts Berlin hat bislang insgesamt neun Verhandlungstage bis zum 12. Januar 2026 geplant. Der Prozess soll am Dienstag (2.12.) mit der Vernehmung weiterer Polizisten fortgesetzt werden. Da der Angeklagte zur Tatzeit Heranwachsender war, muss das Gericht entscheiden, ob er nach Erwachsenenstrafrecht zu verurteilen ist oder nach dem Jugendstrafrecht.